Das Logo ist ein um neun Grad gegen den Uhrzeigersinn gedrehtes rotes Rechteck. Der Binnenpunkt symbolisiert ein zugleich trennendes wie verbindendes Quadrat, so die Imagebroschüre: Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft - kurz ver.di genannt - nimmt Gestalt an.
Das verkündeten am 19. Juni 1999 in Magdeburg jedenfalls die Vorsitzenden der zum Zusammenschluß entschlossenen Organisationen. Die Bundesgremien der vier DGB Gewerkschaften HBV, ÖTV, Postgewerkschaft, IG Medien und die in den DGB zurückkehrende Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) billigten in gleichzeitig stattfindenden Sitzungen die Eckpunkte des Zielmodells. In diesem umfangreichen Papier ist festgeschrieben, wie die nach heutigem Stand 3,2 Millionen Mitglieder umfassende Organisation aufgebaut sein soll.
Die unterste Ebene bilden um die 120 Bezirke, dann gibt es 13 Landesbezirke und den Hauptvorstand. Dieser soll aus 19 hauptamtlichen und um die 100 ehrenamtlichen Funktionären bestehen. Diese drei Organisationsebenen sollen die Gesamtorganisation repräsentieren. Da es aber schwierig sein wird, die Interessen von beispielsweise Müllwerkern und Journalisten unter einen Hut zu bringen, soll die eigentliche "gewerkschaftliche Musik" in den 13 Fachbereichen spielen.
Gegenüber der Gesamtorganisation wird nach den Worten von IG Medien-Chef Detlef Hensche ein Höchstmaß an Autonomie nötig sein, damit ver.di keine konturenlose Großorganisation wird. Das setzt auch voraus, daß die Fachbereiche mit einem eigenen finanziellen Budget ausgestattet werden. Das war bisher auch Konsens unter den Vorsitzenden. Dem steht jetzt ein sogenannter Begleitbeschluß der ÖTV entgegen. Hier heißt es, die künftigen Bezirke von ver.di müssen in ihrer Bedeutung als Basis gewerkschaftlichen Engagements deutlich gestärkt werden. Die Bezirke sollen auch die Finanzhoheit - was auch die Unterbudgets für die Fachbereiche umfaßt, wie es im Begleitbeschluß heißt - bekommen. Der Wortlaut des Beschlusses wurde in der Nacht vom 18. zum 19. Juni ausgearbeitet und vom Hauptvorstand der ÖTV während des vormittags des 19. Juni verabschiedet. Die anderen Vorstände erhielten davon erst im Laufe des Samstagvormittag Kenntnis.
Auch die Gewerkschaft HBV faßte einen Zusatzbeschluß. Der Schritt von ÖTV und hbv wurde von IG Medien-Funktionären mit Staunen und Unverständnis aufgenommen. Zumindest der ÖTV-Beschluß wird als Abkehr von der Matrix-Organisation gewertete. Matrix beschreibt den angedachten vertikalen (Fachbereiche) und horizontalen (Gesamtorganisation) Aufbau von ver.di.
Ohne Begleitbeschluß sei die Zustimmung des ÖTV-Hauptvorstandes zum Zielmodell nicht möglich gewesen, war in Magdeburg zu hören. Zehn von 66 Vorstandsmitglieder votierten auch so noch gegen den dezentralen Gewerkschaftsaufbau. Der ÖTV-Chef Herbert Mai sagte gegenüber Journalisten, der Beschluß soll darauf aufmerksam machen, daß noch Details geklärt werden müssen.
Der Begleitbeschluß ist Mai zufolge kein Korrekturbeschluß, sondern lediglich eine Positionsbeschreibung. Auch die ÖTV lege auf Dezentralität wert, nur dürfe es keine Gewerkschaft in der Gewerkschaft geben. Unterdessen mehrt sich aus der IG Metall die Kritik an ver.di. Auf einem gesellschaftspolitischen Forum Anfang Juni in Bad Orb sagte IG-Metall-Vorstandsmitglied Karin Benz Overhage, schon der Name ver.di sei eine Provokation: Damit wird der Begriff Dienstleistung vereinnahmt.
Für ihre Gewerkschaft reklamierte Benz-Overhage die Zuständigkeit für die Bereiche Informationstechnologie, Datenverarbeitung und der nicht zur Telekom gehörenden Telekommunikationsbranche. Der DAG Vorsitzende Roland Issen bestätigte in Magdeburg, daß die Vorsitzenden der ver.di -Gewerkschaften vom IG Metall-Chef Klaus Zwickel einen ziemlich eindringlichenBrief bekamen, in dem eine Klärung der Zuständigkeiten eingefordert wird. Dazu sagte Issen, die Abgrenzungsstreitigkeiten müßten unter Moderation des DGB gelöst werden.
Von Günter Frech (Magdeburg)
Dieser Artikel ist erschienen in Karussell, Zeitung der hbv-Thüringen,
Heft 14 vom August 1999