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Hauptdiskussionsstränge in der Globalisierungsdebatte[1]

(Verfasser: Christian Christen, wiss. MA - MdB Büro Ulla Lötzer)

Inhalt

1. Die Hyperglobalisierungsthese

Die Globalisierung definiert eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte, in welcher der traditionelle Nationalstaat sich auflöst und als überkommenes ökonomisches Handlungsobjekt in einer globalen Ökonomie gilt. Dieser Ansatz bevorzugt einen „reinen“ ökonomischen Blickwinkel und begrüßt in seiner neoliberalen Variante die Herausbildung eines einheitlichen Weltmarktes und des globalen Wettbewerbs als fundamentalen zivilisatorischen Fortschritt.

Die Denationalisierung der ökonomischen Prozesse wird auf die Etablierung transnationaler Wertschöpfungsketten von Produktion, Handel und Finanzen zurückgeführt. In dieser „grenzenlosen“ Ökonomie können Staaten nur noch Transmissionsfunktionen zwischen den ökonomischen Einheiten (z.B. Konzerne, Finanzmärkte, WTO) erfüllen bzw. ihre Macht wird zwischen den neuen Institutionen immer stärker eingeschränkt. In dieser Hinsicht konstruiert die Globalisierung neue soziale Organisationsformen/Institutionen, die den Nationalstaat als bestimmende ökonomische und politische Kraft ersetzen oder verdrängen werden.

Aber nicht nur die neoliberale Variante bemüht diese Sicht, sondern sie findet sich auch in radikalen oder neo-marxistischen Ansätzen. Während die neoliberale Variante die Auflösung des Nationalstaats als Triumph des Individuums über das negativ besetzte Kollektiv (Gesellschaft) und der Marktmechanismen über die staatliche Regulierung definiert, repräsentiert dies zwar für die linken Ansätze den vorläufigen Sieg der Unterdrückung auf globaler Ebene. Trotz der unterschiedlichen Bewertung findet man ein Set an gleichen Definitionen und Vorstellungen in diesen konträren Ansätzen: Globalisierung ist vor allem ein ökonomisches Phänomen; Eine hochintegrierte, weltweite Arbeitsteilung existiert; Das globale Kapital bedarf bestimmter Bedingungen und zwingt damit den Staat/die Politik diesen Anforderungen mit einer neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik, bei Strafe des Untergangs, gerecht zu werden.

Darüber hinaus erzeugt die Globalisierung zwar Gewinner und Verlierer, aber dies ist nicht mehr mit den alten Mustern von Abhängigkeit identisch. Der Nord-Süd Gegensatz verschwindet, da sich durch die ökonomische Verflechtung von Zentrum und Peripherie die alten Abhängigkeiten auflösen. Politik muß zwar auf die neuen Verliere reagieren, sie hat dies Problem primär als Managementaufgabe anzugehen, indem die Möglichkeiten des Aufstiegs und der Teilnahme am Wettbewerb eröffnet werden. Im Englische wird dies als „workefare instead of welfare“ bezeichnet. Die Politikangebote können sich dabei nicht mehr aus den alten Umverteilungswünschen des Sozialstaats speisen. Denn das würden die Märkte durch Kapitalflucht und Produktionsverlagerung bestrafen. Vielmehr ist eine aktivierende Sozialpolitik gefordert, die verhindern soll, dass die Verlierer den Prozess der Globalisierung verzögern könnten, da sie als Wettbewerbsnachteil gelten. Disziplin und autoritäre Politik sind deshalb unausgesprochener Bestandteil dieses Ansatzes.

Auch wird anerkannt, dass die Globalisierung mit zunehmenden Polarisation verbunden ist. Jedoch muß dies nicht so sein, denn nach neoliberaler Vorstellung erzeugt der richtige Wettbewerb immer Wohlstandsgewinne für alle Länder und Menschen. Die komparativen Vorteile, die jede Gesellschaft besitzt, können im Zeitalter der Globalisierung endlich genutzt werden, wenn die dementsprechende Politik nur umgesetzt werden würde. Die Polarisierung ist somit erstens ein zeitliches Problem (heute aber nicht mehr morgen) und zweitens das Ergebnis von falscher Politik (Restriktionen) die den globalen Marktmechanismen verweigern, eine Win-Win Situation (alle können Gewinnen) herzustellen. In linken Ansätzen wird diese Beschreibung der sozialen Polarisation und die Möglichkeit der Überwindung durch den Markt selbst als falsch zurückgewiesen. Vielmehr werden durch die Globalisierung alte und neue weltweite Muster der Ungleichheit und der Ausbeutung geschaffen. Dies findet sowohl zwischen als auch innerhalb der Nationen statt und beschränkt sich nicht nur auf die Peripherie. Aber auch hier besteht eine relative Gleichheit in der Aussage über die Handlungsfähigkeit des Staats zur sozialen Sicherung. Der Wohlfahrtsstaat gilt auch im linken Diskurs häufig als anachronistisches Relikt des goldenen Nachkriegszeitalters und traditionelle Ansätze müssen angesichts der Globalisierung versagen.

Zwischen den Eliten und den Beschäftigten in den neuen Feldern, die durch die Globalisierung entstanden sind bzw. sich weiterentwickeln (Bio- und Gentechnik, Dienstleistungen, Finanzen, IuK) ist eine transnationale Struktur gewachsen, die sich auf eine neoliberale Sicht auf Ökonomie und Gesellschaft stützt. Für die marginalisierten Gruppen stellt die Globalisierung ebenfalls eine gemeinsame Ideologie bereit, nämlich die des Konsums. Durch die Vereinheitlichung der Konsummuster werden somit traditionelle Strukturen aufgebrochen, wodurch eine globale Kultur überhaupt zum ersten Mal erst möglich wird. Daneben setzt sich die liberale Demokratie nach dem Systemzusammenbruch als einzige Regierungsform durch und einheitliche zivilisatorische Standards ermöglichen die Herausbildung einer globalen Zivilgesellschaft. Auf politischer und organisatorischer Ebene werden beispielsweise durch den IWF und die Weltbank die Konzepte einer guten Regierungsführung (good governance) verbreitet und die Marktdisziplin zwingt die Staaten, diese Konzepte für ihr Handeln umzusetzen. In diesem Sinne werden nicht nur die Menschen, sondern auch die staatlichen Institutionen bestimmten weltweiten Regeln und neuen privaten und öffentlichen Autoritäten unterworfen. Für einige gilt somit die Globalisierung nicht nur als ökonomische neue Weltordnung, sondern als erster wirklicher Schritt einer einheitlichen Welt, die nach gleichen zivilisatorischen Regeln handelt.

Die Auflösung des alten Nationalstaats ist damit vorgezeichnet, zumal die Globalisierung als permanenter Fluß von Investitionen, Gütern und Menschen gilt und keiner Grenze mehr zu unterwerfen ist. Damit steht die ständige Bewegung der Begrenztheit des Nationalstaats aufgrund seiner territorialen Gebundenheit entgegen. Der Staat verliert seine Macht über die Ökonomie, weil sie in letzter Konsequenz „entgrenzt“ ist und er damit keinen Zugriff mehr hat. Daneben wird die staatliche Handlungsfähigkeit durch den Umstand eingeschränkt, dass der Aufbau und das Machtwachstum supranationaler politischer Institutionen voranschreitet. Entscheidungen, die früher auf nationaler Ebene getroffen wurden, werden heute auf höherer Ebene durch die Delegation und die Aufgabe von Souveränitätsrechten getroffen. Bestes Beispiel dafür ist die EU oder die WTO. Gleichzeitige Bewegung ist eine Dezentralisierung von Entscheidungen auf die regionale Ebene, was sich nicht zuletzt in den Autonomiebewegungen widerspiegelt. Die nationale Regulierung (und Regierung) wird von diesen beiden Tendenzen konterkarriert und wird unwirksam.

Nach dieser Sicht von Globalisierung werden die ökonomisch und politische Macht, denationalisiert und lösen sich in differenzierten Zusammenhängen auf, so dass dem Nationalstaat oder der Politik, egal was sie ansonsten populistisch vertreten mag, nur noch die Möglichkeit bleibt, die internationalen Abläufe zu managen bzw. effektiv zu organisieren. Globalisierung bedeutet damit einen fundamentalen Wechsel in den Grundlagen des menschlichen Wirkens auf allen gesellschaftlich relevanten Feldern.

2. Die skeptische Sichtweise

Begegnet wird dem eben geschilderten Ansatz u.a. mit dem Vergleich der Globalisierung anhand statistischer Zahlen zur Entwicklung von Handel, Investitionen und Arbeitsmigration mit vergangenen Phasen der Internationalisierung. Als ein primärer Referenzzeitraum gilt dabei die Phase von 1870-1914 (Ära des Goldstandards) - Die vergangenen Globalisierung, die mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 ihr vorläufiges Ende fand. Mit diesen historischen Vergleichen relativiert sich zunächst einmal die Feststellung von der Einmaligkeit der gegenwärtigen Globalisierung und der damit verbundene Überschwang in der Analyse und Projektion. Daneben wird anhand der statistischen und theoretischen Analyse die heutige Globalisierung als primär regionale Konzentration von Handels-, Finanz- und Migrationsströmen dargestellt. Die weltweite Integration der Märkte und die zivilgesellschaftliche Homogenisierung, wie zuvor geschildert, existiert so nicht. Sie ist vielmehr ein Mythos und verstellt den Blick auf die tatsächlichen Veränderungen, die sich besonders seit Mitte der 70er Jahre ergeben haben. Problematisch ist, dass sich diese Ansätze häufig ebenfalls einer rein ökonomischen Sichtweise bedienen und die politischen bzw. kulturellen Veränderungen vernachlässigen. In einigen Publikationen wird dies soweit strapaziert, dass die Globalisierung gänzlich ein Mythos sei und die Unterschiede zwischen den heutigen und vergangenen Prozessen verschwinden.

Misst man jedoch die Aussagen des ersten Ansatzes anhand realer Zahlen und vergleicht sie mit der Vergangenheit, so liegt die Schlußfolgerung nah, dass die Aussagen zur Globalisierung und vor allem zu den ökonomischen und politischen Konsequenzen mehr als übertrieben sind. In der skeptischen Sichtweise überwiegt also die Ansicht, dass das Verständnis von der Funktion des Staates und seiner unterstellten zunehmenden Einflußlosigkeit durch die Globalisierung falsch und naiv ist. Anstatt eine überkomme Institution zu sein, gibt es die Globalisierung nur, weil sie über und durch den Staat geschaffen wird. Anders ausgedrückt, alles das was unter dem Schlagwort der ökonomischen Liberalisierung, Flexibilisierung und Deregulierung zur realen Politik wurde, ist nicht das Ergebnis einer Anpassung an die Globalisierung, sondern ihre notwendige Voraussetzung. Wird dieses Set nicht durch die politische Regulierung der Gesellschaft im Hinblick auf die Globalisierung über den Staat durchgesetzt, so würde es keine Globalisierung geben.

Die Annahmen, eine neue Weltordnung würde weniger staatszentriert aufgebaut sein, wird ebenso abgelehnt. Entgegen der Behauptung, die Staaten würden an Macht durch die Dynamik der Kapitalbewegungen verlieren, wird aufgezeigt, dass die bestehende internationale Regulierung ein zentraler, durch Nationalstaaten getragener Prozeß ist. Staaten sind es auch, die eine ökonomische Verflechtung über die eigenen Grenzen hinaus unterstützen würden und durch bi- und multilaterale Verhandlungen erst ermöglichten. Mehr noch erscheint die Globalisierung als Nebenprodukt, als die von den USA nach dem II. Weltkrieg initiierte multilaterale ökonomische Weltordnung durchgesetzt wurde, die alle westlichen Staaten auf eine zunehmende Öffnung ihrer Ökonomie verpflichtete und der Prozeß der Liberalisierung und internationalen Wertschöpfung erneut begann. Hierzu bedurfte es souveräner und starker Staaten, die dafür freiwillig den nationalen/internationalen Ordnungsrahmen legten.

In den linken Analyse findet man deshalb auch den Argumentationsstrang, dass die Globalisierung eine neue Phase des ökonomischen Imperialismus sei, in der die führenden kapitalistischen Staaten den Handel, die Investitionstätigkeit und die Finanzmärkte dazu nutzten, ihre Dominanz auszubauen. Die Verflechtung multinationaler Konzerne mit der Politik der herrschenden Nationen bzw. ihrer Eliten wird ebenfalls in diesen Zusammenhang gestellt. Demzufolge kann auch nicht vom absoluten Interessengegensatz von Markt und Staat im Zeitalter der Globalisierung gesprochen werden, nur weil der Sozialstaat der Vergangenheit zur Disposition gestellt wird. Es werden nur bestimmte Aspekte der Regulierung abgelehnt. Generell kann und wird aber auf den Staat bzw. die Politik auch im Zeitalter der Globalisierung nicht verzichtet.

Auch der Zusammenhang von Globalisierung und Regionalisierung wird hier anders dargestellt. Alle statistischen Daten bewiesen, dass die Globalisierung nicht die gesamte Welt umfasst, sondern vielmehr eine regionale Konzentration bedeutet. Dabei zeichnen sich für alle ökonomischen Aktivitäten drei Blöcke ab: Nordamerika, Europa und der asiatisch-pazifische Raum (Japan als ökonomische Hauptmacht). Verglichen mit der Ära von 1870-1914 ist die heutige Welt weniger integriert als sie es bereits einmal war, da die Mehrzahl der Länder nicht mehr signifikant in die Weltökonomie eingebunden sind. Geographisch gesehen wäre die Globalisierung demnach weniger global als jemals zuvor. Globalisierung wäre also vielmehr eine Regionalisierung, da sie sich auf klar abgegrenzte regionale Wirtschaftsräume beschränkt. Marginalisierung wäre hingegen der Begriff, der den Zustand des Rests der Welt zutreffend beschreiben würde.

Der Nord-Süd Gegensatz hätte sich demnach nur verbreitert und um die zunehmende Polarisation der Verteilungsverhältnisse in den reichen Industriestaaten erweitert. Gleichzeitig wird anhand statistischer Daten aufgezeigt, daß selbst der immer wieder behauptete Arbeitsplatzexport in sog. Billiglohnländer nicht als Massenphänomen stattgefunden hat und auch nicht stattfinden wird. In diesem Zusammenhang stehen Untersuchungen zum Investitionsverhalten und der strategischen Rolle transnationaler Konzerne. Es wird gezeigt, daß die These von der grenzenlosen Bewegung des Kapitals nicht der Realität entspricht: Die Investitionsflüsse konzentrieren sich ebenfalls auf die kleine Anzahl der Industrieländer und die Wertschöpfung findet zum großen Teil in der Heimatnation statt. Mit diesen Ergebnissen wird jedoch die Möglichkeit der nachholenden Entwicklung durch das Nutzen komparativer Vorteile verneint und ein mögliches Ergebnis der Globalisierung, die Win-Win Situation, ausgeschlossen.

In dieser Struktur, die die hierarchische Teilung der Welt auf einer neuen Ebene fortsetzt liegen auch die Gründe dafür, dass es nicht zur zuvor beschriebenen globalen Zivilgesellschaft kommen wird. Die Welt wird vielmehr geprägt von nationalistischen und ethnischen Konflikten, die ihren Ursprung in der ökonomischen Marginalisierung haben. Mit der Art und Weise wie die Globalisierung zunimmt, werden sich diese Konflikte verschärfen. Die Homogenisierung der Kulturen gilt als weiterer Mythos, der nur entstehen konnte, weil die Analyse erstens an nicht aussagekräftigen Konsummustern ansetzt und zweitens vor allem die Mittel- und Oberschicht betrachtet, die überhaupt Zugang zu den materiellen und immateriellen Konsumgütern hat. Hiermit Rückschlüsse auf die gesamte Gesellschaft bzw. die Welt zu ziehen führe zu falschen Ergebnissen.

Globalisierung gilt bei den Skeptikern daneben als eine politisch/ideologische Metapher, um der Bevölkerung Zugeständnisse abzuringen und die Alternativlosigkeit neoliberaler Politik zu begründen. Alles in allem böte sich nämlich auch im Zeitalter der Globalisierung die Möglichkeit einer absolut anderen Art der Regulierung, die jedoch auf Widerstände der herrschenden Eliten und wohl auch der Mittelschicht (den Gewinnern der Polarisierung) stoßen würde. Das Argument, Politik hätte sich auf das Management ökonomischer und sozialer Prozesse zu beschränken, wird angesichts der Realität, wie die Globalisierung gestaltet wird, abgelehnt.

3. Die Thesen der Transformalisten

Kern dieses Ansatzes ist die Überzeugung, dass die Globalisierung die zentrale Kraft hinter den gegenwärtigen massiven sozialen, politischen und ökonomischen Veränderungen ist und sich dies im 21. Jahrhundert noch verstärken wird. Daraus wird sich eine neue nationale als auch internationale soziale Ordnung ergeben. Nach dieser Vorstellung ist dabei die gegenwärtige Globalisierung nicht mit den Prozessen der Vergangenheit zu vergleichen, denn erst jetzt ergibt sich die Situation, dass keine eindeutige Abgrenzung zwischen äußeren und inneren Angelegenheiten, bezogen auf den Staat, sowie zwischen internationalem Markt und dem Binnenmarkt mehr getroffen werden kann. Die Zusammenhänge und Interdependenzen sind so vielfältig, das hieraus die Chancen, Probleme und Widersprüche der Globalisierung entstehen, die alle sozialen Institutionen und gesellschaftliche Verhaltensmuster der radikalen Überprüfung aussetzen. In diesem Sinne ist die Globalisierung der Hauptfaktor dafür, der eine umfassende Transformation der Gesellschaften notwendig werden lässt.

Dabei ist nicht eindeutig bestimmt, welche Richtung oder Ziele sich aus der Transformation der Gesellschaft sich ergeben. Da dies als ein historischer Prozeß definiert ist, aus denen sich auch Rückschritte ergeben können, ist er im Prinzip als offener Prozeß gedacht. Welche letztendliche nationale als auch internationale Ordnung sich ergibt, ist nicht zu bestimmen. Damit wird sowohl die positive Sicht der Hyperglobalisierungsthese als auch der negative Ansatz der Skeptiker abgelehnt. Im Unterschied zu diesen Ansätzen wird auch die gegenwärtige Globalisierung nicht an einzelnen Elementen, ob rein ökonomisch oder soziologisch, gemessen oder bewertet. Diese Zurückhaltung über die Zukunft bedeutet jedoch keineswegs eine Zurückhaltung bei der Bewertung der Gegenwart: Die gegenwärtigen Muster der ökonomischen Integration, des Militärs, der Technologie, der Ökologie, der Migration, der politischen und kulturellen Dynamik zwischen den Nationen ist neu, einzigartig und verweigert sich dem Vergleich mit der Vergangenheit.

Nur wird diese Existenz der Globalisierung nicht als Ausdruck oder Ziel einer weltweiten Konvergenz in politischen, kulturellen und ökonomischen Belangen oder der Durchsetzung einer überall geltenden Weltordnung verstanden. Somit sei es nur folgerichtig, dass einige Staaten, Gesellschaften und Gemeinschaften zunehmend in eine globale Ordnung eingebunden werden und andere herausfallen. Dabei verändert sich die strukturelle Ordnung in der Welt, denn die einfache Unterscheidung von 1. - 3. Welt, Nord -Süd oder Zentrum - Peripherie ist nicht mehr aussagekräftig. Der traditionelle Prozeß der Inklusion und Exklusion von Volkswirtschaften, Gruppen oder einzelnen Menschen und der hierarchische Aufbau der Gesellschaft (Pyramide: Kleine Spitze und breiter Unterbau) verschwindet. Statt dessen setzt sich eine neue Hierarchie über alle Grenzen hinweg durch: Benutzt wird das Bild von drei gleich großen Kreisen, die übereinander gelagert sind (Elite, in die Globalisierung integrierte und ausgeschlossene Personen). Mit anderen Worten, die 3. Welt kommt in die Industrienationen mit all ihren negativen Konsequenzen, dafür profitieren viele Menschen in der 3. Welt von der Globalisierung und sind Gewinner.

Diese wechselseitige Durchdringung ist verbunden mit der ökonomischen Integration, die sich über die nationalen Grenzen hinweg vollzieht. Dies geschieht indem die nationale ökonomische Struktur durch Verbindung über die Staatsgrenzen hinweg, in die Nachbarregionen oder auch an weit entfernte Punkte der Welt, sich verändert. Folglich entsteht ein komplexes Netzwerk, womit die transnationale Produktion (nicht gleichzusetzen mit Transnationalen Konzernen), der Austausch von Waren und Dienstleistungen und vor allem die Finanzströme verbunden werden. So entstehen Beziehungen zwischen Unternehmen, gesellschaftlichen Institutionen, Haushalten und Gemeinschaften, die über den nationalen Bezugspunkt hinaus weisen.

Der Staat besitzt zwar nach wie vor die territoriale Machthoheit (Gesetzgebung und Ordnungsfunktionen), aber die Transformation der sozialen und ökonomischen Beziehungen durch die Globalisierung erzeugt eine Veränderung der Macht, der Funktionen und der Autorität des Nationalstaats. Supranationale Institutionen und vor allem eine differenzierte internationale Gesetzgebung zwingt die Staaten/Regierungen sich diesen zu beugen. Dabei ist es relativ egal, dass die Regierung ihre Souveränitätsrechte selbst abgeben. Dies also Ausdruck konkreten politischen Wollens ist. Wichtig ist nur, dass sie damit nicht mehr „alleinige“ Macht der sozialen Regulierung besitzen und sich ebenfalls Entscheidungen fügen müssen. Durch die technischen Möglichkeiten der Vernetzung zwischen globaler, nationaler und regionaler Ebene entstehen wiederum neue Formen sozialer Organisation. Dies trifft sowohl auf für die politische als auch privatwirtschaftliche Ebene zu, so dass diese (über)territorialen Strukturen (Transnationale Konzerne, internationale soziale Bewegungen, internationale Institutionen) die Handlungen des Nationalstaats einschränken.

Zwar wird auch darauf hingewiesen, dass eine starke Souveränität immer nur wenigen, vor allem ökonomisch potenten Staaten, vorbehalten war und das die Einschränkung nationaler Souveränität damit nicht etwas gänzlich neues ist. Die Veränderung besteht allerdings darin, dass selbst ökonomisch potente Staaten nunmehr darauf angewiesen sind in einem komplexen Netzwerk zu agieren und ihre Interessen damit nicht unmittelbar durchsetzen können. Die Regulierung durch den modernen Nationalstaat, wie ihn die Geschichte hervorgebracht hat, löst sich auf zugunsten einer Regulierung von staatlichen, privaten und öffentlichen Subjekten, die auf globaler, nationaler und lokaler Ebene eine soziale Organisation schaffen. Nationalstaaten sind damit nicht mehr die Hauptfaktoren sozialer Regulierung. Parlamente nicht mehr die prinzipielle Form der „Regierung“ und beide besitzen keine unumstrittene Autorität im Zeitalter der Globalisierung. Damit grenzt sich dieser Ansatz sowohl von der These ab, Nationalstaaten hätten keinerlei Funktion mehr und lösen sich auf (siehe 1) und es hätte sich „nichts“ wesentliches an der Staatsfunktion geändert (siehe 2).

Politik hat sich dementsprechend an diese globale Transformation anzupassen: Das Spektrum dafür liegt je nach Politikfeld zwischen dem minimalistischen neoliberalen Ansatz (alle staatliche Regulierung auflösen), dem Entwicklungsstaat (Eingriffe in den Markt zur ökonomischen Stimulierung und Expansion) sowie der Funktion des Staats als Katalysator zur Forcierung gesellschaftlicher Prozesse (Koordinierte und kollektive Anstrengungen verschiedener Akteure – Bündnisse). Gleichzeitig liegt in der zunehmenden Interdependenz der Globalisierung die Notwendigkeit, auf internationaler Ebene verstärkt koordinierend zu wirken. Zum einen sollen damit kooperative Ansätze gestärkt werden und zum anderen internationale Institutionen und Regelwerke zur Regulierung und besserem Management der Globalisierung entstehen. Denn nicht das Verschwinden des Staates wird konstatiert, sondern notwendig sei die Veränderung seiner Funktionen als Antwort auf die Komplexität der politischen Gestaltung.

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[1] Übernommen von: Held, D. u.a. (1999:2ff): Global Transformations – Politics, Economics and Culture; Cambridge


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