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Updated: 18.12.2012 15:51
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Gewerkschaft als Versicherung?

IG Metall soll zum „Allgemeinen Deutschen Arbeitnehmer-Club (ADAC)“ mutieren

Von Winfried Wolf

„IG Metall hilft nur noch eigenen Mitgliedern“, unter dieser Schlagzeile wird über neue Überlegungen in den Gewerkschaften berichtet. So sagte die designierte Leiterin des IG-Metall-Bezirks Küste, Jutta Blankau: „Es kann nicht sein, dass die IG Metall den gleichen Einsatz in einem Betrieb zeigt, der kaum Gewerkschaftsmitglieder hat, wie in einem Betrieb mit hohem Organisationsgrad.“ Der erste Bevollmächtigte der Verwaltungsstelle Arnsberg, Wolfgang Werth, äußerte, wenn nicht mindestens die Hälfte der Belegschaft Mitglied sei, dann „treten wir erst gar nicht an“. Die neue Strategie solle zur Geltung kommen, wenn Belegschaften im Fall von Erpressungen durch Unternehmer gewerkschaftliche Unterstützung suchten.
Nun sind solche Positionen noch nicht gewerkschaftsoffiziell, wie der jW seitens der IG Metall-Pressestelle in Frankfurt/M. mitgeteilt wurde. Sie stehen allerdings in der gleichen Logik wie die Linie, Gewerkschaftsmitgliedern mehr Lohn zu bezahlen. Diese Position ist in einigen Betrieben bereits Praxis. Der zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, hat dies als „einen möglichen Ansatz in der Tarifgestaltung“ charakterisiert. Der Hintergrund all dieser Überlegungen sind die massiven Mitgliederverluste. Von Anfang 2003 bis Mitte 2004 verlor die IG Metall 194.000 Mitglieder; sie zählt derzeit noch 2,45 Millionen Mitglieder. Mit den neuen Überlegungen wollen maßgebliche Gewerkschaftsfunktionäre bei der IG Metall, aber auch bei verdi, den Mitgliederschwund stoppen.

Tatsächlich wird auf diese Weise die gewerkschaftliche Kampfkraft weiter ausgehöhlt. Das grundlegende Prinzip gewerkschaftlicher Arbeit ist die Solidarität und die Gegenwehr aller betroffenen Arbeitnehmer, der Arbeiterklasse, gegen die Unternehmer bzw. gegen die Kapitallogik. Dies soll nun ersetzt werden durch ein Gewerkschaftsverständnis als individueller Versicherung – mit dem Zuckerbrot „mehr Lohn“ bei Mitgliedschaft und mit der Peitsche „keine Hilfe“ bei niedrigem Organisationsgrad. Statt sich, wie von Karl Marx beschrieben, als „Sammelpunkte des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals“ zu begreifen, wird eine Art neuer „Allgemeiner Deutscher Arbeitnehmerschafts-Club (ADAC)“ angedacht. Dabei sind die „neuen Überlegungen“ auch praxisfern. Lohnabhängige werden nicht prophylaktisch in großer Zahl zu Gewerkschaftsmitgliedern, sondern vor allem dann, wenn die gewerkschaftliche Praxis überzeugend ist. Nicht überzeugend war sie offensichtlich beim Ost-Metall-Streik 2003 oder bei den neuen Tarifabschlüssen mit Öffnungsklauseln, die das Tor zu unbezahlter Mehrarbeit öffneten. Überzeugend war sie offensichtlich anderswo. 2002 lag der Organisationsgrad in München beim EDV-Betrieb Siemens-Hofmannstraße im einstelligen Bereich. Als die Unternehmensleitung massenhaften Belegschaftsabbau durchzusetzen versuchte, führten IG Metall und Belegschaft einen erfolgreichen Abwehrkampf. Jetzt wurden binnen drei Wochen 900 Kolleginnen und Kollegen IG Metall-Mitglied. Nach den „neuen Überlegungen“ wäre die IG Metall „erst gar nicht angetreten“. Leo Mayer, ehemaliger stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei Siemens in München : „Es geht darum, ob sich unsere Gewerkschaft als ADAC für Arbeitnehmer versteht oder ob sie weiter den Anspruch hat, für alle Arbeitnehmer und für Arbeitslose zu kämpfen und eine gesellschaftliche Gegenmacht zu entwickeln.“


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