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Verdiente Funktionäre

 

Da soll doch keiner sagen, ver.di sei nicht politisch genug.

Zumindest die Wahlangestellten der neuen Dienstleistungsgewerkschaft haben doch in ausserordentlichem Maße bewiesen, daß sie politisches Handeln begriffen haben. Die umfangreichen Gehaltsaufbesserungen für diesen Personenkreis (im Extremfall bis zu 67%) erinnern doch stark an die unsäglichen und regelmäßigen Diätenerhöhungen der politischen Mandatsträger in Bund und Land.

Von Bereicherung zu sprechen liegt mir in beiden Fällen natürlich fern. Schließlich sind Politiker durch die Entscheidungen ihrer Parlamente demokratisch zum Griff in die Fleischtöpfe legitimiert und auch in ver.di hat schließlich der Gewerkschaftsrat, also ein ehrenamtliches Gremium den Gehaltserhöhungen zugestimmt.

Die Frage ist jedoch nicht die Legitimation solcher Maßnahmen im verfassungs- bzw. satzungsrechtlichen Sinne, wichtig ist, was hinten rauskommt.

Die Unglaubwürdigkeit von Sparappellen und Haushaltskürzungen auf breiter Front auf der einen Seite und regelmäßigen Aufbesserungen der Diäten auf der anderen konnten schon die Politiker nicht glaubhaft ausräumen.

Nun kann es den Herren und Damen in Bundes- oder Landtag freilich gleichgültig sein, wie das Wahlvolk zu solchen Entscheidungen steht, denn bei aller Politikverdrossenheit steht doch fest, daß es Parlamente auch in Zukunft geben wird und somit auch die Beschäftigung die dieses Berufsstandes nicht in Frage steht. Nicht umsonst sind es zumeist Politiker, die noch um künftige Mandate bangen müssen, die oft kritisch zu den Diätenerhöhungen zu vernehmen sind. Denen ist halt Glaubwürdigkeit im Zusammenhang mit ihrer parlamentarischen Arbeit – notgedrungen – noch nicht ganz egal.

Nun stehen die also die ver.di-FürstInnen vor der Erklärungsnot gegenüber ihren Mitgliedern. Anders als in der Politik, gibt es jedoch für Gewerkschaftsmitglieder aber noch den alternativen Weg, nämlich den aus der Organisation hinaus.

Den ver.di-Mitgliedern fällt der Widerspruch schon auf, zwischen den moderaten Tarif-forderungen der eigenen Führung und der rigorosen Umsetzung eigenen Anspruchsdenkens. Während die Pilotenvereinigung Cockpit noch vor Monaten wegen ihren angeblich maßlosen Forderungen an den Pranger gestellt wurde, soll nun den Gewerkschaftsbonzen recht sein, was den Piloten nicht billig sein durfte.

Ganz zu schweigen von den meist dürftigen Tarifabschlüssen in den diversen ver.di-Branchen, die nicht immer das Wohlwollen der Basis fanden.

Während die Betreuungsarbeit vor Ort durch den viel beschriebenen Personalüberhang oft eingeschränkt ist, während Ausgaben über 500,--DM grundsätzlich über die Landesbezirke zu entscheiden sind (warum können dies nicht ehrenamtliche Gremien in den Bezirken tun ?), während befristet Beschäftigte die Koffer packen dürfen, wird der Sparzwang für ohnehin i.d.R. gut bezahlte Funktionäre negiert.

Diese Signale gehen an der Basis nicht vorbei. Welche/r Vertrauensmann/frau musste sich nicht schon mit entsprechenden Vorwürfen aus der Mitgliedschaft auseinandersetzen, musste vielleicht zähneknirschend Argumente für das Vorgehen der Gewerkschaftsführung finden und dann auf der Fachbereichssitzung feststellen, dass aufgrund fehlender Gelder vor Ort, der Namen des künftigen Betreuungssekretärs immer noch N.N. ist ?

Die große Austrittswelle nach den Beschlüssen des Gewerkschaftsrates ist offenbar nicht eingetreten, dies kann jedoch nicht zur Selbstzufriedenheit Anlass geben.

ver.di als Reaktion auf den Mitgliederschwund in den fünf Einzelgewerkschaft sieht sich doch in unvermindertem Maße Austritten gegenüber. Entscheidungen wie die zur Entlohnung der Wahlangestellter tragen wahrlich nicht zur Umkehr dieses Trends bei.

Zumal selbst ver.di-Fans Land aus, Land ab sich in immer größerem Umfang von Skepsis befallen werden, angesichts dessen, was sie sich von ver.di versprochen haben und was nun über sie "hereingebrochen" ist.

Angesichts dieser Tatsache wäre doch eine breite Basisdiskussion über die Erhöhung der Gehälter der Wahlangestellten dringend erforderlich gewesen – über den satzungsgemäßen Rahmen hinaus. Der Schaden für Glaubwürdigkeit der Berliner Führung ist jedenfalls nunmehr entstanden und kaum zu revidieren.

Oder ist diese Maßnahme letztlich gar ein Signal für das Ende der politischen Bescheidenheit ? Werden die Tarifforderungen für die KollegInnen der ver.di demnächst ähnliche Prozentsätze erzielen ? Wird damit auch gleichzeitig die breite Front gegen den Sozialabbau für erwerbslose KollegInnen verbunden ? Na ja, schön wär‘s jedenfalls gewesen...

Harry Hacker, Mitglied des Bezirksvorstandes und Bezirkserwerbslosenausschusses ver.di Lübeck/Ostholstein sowie des Landesbezirkserwerbslosenausschusses ver.di Nord.


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