An die Geschäftsführung der HBS

Heide Pfarr / Nikolaus Simon

Bertha-von-Suttner-Platz 1

40277 Düsseldorf

Hamburg, Juli 1999

Offener Brief zum Verhältnis der Hans-Böckler-Stiftung zu Bernd Rabehl

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wir schreiben Euch heute in Bezug auf Bernd Rabehl, Professor an der FU Berlin und Vertrauensdozent der Hans-Böckler-Stiftung. Ein Vertrauensdozent muß für die HBS in erster Linie die StipendiatInnengutachten schreiben, ist also ein wichtiges Bindeglied zwischen HBS und StudentInnen. Als gewerkschaftliche Organisation ist die HBS an gewerkschaftliche Prinzipien, wie z.B. die Ablehnung rechtsextrememer Tendenzen in der eigenen Organisation, gebunden. Auch die DozentInnen sollten diese gewerkschaftlichen Prinzipien teilen, ansonsten läßt sich nicht von Vertrauen zum/r DozentIn sprechen. Wir zeigen im Folgenden, daß Rabehl diese Prinzipien nicht teilt, damit also nicht auf dem Boden gewerkschaftlicher Positionen steht. Auch wenn uns der Fall in Hamburg nicht direkt betrifft, denken wir, daß er zu wichtig ist, als daß er unkommentiert übergangen werden könnte.

Wie Euch bekannt ist, hat Bernd Rabehl, ehemaliges SDS-Mitglied, am 5./6.12.1998 an den 'Bogenhauser Gesprächen' der Münchener Burschenschaft 'Danubia' teilgenommen und dort einen Vortrag unter dem Titel 'Nationalrevolutionäres Denken im antiautoritären Lager der Radikalopposition zwischen 1961/1980' gehalten. Die rechtsextreme Burschenschaft 'Danubia' ist eine pflichtschlagende Verbindung(1). Angesichts von Rabehls Biographie und politischem Hintergrund, muß davon ausgegangen werden, daß er sich bewußt auf diesen Vortrag eingelassen hat, wissend wer seine Gastgeber sind und welches Ziel die extreme Rechte damit verfolgt, mit (ehemaligen) Linken ins Gespräch (und mehr) zu kommen.

In seiner Rede postuliert er eingangs angeblich vorherrschende "Denk- und Diskussionsverbote"(2), hervorgebracht von einer "Antifa-Linke(n), (die) (...) in einem Bündnis mit bestimmten Medien im In- und Ausland" stünde. Diese Verbote führten dazu, daß nicht gesehen werde, "daß in Zentraleuropa ein Friedensalter sich dem Ende zuneigt". Daß er hier nicht von den tatsächlich in Europa stattfindenden Kriegen spricht wird kurz darauf klar: "Nicht primär die Asylanten- und Flüchtlingsströme aus der ganzen Welt bedrohen den ethischen und moralischen Zusammenhalt der zentraleuropäischen Völker, sondern der Import der Partisanenformationen der internationalen Bürgerkriege und Kriegsschauplätze geschieht durch den Zuzug hochorganisierter und gleichzeitig religiös oder politisch fundamentalistisch ausgerichteter Volksgruppen, die keinerlei Interesse haben sich in den Gastländern zu integrieren oder sich ruhig zu verhalten. (...) Die Bürgerkriegskonstellationen werden hineingetragen in die jeweils europäischen und nationalen Gemeinschaften".

Nachdem dergestalt angeblich die wahre Bedrohung des Landes ausgemacht ist, schreibt er ihr auch kurzerhand die Urheberschaft für rassistische Übergriffe und Repression gegen Ausländer zu: "Es ist also nicht primär der deutsche Fremdenhaß oder die Angst vor Veränderung und Umwälzung, die die deutschen Vorbehalte gegen die "Fremden" schüren, sondern deren Verhalten und Demonstration, die deutsche Gesellschaft für private oder gruppenspezifische Sonderinteressen jeweils nur zu nutzen, trägt bei zur inneren Spaltung der Gesellschaft. (...) In Europa bedeutet diese politische Überfremdung die grundlegende Zerstörung von Volk und Kultur, vor allem dann, wenn die Auflösung der nationalen Identität bereits so weit fortgeschritten ist durch die kapitalistische Umwertung der Werte wie in Deutschland".

Nachdem hier bis in das Vokabular hinein ein Geist durchscheint, der nach 1945 nicht zu wirken aufgehört hat, wendet sich Rabehl der eigenen Vergangenheit zu und beschreibt ausführlich, wie er mit dem "'Fluchthelfer'" Dutschke schon seit Anfang der 60er eine "'nationalrevolutionäre'" Linie vetreten habe. Über die mutwillige Umdeutung Dutschkescher Positionen soll auch gleich die gesamte Geschichte der ApO mit erledigt werden, wenn er schreibt: "Der Internationalismus trug die Farben nationaler Empörung"(3). Daß Geschichte eigentlich nur ein Modus ist, die heutige Welt zu begreifen, wird dann vor allem deutlich, wenn er nach dieser Umdeutung anmerkt, daß diese frühen "'nationalrevolutionären'" Versuche gescheitert seien, weil "(d)ie 'psychologische Aktion', von der die amerikanischen Deutschlandspezialisten 1944/45 sprachen, die nationale Tradition aufzulösen, die Eliten zu entmachten und auszutauschen, die Kultur und die psychologische Disposition der Menschen zu verändern und vor allem Institutionen zu schaffen, die der Dynamik eines modernen Kapitalismus entsprachen, (...) 1998 längst verwirklicht" sei. Neben der angeblich fehlenden nationalen Werte hätten auch "(d)ie Eliten (...) ihre Verantwortung delegiert an Großbürokratien und Verwaltungsakte. (...) Deshalb müssen die Wahlen manipuliert werden, finden große Reklamefirmen Einsatz, werden Wahlgeschenke verteilt und Feste gefeiert und es geht immer darum, neue Wählerschichten zu finden. So sollen 16jährige teilhaben am Wahlklamauk und werden die unterschiedlichen 'Einwanderer' verdeutscht, früher die Kasachstandeutschen für die CDU, jetzt die Völker der Türken und Nordafrikaner für Grüne und SPD". Daß diese Visionen von "Wahlklamauk", "Überfremdung" und "Verdeutschung" von Einwanderern ihre geistigen Wurzeln in Schmittscher Tradition hat, macht der Abschlußparagraph deutlich: "Dort, wo Völker keinerlei Kultur oder Identität mehr besitzen, ist keinerlei Entscheidung zum Kurswechsel möglich. Agonie und Anomie sind angesagt. So gesehen haben die Fremden, die nach Deutschland fliehen, sogar recht, sich nicht anzupassen, denn um selbst nicht zu verschwinden in Dekadenz und Lethargie, wird es notwendig sein die eigene politische Identität zu pflegen und sich vorzubereiten auf die Kriege im eigenen Land".

Die eindeutigen Bezüge auf nationale Werte, die Angst vor angeblicher Überfremdung, die Postulierung eines unzulässig vereinfachenden Freund-Feind Schemas, die Existenz angeblich existierender Allianzen zwischen einer "Antifa-Linken" und "bestimmten Medien im In- und Ausland" signalisieren nicht nur eine, im gewerkschaftlichen Rahmen untragbare, Nähe zu rechtsextremen Konzeptionen sondern bieten offene Kontaktpunkte für die völkische, nationalrevolutionäre Rechte, die die Vorstellung eines 'nationalen Sozialismus' in der Tradition von Niekisch u.a. verbreiten.

Daß Rabehl diese Kontakte gezielt sucht, wird deutlich wenn man bedenkt, daß er sich von diesen Äußerungen nicht nur nicht distanziert hat, sondern sogar später noch stolz darauf ist, "lange nicht derartig personenidentisch gesprochen und geschrieben"(4) zu haben.

Da Ihr von diesen Vorgängen seit langer Zeit wißt, liebe Kolleginnen und Kollegen, mag erstaunen, daß Ihr nicht sofort das Verhältnis zwischen der HBS und Rabehl gelöst habt. Vielleicht wird im Licht weiterer Vorgänge allerdings ein Schuh daraus:

- In mehreren Studien ist mittlerweile nachgewiesen worden, daß es unter Gewerkschaftsmitgliedern eine gefährliche Rechtsentwicklung gibt, die dazu zu führen scheint, daß auch gewerkschaftlich organisierte Jugendliche zunehmend rechtsextreme Parteien wählen(5).

- In den Gewerkschaftlichen Monatsheften 6/7 1998 schreiben Wilhelm Hankel und Hermann Lübbe. Ersterer schreibt in 'Freiheit Wattenscheid' einer lokalen neofaschistischen Zeitung und in der 'Jungen Freiheit', letzterer arbeitet mit dem Studienzentrum Weikersheim (rechtskonservativ mit Übergängen zum Rechtsextremismus) zusammen.

- Bereits 1992 zeigte ein Interview mit Wolfgang Kowalski, damals Mitglied der IG-Metall Grundsatzabteilung, in der Jungen Freiheit 11/92, daß manche hohen gewerkschaftlichen Funktionäre in ihren Kontakten zur extremen Rechten eine offene Flanke zeigen.

Vielen GewerkschafterInnen, nicht zuletzt KollegInnen ohne deutschen Paß, die in ihrer Arbeit vor Ort gegen solche betrieblichen und gesellschaftlichen Konsequenzen kämpfen, und die ja die Arbeit der Stiftung auch finanziell unterstützen, muß es wie Hohn in den Ohren klingen, wenn sie von dem Verhältnis HBS - Bernd Rabehl hören.

In der gewerkschaftlichen Geschichte gibt es immer zwei Traditionen. Die eine fährt im nationalen Boot mit bis es schließlich auch die treuesten Anhänger im Untergang mit sich nimmt. Die andere grenzt sich vom nationalen Schulterschluß ab, da dieser in der Konsequenz immer dazu führt, daß Arbeitnehmerrechte beschnitten, 'Fremde' benachteiligt und ausgegrenzt werden und reaktionäre Geschlechterverhältnisse durchgesetzt werden. Lange Zeit hat in den Gewerkschaften ein antifaschistischer Konsens gegolten. Dieser wird nicht zuletzt von der Haltung führender Funktionäre in den Gewerkschaften und gewerkschaftsnahen Organisationen mitbestimmt. Ihr könnt durch Euer Verhalten dazu beitragen, daß diese Positionen nicht wieder hoffähig werden. Mit einer Position der 'Offenheit', die beinhaltet, daß man mit allen diskutiert, weil sie angeblich respektable Wissenschaftler sind, ungeachtet ihrer gesellschaftspolitischen Aussagen, geht dies nicht.

Wir fordern Euch daher auf, das Verhältnis zwischen der HBS und Rabehl umgehend zu beenden (6), und dazu öffentlich Position zu beziehen.

Es ist nun an Euch zu handeln.

Mit kollegialen Grüßen

LK Uni Hamburg

Tanja Bogusz, Ali Bostanci, Martin Kimmich, Anja Schneider, Lars Stubbe

 

Anmerkungen

  1. S. TAZ 5.1.1999
  2. Alle folgenden Zitate aus dem Redemanuskript, datiert auf den 6.12.1998.
  3. Mittlerweile haben viele ehemalige SDSler Rabehls Version eindeutig als Umdeutung der wirklichen Vorgänge bezeichnet. S. z.B. "Nationalisten waren wir nie" unter http://www.sds.partisan.net/.
  4. Brief Rabehl vom 28.12.1998.
  5. s. Klaus Weber: "Das Wir und die Leistung. Über funktionale Leerstellen der extremen Mitte", express 05/99.
  6. Wir schließen uns hiermit der unmißverständlichen Aufforderung der AG Internationalismus/Antirassismus der StipendiatInnen der HBS vom 29.5.99 an.