letzte Änderung am 19. Sept. 2002

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Joachim Kuhnke
Dreifaltigkeitsstraße 1
40625 Düsseldorf
IGM-Mitgliedsnummer 80677164

An die Verwaltungsstelle Kassel der IG Metall und an den Vorsitzenden im unten genannten Untersuchungsverfahren, Kollege Karl-Heinz Janzen

Erklärung von Joachim Kuhnke, Beisitzer der Angeschuldigten Ehlers, Berger, Renner u.s.w. zum Untersuchungsverfahren vom 1. U. 2. August 2002 in Kassel

Die Beschlüsse in dem Untersuchungsverfahren gegen Klaus Ehlers, Klaus Berger, Michael Renner u. a. vom 1. Und 2. August 2002 zu Kassel, enthalten ausschließlich Darstellungen und Wertungen aus der Sicht der beiden Beisitzer der Antragsteller, sowie vor allem des Vorsitzenden der Untersuchungskommission. Alle von uns beiden Beisitzern der Angeschuldigten vorgebrachten Gesichtspunkte werden verschwiegen; es gibt im Beschluss keinerlei Abwägungen, keine erklärenden oder auch nur entlastende Gesichtspunkte, die von uns dort ausführlich dargelegt wurden. Einen solchen einseitigen Beschluss werde ich daher nicht durch meine Unterschrift stützen.

Was das Verfahren selbst angeht, so stellt es meiner Meinung nach einen Vertragsbruch dar. Am 29.11.2002 hatten u.a. der Vertreter der IGM, der VK-Vorsitzende Holle und der Sprecher der Alternativen Metaller, Ehlers, eine Vereinbarung unterzeichnet, in der sie sich gegenseitig versicherten, dass sie das erstellen von Sicherungslisten akzeptieren, ja, dies selbstverständlich voraussetzen für den Fall, dass eine Persönlichkeitswahl nicht Zustandekommen sollte. Es heiß dort nämlich wörtlich: "Das Erstellen von "Sicherungslisten" bleibt von dieser Verabredung unberührt."

Ein Berufen der Mehrheit der Untersuchungskommission auf das im Verfahren häufig zitierte Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1999 legitimiert dies Vorgehen gegen Treu und Glauben nicht, da dieses Urteil der IGM keineswegs den verpflichtenden Zwang auferlegt hat gegen konkurrierende Listen von IGMetallern mit Ausschluss zu reagieren, dies vielmehr ins politische Belieben der Gewerkschaft legt. Der VK-Vorsitzende Holle beliebte nun also nach der Wahl sich über seine vertragliche Erklärung vom 29.11.2001 hinwegzusetzen und ist nunmehr zum Mitantragsteller dieses Verfahrens geworden. Aus politischen Gründen hielt er nun auf einmal die Erstellung von Sicherungslisten der am Vertrag beteiligten Gruppierungen, im Besonderen der von Ehlers repräsentierten IGMetaller-Gruppierung, für nicht mehr akzeptabel. Hätten sich die Vertreter der IGM-Liste entsprechend der Vereinbarung tolerant gezeigt, hätte es dieses Verfahren gar nicht gegeben. Durch die dargestellte Verletzung von Treu und Glauben, so meine ich, wird dies Verfahren einer juristischen Überprüfung nicht standhalten können.

Der Hauptgrund meiner Ablehnung der Beschlüsse vom 1. Und 2. August bezieht sich aber auf die meiner Auffassung nach missbräuchliche Nutzung der statutarischen Satzungsregeln, einschließlich der Maßnahme des Ausschusses, die anzuwenden gegen Gewerkschaftsgegner sinnvoll ist, mit denen in diesem Falle aber von der IGM-Mehrheit in BR und VK hier versucht wird, eine andere gewerkschaftspolitische Orientierung der Alternativen Metaller, die sehr wohl von sich behaupten darf innerhalb des programmatischen Spektrums der IGM beheimatet zu sein, zu isolieren, möglichst im weiterlaufenden gewerkschaftlichen Diskurs mundtot zu machen, sympathisierende IGM-Mitglieder einzuschüchtern sowie kritische gewerkschaftsnahe KollegInnen vom Eintritt in die IGM abzuhalten.

Die kritische, z. T. ironische und nicht unpolemische mündliche und schriftliche Auseinandersetzung der Alternativen Metaller mit der betrieblichen Politik des Betriebsrates muß eine Mehrheit ohne Nutzung disziplinarischer, administrativer Druckmittel ertragen können. Dies erst recht, wenn diese Auseinandersetzungen fast überall in unserer IGM um Fragen stattfinden, die sich mit den ursprünglichen und bis heute geltende Zielsetzungen der Gewerkschaftsbewegung befasst: stetige Verbessehrung der sozialen Bedingungen der Arbeitnehmer. Wenn, wie im vorliegenden Falle bei DaimlerChrysler Kassel, IGM-Mehrheiten im BR in den letzten Jahren laufend Verschlechterungen der sozialen Standards der Arbeitnehmer (z. B. Samstagsarbeit u. v. m. ) nicht nur ohne Not widerstandslos hingenommen, sondern auch noch diejenigen die den Widerstand dagegen propagieren und organisieren, von dieser Mehrheit angegriffen, ausgegrenzt und jetzt mit diesem Verfahren bekämpft werden, obwohl dies soziale roll back durch den reichsten und mächtigsten deutschen Industriekonzern betrieben wird, nur um seine unersättliche shareholder value – Orientierung auf Kosten der Arbeitnehmer zu befriedigen, dann ist die Frage des Erhaltes des gewerkschaftlichen Wesens und der gewerkschaftlichen Existenz durchaus aufgeworfen. Dies gilt im Besonderen in einer Situation, wo unsere Gewerkschaften sei Jahren um ihr Ansehen ringen müssen, da die Frage der moralischen Legitimierung ihrer Macht und die Formen und Methoden deren Einsatzes oder auch dessen Unterbleiben von immer mehr Menschen zunehmend skeptisch betrachtet werden. Die Alternativen Metaller führen in diesem Ringen täglich die Diskussion zu Gunsten eines auch für junge Menschen attraktiven positiven und offensiven Gewerkschaftsbildes. Wir sollten statt Unterdrückung solcher kritischer Kollegen wie der Angeschuldigten diese belobigen und ermutigen. Wir brauchen viele mehr von ihnen, um bessere Chancen für die Herausforderungen der Zukunft entwickeln zu können, zumal noch lange nicht entschieden sein wird, welche der verschiedenen Auffassungen, die zur Zeit in der IGM dazu vertreten werden, die heraufziehenden Probleme der nächsten Jahrzehnte realistisch einschätzen und für Lösungen zu Gunsten der Arbeitnehmer sinnvolle Konzepte ergeben können. Der Disput zwischen Vertretern der Comanagement- und Gegenmachtstrategien ist in sofern für alle lehrreich und anregend.

Das administrative Vorgehen gegen die Kasseler KollegInnen führt unweigerlich zu nicht Verhinderbahren sondern zwangsläufigen Diskussionen um die innergewerkschaftliche Meinungs- und Analysefreiheit in unsere ganzen Gesellschaft und wird damit das Ansehen und den Einfluss der Gewerkschaftsbewegung jedoch leider weiter schwächen. Das möchte ich mit ganzer Kraft verhindern. Deshalb plädiere ich für die Einstellung des Verfahren.

Joachim Kuhnke
Düsseldorf, 4. 8. 2002

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