Vom 14. Bis 16. Mai 1999 fand in Ören (bei Balikesir) in der Türkei eine Konferenz unter o.g. Motto statt. An der Konferenz nahmen rund 300 GewerkschafterInnen aus folgenden Ländern teil: Türkei, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Spanien, Schweiz, England, Bosnien-Herzogowiena, Zypern, Rußland, Algerien, Kolumbien, Benin, Indien und USA. Thema waren die aktuellen Probleme der internationalen Arbeiterbewegung und gemeinsame Lösungsansätze. Dazu hat die Konferenz folgende Erklärung verabschiedet:
Die Konferenz fand in einer Zeit statt, in der die Angriffe des multinationalen Kapitals auf die Arbeiterbewegung und ihre Werte eine neue Dimension erreicht haben:
Die Ausweitung von Privatisierung, Outsourcing und Flexibilisierung führt dazu, daß die Durchsetzungskraft von Gewerkschaften geschwächt wird, daß die Arbeitsbedingungen verschlechtert, Löhne gedrückt und soziale Rechte rasant abgebaut werden können.
Die Arbeitslosigkeit – die älteste und treueste Weggefährtin des Kapitalismus hat selbst in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern chronische Züge bekommen. Politik und Kapital nutzen die Arbeitslosigkeit um den Konkurrenzdruck zwischen den abhängig Beschäftigten zu erhöhen und deren Rechte einzuschränken.
Die sozialen Sicherungssysteme für die abhängig Beschäftigten, die Arbeitslosen und ihre Familien werden zur Hauptlast erklärt, die der Staat zu tragen habe. Sie werden schrittweise ausgehöhlt, umgebaut oder ganz abgeschafft. Grundsätze wie "so viel Gesundheit, wie du bezahlen kannst", so viel Bildung, wie du bezahlen kannst" und "so viel Dienstleistungen, wie du bezahlen kannst", sollen selbst in den hoch entwickelten Ländern umgesetzt werden.
Auf der Konferenz, an der GewerkschaftsvertreterInnen von vier verschiedenen Kontinenten teilnahmen, wurde erneut deutlich, daß die Probleme mit denen die Gewerkschaften konfrontiert sind zwar von Land zu Land unterschiedlich in Erscheinung treten, aber daß sie überall ähnliche Ursachen haben und sich nicht grundsätzlich unterscheiden. Es wurde deutlich, daß sich die Gewerkschaftsbewegung international formieren muß, um zu widerstehen – die Kräfte der Arbeit müssen angesichts der weltweiten Angriffe des Kapitals eine international vernetzte Gegenwehr entwickeln. Diese Notwendigkeit schmälert allerdings nicht die Bedeutung der Kämpfe auf nationaler, regionaler und örtlicher Ebene. Im Gegenteil, zeigt sich in diesen Aktionen vor Ort, daß viele Kämpfe nur gewonnen werden können, wenn GewerkschafterInnen international zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Die Gewerkschaften müssen die Erneuerung der internationalen Solidarität vorantreiben, die den Angriffen des Kapitals entgegengesetzt werden muß.
Teile der Gewerkschaften erkennen den antagonistischen Widerspruch, den Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit, nicht mehr als wesentlich an. Vor diesem Hintergrund verzichten sie auf die Mobilisierung von Gegenmacht und Kampf und glauben, daß die Interessen der Werktätigen durch Zugeständnisse gewahrt werden können. Dabei werden diese Interessen oft der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Kapitale untergeordnet und geopfert.
Dazu stellt die Konferenz folgendes fest:
Die Arbeiterbewegung kann ihre erkämpften Rechte nicht dadurch verteidigen, daß sie Kompromisse mit dem Kapital schließt, das weltweit versucht, Privatisierung, Flexibilisierung, Niedriglöhne, Massenentlassungen und Deregulierung gegen die Interessen der abhängig Beschäftigten durchzusetzen und dies mit dem MAI / MIA (= Multilateral Agreement of Investment) noch verschärfen wird. Die Konferenz ruft die klassenbewußten GewerkschafterInnen auf, sich mit aller Kraft dafür einzusetzen, den Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit wieder als Grundsatzposition in der Arbeiterbewegung zu verankern. Dies kann nicht allein mit Worten umgesetzt werden. Notwendig ist die Organisierung von Kämpfen für die Forderungen der abhängig Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften.
Es ist wichtig, über die Beiträge und die Entschließung der Konferenz in allen Ländern in den Gewerkschaftlichen Publikationen und Versammlungen, bei den Mitgliedern zu informieren und für die Forderungen zu mobilisieren.
Es ist notwendig, ähnliche Konferenzen in Zukunft in verschiedenen Ländern zu organisieren. Dem Vorschlag, das nächste Treffen in Europa durchzuführen, wurde zugestimmt. Gleichzeitig sollen in den einzelnen Ländern die Plattformen kämferischer GewerkschafterInnen verbreitert und - unter Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen - neue Organisationsformen erarbeitet werden, um den gegenseitigen Austausch zu verbessern und gemeinsame Positionen der internationalen Gewerkschaftsbewegung zu entwickeln. Dazu ist es nötig, bi- und multilaterale Treffen von aktiven GewerkschafterInnen und BetriebsrätInnen zu organisieren, um den Erfahrungsaustausch über Arbeitskämpfe, die Diskussion und das persönliche Kennenlernen zu ermöglichen. Darüberhinaus muß die Kommunikation zwischen den Gewerkschaften weiterentwickelt werden.
Die Konferenz betont die Notwendigkeit, die Arbeiterbewegung zu politisieren. Sie fordert die Werktätigen der verschiedenen Länder auf, ihre eigenen Parteien zu stärken.
die Konferenz verurteilt mit aller Schärfe die weltweit stattfindenden Angriffe auf die Organisationsfreiheit von Gewerkschaften und die Repressionen gegen GewerkschafterInnen und Arbeiterführer, die bis zu deren Ermordung gehen. Dies gilt z.B. für die auf der Konferenz vertretenen Länder Algerien, Kolumbie und die Türkei.
Die Konferenz fordert insbesondere, daß den Angriffen und Verboten gegen die Gewerkschaften in den kurdischen Städten ein Ende gemacht werden muß. Die kurdische Frage muß volksdemokratisch gelöst werden, auf der Grundlage der Brüderlichkeit der Völker.
Die Konferenz setzt sich für Meinungsfreiheit ein und betont die Notwendigkeit der Solidarität mit Menschen, die wegen ihrer Meinung verfolgt werden. Dies gilt besonders für Intelektuelle, Künstler, Wissenschaftler und Journalisten. Aus diesem Grund sendet die Konferenz solidarische Grüße an den schwarzen amerikanischen Journalisten mumia Abou Jamel, der in den USA in Haft sitzt und dem die Todesstrafe droht. Die Konferenz lehnt die Todesstrafe als barbarischen Akt des Staates ab und Fordert die Freilassung von Abou Jamal, der einem Komplott von Polizei und Staat zum Opfer gefallen ist.
Die Konferenz stellt fest, daß es wichtig ist, international kulturelle und künstlerische Aktivitäten in den Gewerkschaften zu organisieren, um die Gemeinsamkeit und die Solidarität zu stärken; denn die kulturelle Entfremdung ist eine der schärfsten Waffen des Imperialismus zur Schwächung der Arbeiterbewegung.
Die Konferenz verurteilt die Bombenangriffe gegen Jugoslawien und den Irak, als imperialistischen Akt, in dessen Zentrum die NATO und die USA stehen. Die NATO verfolgt in Jugoslawien weder das Ziel, die muslimischen Albaner zu retten, noch das Ziel, den Rassisten Milosovic an der Durchsetzung seiner Pläne zu hindern. Mit dem Krieg im Kosovo wird eine weltmachtpolitische Neuaufteilung Osteuropas und des Balkans bezweckt. Deshalb fordert die Konferenz, daß das NATO-Bombardement sofort gestoppt wird. Für den Frieden in Europa und auf der ganzen Welt, aber auch für die Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung ist es sehr wichtig, sich eindeutig gegen den Krieg zu positionieren. Die Linie von Gewerkschaften, die diesen Krieg unterstützen muß als Kriegstreiberei bezeichnet werden. Die Verurteilung jedes Krieges muß die Grundhaltung aller Gewerkschaften sein.
Ören (Türkei), 16.Mai 1999