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Am 12. Oktober letzten Jahres wurde Björn Söderberg ermordet. Er wurde aus nächster Nähe erschossen, als er seine Wohnung im Stockholmer Vorort Sätra verlassen wollte. Björn war aktiver Gewerkschafter in der syndikalistischen Svenska Arbetares Centralorganisation (SAC)[1]. Die oppositionelle SAC, die Handelsgewerkschaft, auch die Gewerkschaftszentralen der Arbeiter (LO), der Angestellten (TCO) und der Akademiker (SACO), gaben nach dem Mord Erklärungen ab, die von einem tiefen Schock gegenüber der Eskalation des Terrors der Rechten sprechen. Alle Gewerkschaften riefen für den 20. Oktober zu einer gemeinsamen Demonstration gegen Rassismus und Nazigewalt auf. Alle Gewerkschaften gemeinsam, d.h. auch die LO, konnten ihre Berührungsängste gegenüber der SAC überwinden. Zum ersten Mal in der schwedischen Nachkriegsgeschichte kam es zu solch einem gemeinsamen Aufruf. 40 000 Menschen beteiligten sich an den Demonstrationen in einem Dutzend von Städten Schwedens - auch ein Rekord. Die Proteste sind auch im Interesse der sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaftsbürokratie. Es ist wichtig, daß sie feststellte, daß auch und gerade Sozialdemokraten sich von den Nazimorden bedroht fühlen müssen. Nicht nur die Todesdrohungen, die in der letzten Zeit eine ganze Reihe schwedischer Gewerkschaftsfunktionäre erhalten haben, sprechen eine deutliche Sprache, auch die Inhalte der Neonazi-Gruppen selbst, die sich gegen jede Form von gewerkschaftlicher Organisierung richten. Übrigens riefen sogar die parlamentarischen Parteien nach langem Zögern zur Teilnahme an den Demonstrationen auf. Auf den Fotos von der Demonstration in Stockholm war die Vorsitzende der ex-kommunistischen Vänsterparti (Linkspartei) neben dem Vorsitzenden der bürgerlichen Moderaterna ("Die Gemäßigten") zu sehen. Ein paar Wochen später veröffentlichten die vier größten schwedischen Tageszeitungen Konterfeis von einigen Dutzend Neonazis, um ihren "Abscheu" zu bekunden.
Im Sommer hatte Björn Söderberg für einige Monate in Svanströms Lager für Büroartikel gearbeitet. Ihm war damals aufgefallen, daß einer seiner Kollegen während der Arbeit Neonazi-Symbole trug und "White Power"-Musik hörte. Er hatte sich gegen das Verhalten des Kollegen namens Robert Vesterlund gewandt. Allerdings blieb er damit im Betrieb offensichtlich relativ alleine. Im Spätsommer war Vesterlund dann von einem Teil seiner Kollegen zum Vertrauensmann der Gewerkschaft des Handels ("Handels") gewählt worden. Björn hatte nun den Vorstand der Gewerkschaft aufgefordert, gegen Vesterlund vorzugehen. Auch war die Geschichte in der Wochenzeitung seiner Organisation ("Arbetaren") veröffentlicht worden. Einen Tag nach dieser Veröffentlichung hatten die Neonazis Björn Söderbergs Foto bei der schwedischen Polizei bestellt und erhalten. "Handels" hatte Vesterlund aufgefordert, von seinem Posten zurückzutreten, kurz darauf war der Neonazi aus der Gewerkschaft ausgetreten und hatte seinen Job gekündigt. Einen Monat später wurde Söderberg erschossen.
Nach dem Mord befragte die bürgerliche schwedische Tageszeitung Dagens Nyheter (DN) Arbeitskollegen und auch einen leitenden Angestellten des Warenlagers. Wer hier Betroffenheit erwartete, wurde enttäuscht. Der leitende Angestellte sagte, er habe keinen Anlaß gesehen, gegen den Neonazi einzugreifen, da "politische Meinungen Privatsache" seien. Er habe die Geschichte für "Geschwätz" gehalten. Vesterlund sei ein "zurückhaltender Junge" gewesen, der "immer seine Arbeit gemacht hat". Auch könne er kein Rassist gewesen sein, da er "nie Ärger mit den ausländischen Kollegen gehabt" habe. Der Vorsitzende des betrieblichen Vertrauensleutekörpers lies DN ausrichten, daß er nichts zu sagen habe. Allerdings hatte er in einem früheren Interview mit der syndikalistischen "Arbetaren" gesagt, daß er zwischen der neonazistischen Aktivität Vesterlunds und seinem Posten als gewerkschaftlicher Vertrauensmann keinen Widerspruch sehen könne. Ein weiterer Kollege, der anonym bleiben wollte, sagte DN, er habe nichts mitgekriegt. Andere Kollegen wollten nichts sagen, weder gegenüber DN noch gegenüber "Arbetaren". Die Stimmung im Betrieb scheint also, auch nach dem Mord, von Schweigen und Verständnis für Vesterlund gekennzeichnet zu sein. Und es gab mehr als einen Neonazi in diesem Betrieb: Nach der Hinrichtung Söderbergs verhaftete die schwedische Polizei drei tatverdächtige Neonazis. Einer dieser Tatverdächtigten war ein ehemaliger Arbeitskollege des Ermordeten, auch er hatte in Svanströms Warenlager gearbeitet.
Alle drei der nach dem Mord an Björn Söderberg Verhafteten waren in der Gruppe "National Ungdom/ Det Svenska Motstandsrörelsen" ("Nationale Jugend/Die schwedische Widerstandsbewegung") aktiv, einer Gruppe, die zu dem militanten Flügel der schwedischen Neonazi-Szene gehört. Einer der Verdächtigen, ein Student und Sohn eines Fabrikdirektors, war an Waffenraub bei der schwedischen Armee und an der Aufstellung von sogenannten Todeslisten im Rahmen der "Antiantifa" beteiligt. Diese Listen enthalten Namen von "Zielen" (!), also von Menschen, die in der antirassistischen Bewegung engagiert sind, von Künstler/innen, von linken und linksliberalen Politiker/innen. Solche Todeslisten veröffentlichte die Naziszene in der Zeitschrift "Info 14". "Info 14" gehört zu dem Flügel der schwedischen Neonazi-Szene, der sich auf Mordaktionen konzentriert hat. Und den Worten folgten Taten: im Mai 1999 wurden zwei Polizisten nach einem Banküberfall erschossen, im Juni wurde eine Bombe unter dem Auto eines anitfaschistischen Journalisten installiert, er und sein kleiner Sohn kamen glücklicherweise mit Verletzungen davon, im selben Monat griff eine Frau aus der Neonazi-Szene eine Migrantin mit einem Messer an und stach mehrmals zu, im Juli wurde eine Dirigentin verprügelt, weil sie jüdischer Herkunft ist u.s.w. Nach dem Mord an Söderberg verübten vermutlich Nazis einen Anschlag auf einen linken Liedermacher in Malmö und auf das SAC-Büro in Gävle.
Die Szene, die für diesen Terror verantwortlich ist, ist international vernetzt. Die Schweden haben Verbindungen zur "Blood and Honour"-Gruppe in Dänemark und zur britischen "Combat 18", die seit Jahren für ihren Hang zum Terror bekannt sind. Verbindungen gibt es, nicht zuletzt im Zusammenhang mit den Hess-Märschen der letzten Jahre, auch in die deutsche Neonazi-Szene. Deutsche Neonazis pilgern seit Anfang der 90er Jahre nach Dänemark und Schweden. Beide Länder dienen, mit ihrer relativ großen Organisationsfreiheit, als Basis für die Produktion und den Vertrieb von Nazi-Musik und Publikationen für die BRD [2]. Auch in diesem konkreten Sinne ist also der Mord an Söderberg etwas, was auch die Linke in der BRD betrifft. Robert Vesterlund war einer der Redner auf der Demonstration, die die auf der Insel Langeland logierende "Blood and Honour"-Gruppe anläßlich von Hess Todestag am 7. August in Svendborg/Dänemark abhielt. Am 1. Mai vergangenen Jahres wurde Vesterlund in der Nähe einer Demo der Vänsterparti, der ehemaligen kommunistischen Partei, in Stockholm verhaftet. Seine Gruppe hatte eine Handgranate dabei. Und schließlich: Redakteur der oben erwähnten Zeitschrift "Info 14" ist kein anderer als - Robert Vesterlund.
Die Reaktion der sozialdemokratisch orientierten schwedischen Gewerkschaften auf den Mord besteht bisher im wesentlichen darin, an die Menschlichkeit ihrer Mitglieder und der Bevölkerung im allgemeinen zu appellieren. Es werden Kampagnen gegen die Neonazis angekündigt, Aufklärungsveranstaltungen über den historischen Faschismus u.s.w. Selbstkritisch wird erkannt, daß in den letzten Jahren in dieser Richtung kaum etwas passiert ist. 1996 hatte der LO-Kongreß einer Resolution gegen die Neonazis zugestimmt, die auch organisatorische Maßnahmen forderte. Seitdem ist nichts passiert. Aber auch jenseits dieser, von der LO durchaus zugestandenen, unzureichenden Umsetzung von Resolutionen, ist die antinazistische Politik dieser Organisation voller Widersprüche. Charakteristisch ist zum Beispiel, daß die erwähnte Selbstkritik nach einem Jahrzehnt geäußert wird, in dem der Naziterror in Schweden bereits vor dem Mord an Björn mindestens 20 Menschen, vor allem Homosexuellen und Migrant/innen das Leben gekostet hat. Warum haben die Gewerkschaften nicht früher reagiert?
Der Nazismus hat in Schweden eine ebenso lange Tradition wie in anderen europäischen Ländern. Ein großer Teil der schwedischen Elite, Universitätsprofessoren, Unternehmer, bürgerliche Politiker waren bis zur Wende des zweiten Weltkrieges dem deutschen Reich gegenüber freundlich gesinnt. Der schwedische Staat unterstützte den Krieg der Faschisten mit logistischen Hilfestellungen und durch den Verkauf von kriegswichtigen Rohstoffen. Die Regierung, eine Koalition aller im Parlament vertretenen Fraktionen unter Ausschluß der kommunistischen Partei, begründete diese Kollaboration damit, daß Land anderenfalls von der deutschen Armee besetzt werden würde. Nach dem Krieg wurden die Unterstützter der Nazis und die Profiteure des regen Handels mir den Deutschen nicht belangt und blieben in ihren gesellschaftlichen Positionen. Eine Untersuchung der syndikalistischen "Arbetaren" beschreibt diese organisatorische und persönliche Kontinunität, die u.a. erklären könnte, warum die Nazis in einzelnen Städten und Regionen besonders stark verankert sind. Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen hoher regionaler Arbeitslosigkeit und starken nazistischen Tendenzen in der lokalen Bevölkerung gibt es demnach nicht. Der Nazismus kann nicht verstanden werden als Ausdruck des Protestes von Leuten, die von sozialen Abstieg bedroht sind. Eher läßt sich ein Zusammenhang zwischen der regionalen Stärke dieser Gruppen und ihrer dortigen traditionellen Verankerung erkennen.
Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Nazis nicht auch gezielt versuchen, ihre soziale Demagogie in der Arbeiterklasse zu verbreitern. Und es bedeutet leider auch nicht, daß dieser Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Im Gegenteil: In dem Maße wie, neben anderen, auch die sozialdemokratische Partei am Abbau des Wohlfahrtsstaates und der gewerkschaftlichen und politischen Rechte teilnimmt, schafft sie Räume, in denen die Neonazis ihre Propaganda entfalten können.
Die Zeitschrift der Vänsterparti stellte fest, daß trotz der zur Schau gestellten Empörung über den Mord an Björn der schwedische Reichstag Mitverantwortung für das Naziproblem habe, denn: "Mit den Angriffen auf den Wohlfahrtsstaat haben die regierenden Parteien dazu beigetragen, daß die Aggressivität des Nazismus zunimmt." Einige Tage nach dem Mord an Söderberg erschien in Dagens Industrie, dem Sprachrohr des Unternehmerverbandes, ein Artikel, der die "Einwandererkriminalität" beklagt und hervorhebt, daß die Einwanderer "Konkurrenten unserer eigenen Mitbürger" seien. Diese Propaganda, die sich durch die gesamten 90er Jahre verfolgen läßt und an der sich zahlreiche Biedermänner aus dem etablierten Lager einschließlich der ehemaligen Regierungspartei ("Moderaterna") beteiligt haben, ist mit dem sozialdemagogischen Nazislogan "Arbeitsplätze zuerst für Schweden" identisch.
Auch im angeblichen Musterland Schweden hat in den letzten zehn Jahren die Armut eines Teiles der Bevölkerung und die Spaltung auf dem Arbeitsmarkt massiv zugenommen. Ähnlich wie in der Bundesrepublik hat auch Schweden in der ersten Hälfte dieses Jahrzehntes eine regelrechte Welle von Morden und Mordversuchen an Flüchtlingen erlebt. Ein zufälliger zeitlicher Zusammenhang? Gleichzeitig hat die Regierung wie überall in Europa die Ausländergesetze verschärft, jedes Jahr im Schnitt 10 000 Flüchtlinge ausweisen lassen und die Einwanderung fast unmöglich gemacht. Die Regierung behauptet, daß diese Politik dazu beigetragen habe, die Parteien der Neuen Rechten, wie die in der ersten Hälfte der 90er sehr erfolgreiche Neue Demokratie, aus dem Parlament zu verdrängen. Viel spricht gegen diese Behauptung, u.a. die Tatsache, daß sich dieser parlamentarische Zweig der neuen Rechten hauptsächlich selbst zerfleischte und in zahlreichen Skandalen unterging. In dieser Hinsicht ist Schweden leider, nicht nur im skandinavischen Maßstab, eine Ausnahme. In Dänemark und Norwegen hat die law and order - Politik der Regierungen nur dazu geführt, daß die Rechten zufrieden nicken und zur immer stärkeren Konkurrenz, gerade gegenüber der Sozialdemokratie, werden. [3]
Außerdem stellt sich die Frage, ob die Tatsache, daß Schweden augenblicklich das Land mit der militantesten Neonazi-Szene Europas ist, nicht auch Ergebnis des zunehmend rassistischen Mainstreams der 90er Jahre ist.
Die schwedischen Gewerkschaften haben auf die militanten Angriffe der Nazis bisher nur bürokratisch (durch Ausschlüsse) und pädagogisch (durch Erklärungen über den undemokratischen Charakter der Nazis) reagiert.
Zurück zu Svanströms Warenlager: Ein Sprecher der "Handels" bestätigte, daß in diesem Betrieb mehrere aktive Neonazis gearbeitet haben. Im Zentralorgan der Gewerkschaftszentrale (LO), fand sich Ende Oktober 1999 ein Artikel, in dem über die Versuche der Front National (FN) berichtet wird, die französischen Gewerkschaften zu infiltrieren. Diese Versuche seien aktuell an der Spaltung der FN gescheitert, aber: In Schweden gab es vor ca. 5 Jahren eine Schwesterpartei der FN, Sverigedemokraterna, die fast ausschließlich von der FN finanziert war. Einer der wichtigsten Funktionäre dieser Partei war Robert Vesterlund.
Es handelte sich bei der Besetzung der gewerkschaftlichen Position mit anderen Worten um einen nazistischen Organisationsversuch, der durch das Eingreifen Björn Söderbergs erschwert, aber nicht verhindert wurde, da die soziale Basis der Neonazis im Betrieb bestehen blieb. Verwunderlich, daß sich "Handels" für den Betrieb verantwortliche Funktionärin, Eva Englund, folgendermaßen äußerte: "Unsere Mitglieder unterstützten ihn (Vesterlund) als Person, als Individuum. Er arbeitete gut, konnte gut reden und ausdrücken, was er wollte. Was er in seiner Freizeit gemacht hat, ist den Kollegen egal gewesen."
Die "pädagogische" Arbeit, die sich die Gewerkschaftsbürokratie vorgenommen hat, scheitert an diesem Bild: Die Gewerkschaften sind unpolitisch, der Kollege macht seine Arbeit, was er in der Freizeit macht, ist seine Privatsache. Wenn Gewerkschaften erklären, sie seien "unpolitisch", dann kann man diesen Kollegen ihr Verhalten nicht einmal vorwerfen. Allerdings ist diese "unpolitische" Haltung grotesk. Ihr ist nicht moralisch beizukommen. Die Moral des erwähnten Chefs des Warenlagers beschränkt sich auch im nachhinein darauf, daß Vesterlund ordentlich malocht und ihm keinen Ärger gemacht habe. Ob er in seiner Freizeit dazu beigetragen hat, daß ein engagierter Kollegen ermordet wird, ist ihm egal: Schließlich ist Freizeit ja Privatsache.
Solchen Leuten kann man nicht mit dem Ruf nach Menschenwürde kommen. Aber etwas anderes kann getan werden: Eine Politik im Interesse der Kapitalisten, die objektiv die Spaltung der Beschäftigten fördert, kann entschieden abgelehnt werden. Wenn die Pläne zur Kürzung der Arbeitslosenversicherung und zur Einführung von Arbeitszwang auch in Schweden realisiert werden sollten und die Gewerkschaften dem zustimmen, ist das allerdings das Gegenteil von einem "antirassistischen" Programm. In einer menschenfeindlichen Gesellschaft muß man sich über das Auftreten von Menschenfeinden nicht wundern.
Regierungspolitik: Die schwedische Regierung hat vor dem Hintergrund der Nazigewalt beschlossen, eine antinazistische Konferenz abzuhalten, an der u.a. G. Schröder, V. Havel und andere teilnehmen sollen. Gleichzeitig hat Staatsminister Persson (SP) angekündigt, daß nun die NS-Vergangenheit in Schweden, d.h. u.a. die Teilnahme vor etwas weniger als 300 schwedischen Staatsbürgern an den Mordtaten der Waffen-SS "aufgearbeitet werden sollte" (lt. "Dagens Nyheter", 5.1.0).
Steckbriefe: Die Veröffentlichung der Paßfotos der Nazi-Funktionäre in Dagens Nyheter, Aftonbladet, Svenska Dagbladet und Expressen, den vier größten schwedischen Tageszeitungen, hat neuerdings dazu geführt, daß die dort Abgebildeten, soweit sie Mitglieder einer Gewerkschaft waren, ausgeschlossen worden sind. Zum Teil verloren sie gleichzeitig auch ihren Arbeitsplatz. Es ist neu, daß Gewerkschaften Mitglieder wegen nachgewiesener Betätigung in einer Nazi-Organisation ausschließen, ist neu und sicher ein Schritt hin zu einer konsequenteren administrativen Behandlung des Problems. Die Kampagne der Tageszeitungen wird allerdings in der Linken teilweise kritisiert, weil sie sich darauf beschränke, "Steckbriefe" zu veröffentlichen und "das Böse" zu denunzieren ohne auf irgendwelche Zusammenhänge in der Politik dieser "Kriminellen" hinzuweisen.
Direkte Aktion: In einer Nacht kurz vor Weihnachten machten sich einige Mitglieder der dänischen "Erd- und Betonarbeiter-Gewerkschaft", in der die Nachfolgegruppen der KP und andere Linke relativ großen Einfluß haben, daran, die Befestigung am "Bunker" der dänischen Nazipartei DNSB in Greve bei Kopenhagen abzuschrauben. Der "Führer" dieser Partei, Jonny Hansen, der sich im Haus aufhielt, flippte aus und fuhr mit seinem roten Volvo on die Gruppe der Aktivisten - mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h. Es gab zahlrecihe Schwerverletzte, die von den Bauarbeitern eigenständig ins Krankenhaus gefahren wurden. Hansen wurde in Untersuchungshaft genommen und sitzt heute noch dort (10.1.0). Die Polizei folgte, gegen den Protest des Krankenhauspersonals, den Schwerverletzten in die Klinik, um sie wegen "Sachbeschädigung" zu belangen.
In einem Vorort von Stockholm überfielen am 1.1.0 mindestens drei Neonazis eine Gruppe von Menschen auf dem Nachhauseweg von einem Fest türkischer Einwanderer und ermordeten den 19-jährigen Salih Uzel. Am 4.1.0 demonstrierten 400 Menschen in der Stockholmer Innenstadt gegen diesen Mord.
1) Die SAC, die sich auf die in Schweden relativ starke syndikalistische Tradition beruft, hat ca. 8000 Mitglieder. Sie kritisiert die sozialpartnerschaftliche Politik der zentralen Gewerkschaftsorganisationen und die Politik der Regierung, unlängst zum Beispiel Pläne zur Verschlechterung des Streikrechtes und der Arbeitslosenunterstützung.
2) Vergleiche hierzu u.a. FR, 8.12.1999, S. 6.
3) In Dänemark reagierte die sozialdemokratische Minderheitsregierung im Dezember auf ein rapides Anwachsen der Stimmenanteile für die "Dänische Volkspartei" bei Meinungsumfragen (per 15.1.0.: SP 22%, DVP 18%). Aber sie reagierte nicht mit einer antirassistischen Kampagne, sondern mit einer Initiative zur Verschärfung der Einwanderungsgesetze. Der Druck ging dabei vor allem von sozialdemokratischen Bürgermeistern in Vorstädten von Kopenhagen und anderswo aus. Sie warnten vor "Überfremdung", davor, daß in kurzer Zeit die Mehrheit der Bevölkerung dieser Vorstädte "nicht-dänisch" sei. Einige Vertreter bürgerlicher Parteien schlossen sich der Kampagne zunächst nicht an, wurden aber später "mitgerissen" (und hetzten noch schlimmer als die Sozis, unter anderem schlug der Vorsitzende der größten bürgerlichen Oppositionspartei vor, daß Flüchtlinge in den ersten 7 Jahren ihres Aufenthalts im Land keine sozialen Leistungen beziehen sollen dürfen). Ergebnis war eine innerhalb von nur vier Wochen, im wesentlichen von Sozialdemokraten angestoßene, ausländerfeindliche Hysterie quer durch die etablierte Presse und einen großen Teil der Parteien.
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