Die Grundsätze der STANDORTE - Gruppe zur Betriebsratswahl 1998

 

Die Opel-Geschäftsleitung möchte am liebsten Betriebsräte haben, die sich selbst als „Co-Manager" sehen. Wir meinen: Die Opel-Manager werden als leitende Angestellte des größten Multis der Welt, General Motors, für nichts anderes bezahlt, als für die GM-Aktionäre den möglichst größten Profit rauszuholen und nicht dafür, für unsere Einkommenssicherung oder bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen. In den Betriebsrat gewählte Arbeiter, Arbeiterinnen oder Angestellte, die sich einbilden, sie könnten mit den Opel-Managern gemeinsam, im „Co-Management", die Interessen der Belegschaft sichern, müssen sich auf das Argument „Kosteneinsparungen nötig zur Wettbewerbssicherung" einlassen und dann notwendigerweise von der Belegschft immer weitere Verzichtsleistungen fordern.

Wir sind als Betriebsratskandidaten für Gegenwehr statt „Co-Management". Dabei gehen wir von folgender Einschätzung aus:

1. Auch in den nächsten vier Jahren der BR-Periode von 1998 bis 2002 werden wir durch die zunehmende Massenarbeitslosigkeit unter Druck gesetzt. Dabei wird die Arbeitslosigkeit auch von der A.Opel AG verursacht: allein in Bochum will Opel die Arbeitsplätze bis 2002 auf 12000 und weniger reduzieren. Wir müssen also mit weiteren Erpressungsangriffen rechnen. „Überproduktion in der Autoindustrie", „zuviele Leute an Bord wegen weiterer Produktivitäts-steigerung und Rationalisierung", „Verschärfte Konkurrenz durch Einführung des Euro", durch Bau von neuen Opel-Fabriken in Billiglohnländern, usw, - mit solcher Propaganda wird man uns weiterhin berieseln, als ob es eine natürliche Entwicklung sei, daß immer mehr Leute ärmer und die wenigen Superreichen immer reicher werden.

2. Wir sehen die eigentlichen Ursachen für die krisenhafte Entwicklung in den Grundprinzipien des Wirtschaftssystems: es wird nicht danach gefragt, wie sinnvolle Produkte von allen Arbeitsfähigen in erforderlicher Menge bei humanen Arbeitsbedingungen hergestellt und verteilt werden können. Die Fabriken und Banken sind in der Verfügungsgewalt einiger Weniger. Die große Mehrheit der Menschen ist gezwungen, ihre Arbeitskraft diesen Besitzern der Produktionsmittel zu verkaufen. Jeder Unternehmer, will er nicht selbst von seinen Konkurrenten plattgemacht werden, muß alles daransetzen, sein Kapital zu vermehren, also mit möglichst niedrigen Lohn- und anderen Kosten zu produzieren, und die Mitbewerber aus zustechen. Ohne diese Eigentums- und Machtverhältnisse in Frage zustellen, lassen sich nach unserer Überzeugung weder die Interessen der Belegschaft verteidigen noch eine eigene Zukunftsalternative entwickeln.

3. Unsere Alternative richtet sich gegen die Ausbeutung der Menschen für immer mehr Profite und gegen die zunehmende Spaltung innerhalb und zwischen den Belegschaften und Bevölkerungsgruppen.

Erstens muß Gegenwehr bei den alltäglichen Konflikten im Betrieb stattfinden. Geschimpft wird jeden Tag in jeder Abteilung, doch jeder und jede von uns hat auch Angst. Diese Angst können wir überwinden, wo wir uns gemeinsam und solidarisch wehren. Daß dies möglich ist, haben die Streiks gegen die Kürzung der Lohnfortzahlung und die Kündigung der BV-Prämienlohn gezeigt. Wir wenden uns gegen die Illusion, als könnten noch so kämpferische Betriebsräte ohne oder stellvertretend für die Belegschaft die „Kohlen aus dem Feuer holen."

Zweitens erfordert wirksame Gegenwehr den organisierten Zusammenschluß über den Einzelbetrieb hinaus. Deshalb haben sich die meisten zu recht in der Gewerkschaft organisiert. Allerdings: um sich eine Verzichtsvereinbarung nach der anderen aufdrücken zu lassen, braucht man keine Gewerkschaft! Unserer Meinung nach ist eine Protestbewegung innerhalb der Gewerkschaften nötig, um die gefährliche Tendenz der letzten Jahre aufzuhalten: Unter dem Motto: „Hauptsache die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bleibt erhalten" treibt die offizielle Gewerk-schaftspolitik diesen Verzichtskurs und die wachsende Armut mit voran. Belegschaft für Belegschaft wird einzeln erpreßt und über den Tisch gezogen. So bekommen die Betriebsvereinbarungen ein immer größeres Gewicht im Vergleich zu tarifvertraglich erkämpften Abschlüssen, denn Betriebsräte, die sich der „Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit" angeschlossen haben, lassen sich leicht in die betriebliche Profitpolitik einspannen. Betriebsübergreifende Gegenwehr gegen die Unternehmer- und Regierungsangriffe, einen gemeinsamen Kampf um unsere Forderungen, müssen wir als Gewerkschaftsmitglieder um so stärker zu unserer eigenen Aufgabe machen.

Deshalb arbeiten wir auch seit langem mit beim Erfahrungsaustausch und bei der Vernetzung von aktiven GewerkschafternInnen auf nationaler wie internationaler Ebene Dabei schließt für uns gewerkschaftliche Gegenwehr auch den Kampf gegen jede Form der Spaltung der Lohnabhängigen mit ein, gegen weiteren Sozialabbau und Ausgrenzung von Arbeitslosen, wie gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus.

Drittens können wir nur erfolgreich für unsere Interessen eintreten, wenn immer mehr Kolleginnen und Kollegen mitdiskutieren und sich mitengagieren. Als Betriebsräte sehen wir die Aufgabe, regelmäßig und umfassend über alle Konflikte wie ihre Hintergründe zu informieren und die Diskussion um unsere Alternativen voranzutreiben.

Unsere Vorstellungen haben wir im Rahmen der Gruppe um die Betriebszeitung „STANDORTE" entwickelt und in vielen Zeitungen und Flugblättern zur Diskussion gestellt. Unserer Meinung nach wird es eine andere, menschliche Gesellschaftsordnung nur geben, wenn immer mehr Menschen sich darüber Gedanken machen und dafür miteintreten.