Schulterschluß
Tarifeinigung in der Metallindustrie
In der Krise suchen die Gewerkschaftsspitzen den Schulterschluß. Nicht mit den auf Weisung des deutschen Kapitals attackierten Lohnabhängigen Griechenlands oder den prekär Beschäftigten hierzulande, sondern mit der hiesigen Unternehmerschaft. »Gemeinsam« und »ohne Rituale« will man die tiefste Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik durchstehen. Dabei sollen »die Lasten fair verteilt« werden, sagt IG-Metall-Chef Berthold Huber. Doch die mit der am Donnerstag unterzeichneten Tarifvereinbarung geschaffenen Fakten zeigen das Gegenteil: Die Zeche für die von ihnen nicht verursachte Krise müssen fast ausschließlich die Lohnabhängigen übernehmen – mit Gehaltsverzicht und als Steuer- und Beitragszahler für Staatszuschüsse an Unternehmen und Banken. Doch den massenhaften Jobabbau wird das nicht aufhalten.
Die im Aufschwung infolge kapitalistischer Anarchie – jeder Konzern versucht stets, seinen Marktanteil auf Kosten der Konkurrenz auszuweiten – geschaffenen Überkapazitäten müssen vernichtet werden. Erst dann kann es mit der Wirtschaft wieder richtig losgehen. Die Idee, dem durch Arbeitszeitverkürzung zu begegnen, ist richtig. Doch dieses einstige Kernelement gewerkschaftlichen Handelns feiert seine Wiederauferstehung in pervertierter Form. Statt einer allgemeinen Verkürzung der Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich werden diese nur vorübergehend und im einzelnen Betrieb reduziert. Für den Joberhalt wird Gehaltsverzicht von den Beschäftigten verlangt: Mit der »tariflichen Kurzarbeit« verlieren die Metaller bei einer Absenkung um sieben Wochenstunden die Entlohnung für 5,5 Stunden. Hinzu kommt, daß auch die Zuschüsse der Bundesagentur für Arbeit von den Beschäftigten mit ihren Beiträgen selbst finanziert werden.
Bezahlt hat die Gewerkschaft dieses »gute Ergebnis« (Huber) mit dem weitgehenden Verzicht auf Einkommensverbesserungen. In den ersten elf Monaten gibt es nur Einmalzahlungen. Danach erhalten die Arbeiter und Angestellten für weitere zwölf Monate 2,7 Prozent mehr Geld. Das sei eine Reallohnsicherung, behaupten die IG-Metall-Oberen. Das wäre womöglich der Fall, wenn die Inflationsrate auf ihrem aktuellen Tiefststand verharren würde. Doch das ist angesichts nicht gegenfinanzierter Staatsprogramme zur Wiederbelebung der Wirtschaft keinesfalls ausgemacht. Den Spielraum, eine eventuell wieder anziehende Preissteigerung mit guten Lohnabschlüssen auszugleichen, hat sich die Metallergewerkschaft durch diese langfristige Vereinbarung genommen.
»Mit unserem neuen Modell ist klar: In dieser Krise muß niemand gekündigt werden«, so Nordrhein-Westfalens IG-Metall-Chef Oliver Burkhard. Das wird vielleicht in einigen Großkonzernen gelingen, in denen die Arbeitsplätze statt dessen »sozialverträglich« vernichtet werden. In etlichen kleinen und mittelgroßen Betrieben wird das nicht der Fall sein. Und den Zehntausenden prekär Beschäftigten hilft das Ganze sowieso nicht.
Kommentar von Daniel Behruzi aus junge Welt vom 19.02.2010
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