Gehen wir das Alphabet durch? GO ver.di gibt es schon. Als
nächstes : KO ver.di?
Zwei Ereignisse der jüngsten Tage erhöhen zumindestens die Möglichkeit,
daß der Vereinigungsprozeß unsanft zu Ende gehen könnte.
Zum einen die ÖTV. Sie habe, so liest es sich in einem vorbereitenden Statement zur eigenen Klausur im März, sie habe ihre Macht und Kraft bisher nicht ausreichend eingesetzt, um die Gestaltung von ver.di mitzubestimmen. Zum anderen die DAG: Unterzeichnet Samstagsarbeit-Tarif.
Sicher: Weder bin ich sonderlich bewandert im Handel - aber
daß in HBV Reihen heimlich Mordgelüste sich breit machen, scheint
verständlich; noch gehöre ich zu jenen, die alles Böse von der
ÖTV kommen sehen - doch das war beileibe nicht nur ein taktisches Fettnäpfchen.
Andrerseits: Der Gewöhnungsprozeß ist wirksam, und das ver.di Wort
des Jahres 99 wird vielleicht auch in diesem Jahr die Nummer eins bleiben: "Trotz".
Trotz Kritik weiter, trotz Schwächen weiter, trotz Problemen weiter : Alle
beteiligten Gewerkschaftszeitschriften bekamen für solcherart Schlagzeilen
Mengenrabatt.
Da aber nichts unternommen wurde, der Kritik zu folgen, die Schwächen zu beheben, die Probleme zu lösen, ist die Gefahr nicht klein, daß von allem eins bleibt: Trotz. Der leicht seinen qualitativen Umschlag erreicht: Ätsch.
"Nicht weiter so" hieß unser Dortmunder Antrag an den Gewerkschaftstag der IG Medien. Darin wurden vor allem zwei Grundprobleme thematisiert: Daß zu einem wirklichen Einigungsprozeß die gemeinsame Absicht - sprich politische Inhalte - gehöre, und daß dies zweitens auch im Gegensatz zur "Ich will so bleiben, wie ich bin" der "Vereinigung-light"-Fraktionen aller Beteiligten stehe.
Die politische Programmatik von ver.di ist in der Tat so, daß eine Gewerkschaft einen Tarifvertrag unterzeichnen kann, die andere nicht. Und: Die ÖTV kann mit gleichem Fug und Recht beanspruchen, alles solle bleiben, wie es ist, wie dies nicht zuletzt die IG Medien mit ihrem reservierten Fachbereich auch tut - von anderen will ich hier gar nicht reden. Auch wenn naheliegend ist, daß wenn 7% der Mitgliedschaft etwas tun, dies einen anderen Wert hat, als wenn die Hälfte dies tut - oder gar alle, es bleibt gültig: 13 Gewerkschaften unter einem Dach, das ist die endgültige Reduktion der Vereinigung auf ihr bisheriges Wesen - den bürokratischen Akt. Das ZK auf Bezirksebene auch. Aus der von einigen Vorsitzenden angeblich gewünschten Aufbruchstimmung - für die sie nichts unternommen haben, denn die könnte nur mit neuen Inhalten erreicht werden - wird so die Zementierung. Die Betonfraktionen aller Beteiligten vereinigen sich vielleicht nicht - aber sie kooperieren.
Eine Gewerkschaftskampagne gegen Niedriglöhne, Niedriglohnbereiche,
Niedriglohnsektoren - zusammen mit der NGG beispielsweise - das wäre ein
potentieller Aufbruchsbereich, nicht zuletzt wenn Frauen, Erwerbslosen und MigrantInnen
die Selbstorganisation erleichtert wird.
Eine Gewerkschaftskampagne für Arbeitszeitverkürzung: zusammen mit
allen, die wollen. Nicht als Rechenexempel für angeblich neue Arbeitsplätze,
sondern als bewußte Gegenbewegung: zur immer weitergehenden Unterwerfung
des Lebens unter die Maschine, auch wenn sie Computer heißt, zur immer
weitergehenden Verwandlung des Menschen zum Konsumenten...
Derartiges Potential ließe sich noch einiges finden. Vielleicht produzierte dieses Vorgehen die Risse im Beton, eine Sicht auf den Strand unter dem Pflaster. Vielleicht auch ließe sich so, über praktisch-politische Kooperation, ein Weg finden, an dem ver.di dann bestenfalls eine erste Station wäre.
Wenn jedenfalls weitergemacht wird wie bisher, dann wird ver.di unter Märzgefallene nicht einmal ins Geschichtsbuch, lediglich in Jahresrückblicke eingehen.
LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
Der virtuelle Treffpunkt der Gewerkschafts- und Betriebslinken The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace | ||
Datei: | ||
Datum: |