Die Trunkenheit ist eine Zahl - zu Fusionen und Konfusionen internationaler Gewerkschaftsarbeit

 

Der Süchtige berauscht sich nicht nur an der Droge selbst, sondern vor allem, an der Häufigkeit ihres Konsums. Sucht ist eine Form von Größenwahn, der sich an der Menge, der Masse, der Anzahl entzündet. Die Droge des Kettenrauchers ist das Quantum - und die Droge von Organisationen ist die Fusion. Das dabei im Wahn gelegentlich gegen den eigentlichen Sinn und Zweck der Organisation agiert wird, liegt im Wesen des Rausches. Das Streben nach Wachstum als Flucht vor dem Gefühl der Mangelhaftigkeit ist Motor des Marktes, aber leider auch Motiv von Gewerkschaften, die ihr Klientel vor den Folgen des Wachstumswahns zu schützen hat.

Ein unschönes Beispiel dafür, daß bei den Bestrebungen zu internationalen Vernetzungen aus lauter eiteler Berauschung an der eigenen Globalisierung gelegentlich der Bezug zur Wirklichkeit verlorengeht, ist auf internationaler Ebene das Verhältnis zur Citibank. Daß gerade die Citibank abgesehen von ihrer bisweilen recht zweifelhaften Rolle bei der Geldwäsche von Einnahmen aus Drogengeschäften (vgl. den Salinas-Fall), bei der Finanzierung des Monsanto-Konzerns, bei der Krise der Tigerstaaten etc. nicht eben im Ruf steht, besonders arbeitnehmer- und gewerkschaftsfeundlich zu sein, hat sich durchaus bis zu den internationalen Dachverbänden herumgesprochen. Immerhin ist der Konflikt zwischen Arbeitnehmern, Gewerkschaften und Citibank in Sachen Betriebsschließungen der Call Center in Bochum und Duisburg Thema in den Online-News der Fiet und von Communication International. Selbst Philipp Jennings, der Vorsitzende der Welt-FIET thematisierte die Konflikte rund um die Citibank bei einer Rede anläßlich einer Konferenz der ILO Ende 1999.

Angesichts der Vorkommnisse in Kolumbien, wo die Citibank mit Hilfe der Polizei gewaltsam gegen Gewerkschaftler und Arbeitnehmer vorgeht, die als gewerkschaftsnah gelten, sind diese Konflikte nur die Spitze des Eisbergs. Um was für ein Kaliber es sich bei der Citibank handelt, darauf weist unter anderem ein Beitrag des "Transnational Resource & Action Center" hin, der darstellt, wie Konzerne ala Citibank sich durch Finanzierung von Projekten der Vereinten Nationen von ihren zahlreichen Sünden reinzuwaschen suchen (sog. "Greenwashing")

Da stimmt es einen natürlich in mehrerlei Weise bedenklich, wenn eine Gewerkschaft unter den Fittichen der CI, die "Communication Workers Union of Ireland" sich gerade der Citibank als Kreditgeber für die Finanzierung einer Beteiligungsgesellschaft bedient, die aus ihren zu Betreuenden shareholder der "Telekom Eireann" macht. Daran ist mindestens zweierlei entsetzlich:

Da wo eine geharnischte Kritik am Vorgehen des "affiliate" CWU angebracht gewesen wäre, reagiert man mit einer Zaghaftigkeit, in der die Konturlosigkeit und Zahnlosigkeit der sich an ihrer Globalität berauschenden Dachverbände zum Vorschein kommt. Selbst die EU, auch nicht immer ein Beispiel an Geschlossenheit, traut sich, eins Ihrer Mitglieder unter den Bannstrahl zu setzen (siehe Österreich), während der gewerkschaftliche Corpsgeist hier wieder einmal jenen Mangel an (Selbst)-Kritikfähigkeit offenbart, der eine globale, gewerkschaftliche Gegenmacht noch bis in alle Ewigkeit verhindern wird. Wenn man eine solche gewerkschaftliche Entgleisung wie die geschilderte nicht entschieden verurteilt, wird demnächst ein Konzern wie die Citibank die gewerkschaftlichen Veröffentlichungen demnächst als kostenlose exklusive Werbefläche nutzen und anderenfalls mit dem Einfrieren von Krediten drohen.

Bestenfalls läßt sich unterstellen, daß dem Dachverband nicht bewußt gewesen ist, was global in Sachen "Citibank vs. employees and unions" los ist. Dann heißt daß, das erst über eine möglichst grandiose Nutzung des Internet als Schaufenster der eigenen Fusionitis nachgedacht wurde, statt darüber, wie man das Internet als interaktives Informationsmedium nutzt. Dabei ist ein funktionierendes "Informations-Brokertum" der Schlüssel für eine koordinierte und effektive, transnationale Vernetzung gewerkschaftlicher Aktivitäten und der Aktivitäten von Verbündeten. Fehlen einem dazu die Kernkompetenzen, so vergebe man sie an gewerkschaftnahe externe Dienstleister und sei dabei auch ohne Citibank-Kritik nicht knauserig. Anderenfalls riskiert man, daß die Einzelgewerkschaften (ähnlich wie bei ver.di) gar nicht oder nur mit Vorbehalten in eine an sich dringend notwendige internationale Vernetzung gewerkschaftlichen Handelns einsteigen.

Gerade UNI, in deren Wirkungsgebiet vor allem Telekommunikations- und Medienunternehmen fallen, deren Angestellte mit modernen Medien und mit Informationstechnologie so selbstverständlich umgehen, wie ein Gewerkschaftsführer mit der Flüstertüte, sollte nicht den Fehler begehen, die mediale Selbstdarstellung wichtiger zunehmen, als die möglichst rasche und professionelle Organisation der internationalen Kommunikation und Logistik.

Nur dann besteht die Möglichkeit, gewerkschaftliche Auswüchse wie den oben genannten "Deal" möglicherweise schon im Entstehen zu verhindern und wenn schon nicht zu verhindern, dann klar dagegen Stellung zu beziehen.

Hannes Oberlindober

 


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