Home > Diskussion > Gewerkschaft > Ver.di > Ver.di-Linke NRW > nrwprogdeb | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Ver.di-Programmdebatte Für eine neue Orientierung - Eckpunkte eines alternativen Programmentwurfs Vorbemerkung Die vorliegenden Eckpunkte verstehen sich als Alternative zum Programmentwurf. -Wir beschränken uns darauf zu formulieren, wie die programmatische Weiterentwicklung aussehen sollte. Kurz & bündig Die Gewerkschaften des DGB und auch Ver.di, die Gewerkschaft der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich, befinden sich in einer Orientierungskrise. Die negative Mitgliederentwicklung kann als sichtbares Synonym gewertet werden. Tarifpolitik und Positionierungen in der öffentlichen Debatte zu gesellschaftspolitischen Themen erwecken den Eindruck von Hilflosigkeit. Mitte der 80er Jahre gelang es der Gewerkschaftsbewegung letztmalig mit der Kampagne für die 35-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich in die Offensive zu kommen, die gesellschaftliche Debatte zu prägen und auch einige spürbare Verbesserungen durchzusetzen. Seitdem gab es zunächst Stillstand, dann Rückschritt. Wir erleben eine ungebrochene Offensive des Kapitals und sind weit entfernt, aus der Defensive herauszukommen. Während des lang andauernden Aufschwungs nach dem Zweiten Weltkrieg, im Rahmen der Blockkonfrontation und nach dem "Schock" der späten 60er Jahre war es möglich, mit geringem Kampfeinsatz Verbesserungen für die Beschäftigten durchzusetzen. Die Unternehmerseite vertrat ihre Interessen zwar immer knallhart, doch war sie aus "sozialpartnerschaftlichen" Scheinmotiven zu gewissen Konzessionen bereit. Der Einschnitt von 1989/90 hat die Lage verschärft, weil viele meinten, man könne auf Perspektiven über den Kapitalismus hinaus verzichten. Mittlerweile überwiegt nicht nur ökonomisch sondern auch ideologisch eindeutig das Motiv des Kampfes für eine möglichst hohe Profitrate. Die Sozialpartnerschaft ist aufgekündigt worden. Die Unternehmerverbände wollen Reallohnkürzungen, Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, massiven Sozialabbau und die möglichst weit gehende Privatisierung auch der öffentlichen Daseinsvorsorge durchsetzen. Die DGB-Gewerkschaften versuchen widersprüchlich, die Sozialpartnerschaft zu retten Dieser Versuch ist untauglich. Das Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital ist seit Mitte der 70er Jahre, also mit tendenziell steigender und dauernder Massenarbeitslosigkeit, immer ungünstiger geworden für die Beschäftigten und die Erwerbslosen. Zunehmende Deregulierung und Prekarisierung hat nachhaltige Entsolidarisierungseffekte geschaffen. Darauf hat die Gewerkschaftsbewegung bislang keine wirksame Antwort gefunden. Wir brauchen daher eine Orientierung, die auf einer klaren Einschätzung der gegenwärtigen Trends der kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung und der nach wie vor vorherrschenden neoliberalen Ideologie beruht. Statt Sozialpartnerschaft ist die Fähigkeit gefragt,
Ein besonders wichtiger Wert ist die Solidarität. Solidarische Lösungen müssen zur Debatte gestellt, Millionen müssen dafür begeistert und in die Aktion geführt werden. Nur so sind Lösungen durchsetzbar. Ver.di steht vor der Notwendigkeit, sich programmatisch und praktisch zu erneuern, wollen wir eine weitere Schwächung gewerkschaftlicher Handlungsfähigkeit vermeiden. Zusammengefasst:
1) Kapitalistische Gesellschaftsordnung und neoliberale Ideologie heute Auch wer nicht mit allen Vorschlägen der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik einverstanden ist muss anerkennen, dass auch das "Memorandum 2006 - Mehr Beschäftigung braucht eine andere Verteilung" wertvolle Elemente zur Einschätzung der Lage enthält. Der Bericht zeigt, dass die Politik der Konterreform auch in der großen Koalition weitergeht, während zugleich Konzerne und Unternehmen, die horrende Gewinne einfahren, massiv Arbeitsplätze abbauen oder verlagern bzw. mit der Drohung mit solchen Maßnahmen Verschlechterungen der Lage der Beschäftigten durchsetzen. Die Arbeitnehmerentgelte fallen auch nominell, während das Einkommen aus Gewinnen und Vermögen weiter stärker zunimmt als das gesamte Volkseinkommen. Während die Löhne sinken bleibt die Erwerbslosigkeit trotz eines konjunkturellen Aufschwungs auf unverändert hohem Millionenniveau. Die offizielle Politik erklärt Deutschland nun jahraus, jahrein zum "Exportweltmeister", aber das bessert nicht die Lage der Beschäftigten hierzulande, übrigens auch kaum diejenigen der anderen Länder, deren Handelsbilanz dadurch ja verschlechtert wird. Die Gewinnerwartungen im produktiven Bereich bleiben zu niedrig, so dass nach wie vor die shareholder-value regiert und massiv in unproduktive und spekulative Bereiche investiert wird. Außerdem ist die Lage der kapitalistischen Weltwirtschaft selbst krisenhaft und äußerst labil. Die USA sind das mächtigste Land der Welt. Doch beruht dies hauptsächlich auf ihrer militärischen Überlegenheit. Die öffentliche und private Überschuldung hat schwindelnde Höhen erreicht, und das massive Handelsdefizit der USA wird von den Partnern/Konkurrenten finanziert. Die Immobilienblase in den USA droht zu platzen. Zusammenbruchsartige Erscheinungen im Stile des "Argentinazo" drohen. Die etablierte Politik argumentiert mit der Globalisierung, innerhalb derer man wettbewerbsfähig bleiben (bzw. werden) müsse. Die "Standort"-Ideologie kulminiert in propagandistischen latent nationalistischen Kampagnen ("Du bist Deutschland"). Tatsächlich werden Beschäftigte verschiedener Länder und Weltregionen miteinander in Konkurrenz gesetzt. Laut der neoliberalen Ideologie müssten die Beschäftigten in Deutschland das Lohnniveau Rumäniens, die sozialen Standards Togos und öffentliche Dienste wie in Paraguay akzeptieren, ergänzt um gewerkschaftliche Rechte und Arbeitnehmerschutz auf dem Niveau der Freihandelszonen in der VR China. Für die neoliberalen Ideologen ist Erwerbslosigkeit selbstverschuldet. Wenn die Leute nur jede Arbeit zu beliebigen Bedingungen akzeptieren würden, dann würde es überhaupt keine Erwerbslosigkeit geben: Der Preis dieser Ware muss sinken, bis ein so genannter "Gleichgewichtspreis" erreicht ist. Die inhumane Seite der neoliberalen Ideologie wird daran besonders deutlich, dass sie die "Arbeitskraft" als Ware wie jede andere ansieht, obwohl es doch die (kapitalfreien) Menschen sind, die gezwungen sind, diese Ware anzubieten, um leben zu können. In der Konsequenz der neoliberalen Ideologie müssen sie akzeptieren, zu arbeitenden Armen ("working poor") zu werden, um dem Schicksal der Erwerbslosigkeit zu entgehen. Der Sozialstatt ist aus Sicht der Neoliberalen "aufgebläht" und hat eine "Hängematte" geschaffen, die es "Sozialschmarotzern" erlaubt, den Rest der Gesellschaft zu plündern. So wird die gesellschaftliche Wirklichkeit auf den Kopf gestellt, in der eine winzige Minderheit von Milliardären und Multimillionären, die keineswegs arbeiten müssen, auf Kosten und zu Lasten der großen Mehrheit der Bevölkerung immer reicher wird. Leider ist derlei Ideologie auch deshalb so wirksam geworden, weil ihr so wenig, auch von Gewerkschaftsseite, entgegen gesetzt wird. (Warum ist es zum Beispiel zum derzeitigen Rekordtiefstand bei den Krankmeldungen gekommen? Die Beschäftigten schleppen sich auch krank zur Arbeit, aus Furcht, sonst ihren Arbeitsplatz zu verlieren und auf die schiefe Ebene der Verarmung zu geraten. Denn im Gegensatz zu früher bedeutet Erwerbslosigkeit in Zeiten von Hartz IV den raschen Weg in eine bittere Absenkung des Lebensstandards und in wirkliche Verarmung. Flankiert wurde dies aber von einer massiven Kampagne gegen den angeblichen Missbrauch der Krankschreibungen aus Faulheit). Die Neoliberalen wollen die Löhne und "Lohnnebenkosten" senken und den Niedriglohnsektor ausweiten. "Lohnnebenkosten" gehören zum Lohn und sind in den ärmsten Ländern bezeichnender Weise am niedrigsten. Institutionalisierte Formen der Solidarität werden abgebaut. Soll jeder Einzelne wieder allein und hilflos der geballten Macht der Unternehmer, ihrer Verbände, ihrer Medien und ihrer Politiker ausgeliefert sein? Zurück in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts? Soviel zur Modernität der neoliberalen Ideen! Die Memorandum Gruppe verweist zu Recht darauf, dass die systematische Senkung des Lebensstandards der Beschäftigten und Erwerbslosen zwar kurzfristig die Profite zu steigern vermag, auf der anderen Seite aber die Realisierungsprobleme verschärft. Je weniger für den Massenkonsum zur Verfügung steht, desto weniger Waren können abgesetzt werden. Jeder weiß, dass die Zurückentwicklung der zahlungsfähigen Nachfrage für Massenkonsumgüter des täglichen Bedarfs durch den Absatz von Luxusgütern und dergleichen nicht kompensiert werden kann. Mit anderen Worten, auch nach der immanenten Logik der kapitalistischen Produktionsweise bedeutet die Umsetzung der neoliberalen Rezepte nichts anderes als die Vorbereitung künftiger verschärfter Absatzkrisen. 2) Gesellschaftspolitische Ziele Ohne eine Perspektive über die bestehende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung hinaus wird es kaum möglich sein, dem Argument der Konkurrenz etwas Glaubwürdiges und Wirksames entgegen zu setzen. In der Tat: Wenn doch Unternehmen einschließlich der öffentlichen Arbeitgeber "beweisen" können, dass sie Kosten senken "müssen" und ansonsten weitere Arbeitsplatzvernichtung droht, was bleibt dann den Beschäftigten übrig, als sich zu fügen und immer schlechtere Bedingungen zu akzeptieren? Ohne Schutz und Rückhalt, zu immer niedrigeren Löhnen. Wer sich nicht fügt muss mit immer härteren Maßnahmen rechen, denn in anderen Ländern leben und arbeiten Menschen unter viel schlechteren Bedingungen. Solange TINA herrscht (There is no Alternative: Es gibt keine Alternative), wird dieser Teufelskreis, diese Spirale des Lohn- und Sozialdumpings nicht durchbrochen. Die Gewerkschaften des DGB hatten Jahrzehnte lang an einer gemeinwirtschaftlichen Alternative zur kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung festgehalten. Nach 1989/90 verschwand dieser Anspruch aus dem Programm des DGB und aus den Programmen vieler seiner Einzelgewerkschaften. Sicherlich war dieser Anspruch ziemlich abstrakt geworden und fand sich in der praktischen Arbeit kaum wieder. Dennoch ist dieser scheinbar so kommode und dem Zeitgeist entsprechende Verzicht fatal. Die Idee einer grundlegenden Alternative muss wieder entwickelt, in die gesellschaftliche Debatte gebracht und der gewerkschaftlichen Alltagspraxis zu Grunde gelegt werden. Wer nicht bereit ist, zumindest aus sozialer Verantwortung heraus die Eigentumsfrage zu stellen, auf dessen demütige Bitten um Mäßigung werden die Eigentümer der großen Kapitalien rüde und mit Verachtung reagieren. Ziel ist eine demokratisch geplante Wirtschaftsordnung, in der die menschlichen Bedürfnisse einschließlich der ökologischen Verantwortlichkeit im Vordergrund stehen. Gemeinwirtschaftliche Betriebe in Selbstverwaltung bei intensivem ständigem Austausch zwischen deren Selbstverwaltungsorganen und den Organisationen der VerbraucherInnen bzw, der NutzerInnen der entsprechenden Dienste, sollen sich wiederum gegenseitig nicht "niederkonkurrieren" müssen. Darum ist eine demokratische Planung, eine demokratische Festlegung der Prioritäten bei den Investitionen, unumgänglich. Dazu gehört unabdingbar ein demokratisches politisches System mit einer Pluralität von Parteien, die um Mehrheiten ringen müssen. Dazu gehören umfassende demokratische Rechte einschließlich materieller Bedingungen, die es den "normalen Menschen" erlauben, sich wirksam an der Willensbildung zu beteiligen. Wir wollen eine partizipative Demokratie im Sinne des Beteiligungshaushalts und zwar eine, die nicht vor den Werkstoren halt macht. Die wirkliche Teilhabe an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen ist nicht nur unvereinbar mit der kapitalistischen Ordnung, in der immer nur kleine, unkontrollierte Eliten das Sagen haben, sondern auch mit einem bürokratischen Monster, das über die Köpfe von Millionen von Menschen hinweg regiert und alles regelt. Das ist sowohl undemokratisch als auch ineffizient. Alle Menschen machen Fehler, aber in einer wirklichen Beteiligungsdemokratie werden Lernprozesse begünstigt. Resignation und Politikverdrossenheit können bekämpft werden, wenn die Menschen die Erfahrung machen, dass sie die Entscheidungen, die über ihr Leben mitbestimmen, real beeinflussen können. Mobilisierung der Menschen und ihre Ermutigung, sich zu aktivieren und zu organisieren sind erforderlich, um der Macht des Kapitals Gegenmacht entgegensetzen zu können und das Bewusstsein von Menschen über ihre eigenen Interessen zu schärfen. Eine solche Gegenmacht kann sich in Zukunft als Instrument des Übergangs zu einer neuen menschlicheren und zukunftsfähigen Gesellschaft erweisen. Wir setzen uns innerhalb des DGB dafür ein, dass eine innergewerkschaftliche und öffentliche Debatte über einen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" in Gang gesetzt wird mit dem Zweck, das Ziel einer alternativen, demokratischen und solidarischen Gesellschaft zu formulieren und zu verankern. 3) Arbeitszeitverkürzung aktualisieren An der Schwierigkeit, Arbeitszeitverkürzung neu zu thematisieren sind wir als Gewerkschaften nicht ganz schuldlos. Z. T. ist diese Forderung inzwischen sogar ziemlich diskreditiert. Die 35-Stunden-Wochen-Kampagne war ohne Zweifel ein bedeutender Erfolg, doch haben die bescheidenen "kleinen Schritte" beim Abschluss der einschlägigen Tarifverträge dazu geführt, dass sie nicht zu einem spürbaren Abbau der Erwerbslosigkeit beitrugen. Gleichzeitig erfuhren viele Arbeitsintensivierung und Flexibilisierung, was die Lage der Beschäftigten verschlechterte und Entsolidarisierungseffekte begünstigte. Zwar ist permanente Rationalisierung systemimmanent, aber viele Beschäftigte schrieben ihre strengere Ausbeutung der Arbeitszeitverkürzung zu. Eine kritische Bilanz ist Voraussetzung für einen neuen Anlauf. Um die Erwerbslosigkeit spürbar und massiv abzubauen, brauchen wir eine radikale Arbeitszeitverkürzung ohne Lohneinbußen und müssen zudem verhindern, dass sie durch Arbeitsintensivierungen aufgefangen wird. Eine Kampagne für die 30-Stunden-Woche wäre zwar ökonomisch und gesellschaftspolitisch richtig, aber bewusstseinsmäßig völlig gegen den Strom. In der Routine der Tarifauseinandersetzungen ist sie nicht auf die Tagesordnung zu bringen. Man muss sie sorgfältig vorbereiten - in der Mitgliedschaft, in der Öffentlichkeit, mit anderen Gewerkschaften und Bewegungen, auch über die Bundesrepublik Deutschland hinaus. Durchgesetzt werden kann eine solche Forderung nur durch die konzertierte Aktion der DGB-Gewerkschaften, der sozialen Bewegungen und insbesondere der Organisationen der Erwerbslosen, idealer Weise als Teil einer gesamteuropäischen Kampagne. Zunächst muss eine überzeugende Argumentation erarbeitet werden:
4) Offensive Lohnpolitik - umverteilen! Keine andere Frage ist unmittelbar und kurzfristig so wichtig für die Glaubwürdigkeit einer Gewerkschaft wie diejenige, die die Beschäftigten unmittelbar im Geldbeutel spüren bzw. auf ihren Kontoauszügen sehen. Die Hinnahme von Reallohnabbau ist ein anderes Wort für den Abbau unserer Mitgliederbestände. Die Höhe und die Struktur von Lohnforderungen muss aus einer breiten Diskussion in der gesamten Mitgliedschaft hervorgehen. Die Vorgaben des Vorstandes sollten sich auf die Darlegung der Gegebenheiten konzentrieren, die einer möglichen Forderungshöhe und -struktur zu Grunde liegen. Dazu gehören:
Alle diese Gegebenheiten sollten in die Entwicklung der Forderung mit einfließen. Darüber hinaus müssen die am schlechtesten gestellten Schichten aus jeder Lohnrunde gestärkt hervorgehen. Wichtig dafür sind zum Beispiel Festgeldforderungen, mit denen ein weiteres Auseinandergehen der Schere zwischen den höchsten und den niedrigsten Einkommen verhindert wird. Besondere Forderungen für besonders Benachteiligte sind aufzugestellen werden, etwa bei Ausbildungsvergütungen oder beim besseren Zugang von Frauen zu besser bezahlten Arbeitsstellen. Absehbar wird die Inflationsfrage wieder eine größere Bedeutung erhalten. Deshalb gilt es beizeiten die Forderung nach Preisgleitklauseln (scala mobile, échelle mobile des salaires) wieder in die Diskussion zu bringen. Bei ausreichender Kontrolle über die Preisentwicklung des einschlägigen Warenkorbes, der nicht irgendwelchen Kommissionen überlassen werden sollte, kann die Durchsetzung einer solchen Forderung für spätere Tarifrunden die Bedeutung der Umverteilungskomponente erhöhen und verhindern, dass wir immer nur dem hinterherlaufen, was die Gegenseite uns schon genommen hat. Umverteilung von oben nach unten beschränkt sich natürlich nicht auf Lohnforderungen. Darüber hinaus fordern wir einen Umbau des Steuersystems:
Dazu gehört die Forderung nach Einstellung einer großen Zahl von Steuerfahndern und Betriebsprüfern, wodurch die Steuerhinterziehung wirksam bekämpft werden kann und erhebliche Steuermittel gewonnen werden. Unsere Tarifpolitik muss auch in ihren Formen weiter entwickelt werden. Wir müssen jeweils Zusammenarbeit und Synergieeffekte mit anderen DGB-Gewerkschaften suchen, denn es geht nicht um partikulare Interessen von Berufsgruppen ("Korporatismus"), sondern um die Änderung der Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft. Wir müssen die Mitglieder zur aktiven Beteiligung ermutigen, denn nur so wächst Identifizierung mit der gewerkschaftlichen Organisation und ihren Zielen. Wir müssen offen für alle Bevölkerungsgruppen auftreten und gerade auch diejenigen einbeziehen, die Nutzerinnen und Nutzer der Dienstleistungen unserer Mitglieder sind. 5) Für ein anderes Verhältnis zur Politik Wir sind eine Einheitsgewerkschaft und wollen das auch bleiben. Wir haben eine große Pluralität von politischen Meinungen in unserer Gewerkschaft und sind stolz darauf. Die Grenze für diese Pluralität liegt nur im konsequenten Eintreten für die Interessen der Beschäftigten und der Erwerbslosen. Wir wollen in unserer Gewerkschaft "gegnerfrei" sein. Deshalb haben Vertreter der Kapitalinteressen in unseren Reihen keinen Platz. Unsere vielfältigen politischen Meinungen verpflichten uns zur Weiterentwicklung der innergewerkschaftlichen Demokratie. Dazu gehören freie und transparente Entscheidungsprozesse, in die möglichst viele Mitglieder einbezogen werden. Dazu gehört auch das Recht aller bestehenden Meinungsströmungen, sich an die Mitglieder zu wenden und um Mehrheiten für ihre Auffassungen und Vorschläge zu ringen. Unsere innergewerkschaftliche Vielfalt der politischen Meinungen bedeutet keine Neutralität gegenüber den Parteien. Aus dem Vergleich unserer eigenen Programmatik und unserer wichtigsten Forderungen mit den Programmen und mit der politischen Praxis der Parteien ergibt sich, welche von ihnen wir als privilegierte Ansprechpartner ansehen können. Aus gemeinsamen Zielen kann sich praktische Zusammenarbeit zu ihrer Durchsetzung entwickeln, insbesondere durch gemeinsame Mobilisierungen. Gerade als Gewerkschaft der Dienstleistenden stellen wir uns dem Dialog mit allen Regierungen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, ganz unabhängig davon, welche Parteien diese Regierung stellen. Wir wollen aber nicht, dass solche Gespräche im Sinne des klassischen Lobbyismus geführt werden. Was bringen Gespräche von Gewerkschaftsvertretern mit Ministern, die nicht auf Gewerkschaftsvertreter hören? Wir brauchen öffentliche Gespräche, die geeignet sind, unsere Mitglieder, die Beschäftigten und die Öffentlichkeit aufzuklären, auf unsere Anliegen aufmerksam zu machen und die Hohlheit der Gegenargumente der Politiker im Dienst des Kapitals zu entlarven. So dienen Gespräche mit Regierungsvertretern dem Aufbau eines gesellschaftlichen Drucks zu Gunsten der gewerkschaftlichen Anliegen. 6) Für ein anderes Europa Wir haben eine Antwort auf die verschärfte Konkurrenz, und diese Antwort lautet "Solidarität"! Die europäischen Institutionen und Verträge einschließlich des Verfassungsentwurfs tragen den Stempel der Kapitalinteressen, der neoliberalen Ideologie, des militärischen Interventionismus und der zunehmenden Entfremdung bedeutender politischer Entscheidungsprozesse von der Basis. Die Richtlinien der EU, widerspiegeln regelmäßig die zuvor eingereichten Forderungen der Unternehmerverbände. Dagegen setzen wir ein Europa von unten, ein Europa der Solidarität, das nicht Festung, sondern Zuflucht für alle ist, die vor Verfolgung und Armut fliehen. Wir müssen uns für die Erhöhung des Lohnniveaus vor allem in den wirtschaftlich schwachen EU-Ländern einsetzen und praktische Solidarität mit den Beschäftigten dieser Länder organisieren. Wir müssen nicht nur dem Lohn-, sondern auch dem Sozialdumping entgegentreten. Um unsere Ziele wirksam vertreten zu können, müssen wir europaweite soziale Mindeststandards durchsetzen.
Ebenso notwendig ist ein europaweites Eintreten für den Ausbau und die Demokratisierung ansprechender öffentlicher Dienste, (d.h. der öffentlichen Daseinsfürsorge, dem Gesundheitswesen und dem Bildungswesen). Alle diese Bereiche, wie auch die Solidarkassen, die institutionalisierte Formen der Solidarität darstellen, dürfen nicht dem Profitstreben privater Unternehmen, Großbanken und Versicherungsgesellschaften unterworfen werden. Unser Leben ist wichtiger als ihr Profit! Die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, den sozialen Bewegungen, den Netzwerken der GegnerInnen der neoliberalen Globalisierung in ganz Europa muss für uns Routine werden. Wir müssen jede Chance nutzen, um europaweite Mobilisierungen im Interesse der Beschäftigten und Erwerbslosen und gerade auch der besonders Benachteiligten zu erreichen. 7) Gegen Rüstung und Krieg - für internationale Solidarität Sagen wir es eindeutig: die Ausgaben für Vernichtungsmittel sind hinausgeworfenes Geld! Diese Milliarden fehlen für dringende gesellschaftliche Aufgaben. Wir treten für einen Abbau der Rüstungsproduktion und ihre Umstellung auf die Produktion gesellschaftlich nützlicher ziviler Güter ein. Schritte wären:
Im Ergebnis werden immense Summen für humane Zwecke frei. Ein großer Teil der Bewaffnung der Bundeswehr dient der Interventionsfähigkeit in andere Länder. Die Regierungspolitik - unabhängig von ihrer jeweiligen Zusammensetzung - verfolgt dieses Ziel seit langem und realisiert es Schritt für Schritt. Deutsche Interessen werden heutzutage am Hindukusch verteidigt, im Sudan und in palästinensischen Gewässern. Wozu dieser Interventionismus führt belegt das Desaster der US-amerikanischen Politik der letzten Jahre. Nicht Probleme werden gelöst, sondern neues Leid und neuer Hass geschaffen. Es genügt uns nicht zu sagen, die Bundeswehr möge nur mit Uno-Mandat operieren. Die Uno, wie sie bis heute organisiert ist, ist weit davon entfernt, eine "Weltgemeinschaft" zu repräsentieren. Nur wenige Staaten mit ständigem Sitz im Sicherheitsrat beherrschen diese Weltorganisation. Die Masse der Mitglieder hat keinen Einfluss auf die wichtigsten Entscheidungen. Die einzelnen Mitglieder des Sicherheitsrats können mit ihrem Veto-Recht zudem jede unliebsame Entscheidung verhindern. Auch wenn die USA es gewohnt sind, notfalls alleine mit so genannten "Willigen" Interventionskriege zu führen, der Uno selbst, fehlt offensichtlich die Legitimation. Der Schlüssel zu allen beängstigenden und bedrückenden Aspekten der gegenwärtigen Weltlage liegt in der extrem ungerechten Weltwirtschaftsordnung. Sie verurteilt eine Milliarde Menschen zu Hunger und bitterer Armut. Sie verfestigt eine extravagante Ungleichheit der Lebensbedingungen und weitet sie sogar noch aus. Sie ruiniert die natürlichen Lebensgrundlagen. Sie tendiert dazu, alles zu Ware zu machen und der Plusmacherei zu unterwerfen. Aber die Welt ist keine Ware. Die Welt hat keinen Preis. Eine andere Welt ist möglich - und nötig, wenn menschliches Leben überhaupt möglich und ein menschenwürdiges Leben für alle möglich werden soll. Internationale Solidarität ist daher für uns keine wohlfeile Gesinnung, die ohne weitere Folgen als "Herzenswärmer" dient, sondern grundlegend für die gewerkschaftliche Orientierung und Praxis. Wir verstehen die Gewerkschaften als Teil der weltweiten Bewegung gegen Interventionskriege und Besatzungsregime. Wir werden unsere gewerkschaftlichen Ziele hierzulande nur dann nachhaltig und vollständig durchsetzen können, wenn wir das Recht aller Menschen auf ein menschenwürdiges Leben erkämpfen, und das geht nur weltweit. Ausgehend von einem europaweiten Kampf für soziale Menschenrechte und soziale Mindeststandards müssen wir uns als Teil der Weltsozialforumsbewegung auch für weltweite Mindeststandards einsetzen. Wir kämpfen hier in Deutschland für die vollen politischen Rechte aller Menschen, die hier bei uns leben, einschließlich des Wahlrechts. Wir treten ein für die Legalisierung der so genannten "Illegalen", die vor allem als wehrloses Ausbeutungsmaterial bei uns leben. Wir treten ein für ein neues Asylrecht, da das alte 1993 faktisch abgeschafft wurde, für ein Asylrecht, dass die Aufnahme von Flüchtlingen ermöglicht und nicht verhindert. Wir wenden uns gegen die Diskriminierung und Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund. Die so genannte "Integration" im offiziellen Sprachgebrauch ist hauptsächlich Heuchelei. Die Politik treibt die Menschen in Ghettos und in die Selbstethnisierung. Wirkliche Integration hat hingegen in den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen stattgefunden, im gemeinsamen Kampf für gemeinsame Interessen und Ziele. Genau diese Integration muss weiter ausgebaut werden. So wächst internationale Solidarität aus der Solidarität im eigenen Land und Solidarität im eigenen Land aus der internationalen Solidarität: Das ist ein untrennbarer Zusammenhang. Nur durch internationale Solidarität kann verhindert werden, dass die Kapitalseite die Beschäftigten und die Ausgegrenzten gegeneinander ausspielt und dadurch ohnmächtig macht. Wolfgang Groef, Gregor Falkenheim, Wolfgang Zimmermann und Helmut Born - durch Beschluss des 3. Bundestreffen der ver.di Linken am 17.2.07 als Position der bundesweiten ver.di-Linken beschlossen |