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Rechte Ideologien und daraus folgende Gewalttaten sind jüngst
ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Das war nicht
immer so. Lange Jahre wurden rechte Gewalttäter und ihre Zirkel verharmlost,
die Verbreitung rechtsradikalen Gedankenguts ignoriert und die Ursachen verdrängt.
So kann es nicht wundern, dass die Täter gleichsam in der Mitte der Gesellschaft
agieren. Die Gründe sind vielfältig:
Massenarbeitslosigkeit, Berufsnot und Zukunftsangst, die Gefahr sozialen Abstiegs
und der Verlust gesellschaftlicher Anerkennung machen anfällig dafür,
sich nach unten abzugrenzen, Sündenböcke für das eigene Schicksal
zu suchen und in rechtsradikalen Gruppen und deren aggressivem Verhalten gegen
Minderheiten eigene Bestätigung zu suchen.
Die allgegenwärtige Dominanz von Markt und Konkurrenz sowie der Standort-Egoismus des Wettbewerbsstaats setzen auf Sieg und Niederlage, Beherrschung und Verdrängung unter Einschluss der Existenzvernichtung des Konkurrenten. Wo zudem überspitztes Leistungsdenken Ungleichheit als Fortschritts-Motor rechtfertigt, wo solidarische Auffangnetze zurückgenommen werden und soziale Risiken im Namen der Eigenvorsorge privatisiert werden, wo Belegschaften ermuntert werden, sich am Dumpingwettlauf zu beteiligen, finden allzu leicht Ellbogenmentalität, Härte und Rücksichtslosigkeit gesellschaftliche Anerkennung.
Opfer rechter Gewalt sind vor allem Ausländer. Daran haben Politik und Medien einen nicht unwesentlichen Anteil. Bereits in den 80er Jahren hat die Asyldebatte suggeriert, Flüchtlinge seien unerwünscht, ja eine gesellschaftliche Belastung. Sprache und Bilder ("Zustrom von Ausländern", "das Boot ist voll", "Asylanten-Flut') taten ein Übriges, um den Eindruck der Bedrohung zu verstärken. Selbst heute noch, da die Zahl der Asylbewerber von Jahr zu Jahr sinkt, sind Politiker, wie Bundesinnenminister Schily bereit, selbst die verbliebenen Reste des Grundrechts auf Asyl in Frage zu stellen. Dem entspricht der alltägliche Umgang einzelner Behörden mit Ausländern und die herrschende Abschiebepraxis.
Die nationalistische Interpretation des Staatsangehörigkeitsrechts und die Kampagne der CDU/CSU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft haben noch einmal mit unverantwortlicher Demagogie die Gräben zwischen Deutschen und Ausländern vertieft. So kann es nicht wundern, dass die Abwehr von Ausländern gesellschaftliche Anerkennung genießt mit der Folge, dass breite Kreise Gewalttaten gegen Ausländer nicht wahrnehmen, ja hinzunehmen bereit sind.
Andere Minderheiten erfahren ähnliche Ausgrenzungen. Wer lange arbeitslos ist, wer gar am Ende den Halt verliert, gilt nach moderner sozialdarwinistischer Erklärung als "selber schuld"; er muss mit Zwang und Strafe rechnen statt mit Solidarität und Förderung. Einige Städte tun sich dadurch hervor, "Null-Toleranz-Politik" gegen Obdachlose zu praktizieren und sie von belebten Straßen und Plätzen der City zu entfernen. So nimmt es nicht Wunder, das sie neuerdings auch Opfer rechter Gewalt werden.
Bei alledem verstärken Autoritätsgläubigkeit und nach wie vor bestehende Defizite, was demokratische Tugenden wie ziviler Ungehorsam und Kritikfähigkeit angeht, die Bereitschaft, sich nach unten abzugrenzen, um nicht zu sagen: nach unten zu treten.
Auf die vielfältigen gesellschaftlichen Ursachen von Fremdenfeindlichkeit hinzuweisen, kann nicht bedeuten, den Tätern ihre Verantwortung abzunehmen. Totschlag bleibt Totschlag, kriminelle Gewalt bleibt Unrecht, das verfolgt und strafrechtlich geahndet werden muss. Doch zugleich ist es geboten, zum Schutze der Opfer ein Klima der Solidarität und Toleranz zu schaffen; dies liegt nicht zuletzt in der Verantwortung derer, die in Politik und Gesellschaft gestern noch zur Ausgrenzung und Polarisierung beigetragen haben.
Die Gewerkschaften sind Teil der Gesellschaft. Sie sind in ihren Reihen selbst nicht frei davon, jene Tendenzen zu fördern. Bei aller Genugtuung, dass in den meisten Betrieben Ausländer und Deutsche kollegial zusammen arbeiten, auch und nicht zuletzt dank der Arbeit von Betriebsräten und Personalräten sowie gewerkschaftlichen Vertrauensleuten, müssen die Gewerkschaften feststellen, dass auch sie jener Entwicklung nicht immer mit der gebotenen Entschlossenheit entgegen getreten sind. Wissenschaftliche Studien belegen, dass auch Gewerkschaftsmitglieder, vor allem soweit sie von sozialem Abstieg bedroht sind, anfällig sind für rechte Parolen. Im Bewusstsein dessen müssen sich alle Appelle und Erwartungen auch und vor allem an die eigene Adresse richten:
Betriebs- und Personalratsmitglieder sollen ihre rechtlichen Möglichkeiten in den Betrieben und Verwaltungen zum Schutz ausländischer Kolleginnen und Kollegen nutzen und zusammen mit den Beschäftigten sowie mit Betriebs- und Unternehmensleitungen für Toleranz, Offenheit und gegen Fremdenhass und rechte Gewalt eintreten. Dazu sind auch Betriebs- und Personalversammlungen ein geeignetes Forum, um z. B. Patenschaften zu gründen. Das Betriebsverfassungsgesetz verpflichtet die Betriebsräte zum aktiven Eintreten für die ausländischen Kolleginnen und Kollegen, in §§ 75 und 80; die Betriebsräte haben die Aufgabe, "die Eingliederung ausländischer Arbeitnehmer im Betrieb und das Verständnis zwischen ihnen und den deutschen Arbeitnehmern zu fördern." Die IG Medien appelliert an alle Betriebs- und Personalräte, diesen Auftrag umzusetzen.
Wir treten ein für das Recht auf eine individuelle und kollektive Arbeitsverweigerung bei der Herstellung und Verbreitung von fremdenfeindlichen und reaktionären Drucksachen und Sendungen.
Die Fachgruppe Journalismus bietet heute schon Seminare und Vorträge zur Aufklärung über rechtsextremistische Gewalt an. Die IG Medien ist gewillt, diese Angebote fortzusetzen und zu fördern. Insbesondere publizistisch tätige Mitglieder sind aufgefordert, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für Aufklärung zu sorgen und sich für eine zivile Gesellschaft der Toleranz und Solidarität einzusetzen.
Die Unternehmer und ihre Verbände sind verpflichtet, die Berufsnot der Jugend zu überwinden und alle Schritte zu ergreifen, um Arbeitslosigkeit zu überwinden. Darüber hinaus erwartet die IG Medien von den Arbeitgebern Impulse, dass in den Betrieben, Unternehmen und Verwaltungen Initiativen gegen Fremdenfeindlichkeit gegründet und gefördert werden.
Die Politiker aller demokratischen Parteien sowie die Verantwortlichen öffentlicher Einrichtungen und Verwaltungen sind aufgefordert, ein Gesamtkonzept gegen die Ursachen von Fremdenhass und rechter Gewalt zu entwickeln und dies umzusetzen. Dies schließt die Bereitstellung entsprechender finanzieller Mittel für Sozial- und Jugendarbeit, für Resozialisierung und Prävention ein. In diesem Sinne fordert die IG Medien die Umsetzung des im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen versprochenen "Bündnis für Demokratie und Toleranz".
Bei alledem gilt: Mit nur rechtlichen Mitteln ist Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit nicht beizukommen. Selbstverständlich müssen die Instrumente der Justiz zur Anwendung kommen, es muss aber in der Gesellschaft insgesamt ein Einstellungswandel stattfinden: Weg von der Ellbogenmentalität, dem Faustrecht des Stärkeren, dem Fetisch Leistungssteigerung, hin zu einer Bürger- und Zivilgesellschaft und einer sozialen Demokratie, in der Toleranz und Solidarität den ihnen zukommenden Rang erhalten.
Quelle: Impuls, Informationen für Aktive, IG Medien Bezirk Wiesbaden,
Nr. 87 / 29. September 2000
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