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Updated: 18.12.2012 15:51
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Gewerkschaften als soziale Bewegung

Eine spannende Diskussionswoche des Bildungswerkes der Humanistischen Union NRW gefördert von der Stiftung "Menschenwürde und Arbeitswelt" vom 24. - 28. 10.05 im Wannseeheim für Jugendarbeit in Berlin. Themen waren Stand und Zukunft der Zusammenarbeit von Gewerkschaften mit sozialen Bewegungen. Der Bericht ist gedacht als Anregung für andere Gruppen ähnliches zu wiederholen

Ausgehend von den Ereignissen in dem abgelaufenen Jahr - den Montagsdemonstrationen wie den Streiks und Aktionen in den Betrieben - versuchten wir herauszuarbeiten, was sich alltäglich verändert. Jeder kann heute arbeitslos werden, auch die Beschäftigten der grossen Industriebelegschaften. Das war eigentlich der Kerngedanke dieser Diskussion. Die lebenslange Garantie eines sicheren Arbeitsplatzes bei Siemens, Daimler oder bei Opel, genau diese Garantie gibt es nicht mehr. Selbst das noch im letzten Jahr Undenkbare - die Schliessung der Opel-GM-Betriebe in Bochum - liegt im Bereich des Möglichen. Zusammenfassend ergab sich daraus die These, dass die Prekarisierung, also das Unsicherwerden aller Lebens- und Arbeitsverhältnisse eigentlich langsam alle Beschäftigten - Gruppen erreicht, nicht nur einige Randgruppen.

Wir zeigten den Film " die neue Wut" , dazu einen WDR - Film über den Opel - Streik aus dem Oktober 2004. Am Dienstag nachmittag besuchten wir die Peter Petersen Grundschule in Neukölln und testeten dort unsere Lernfähigkeit und unser Gedächtnis. Wir erfuhren aber auch einiges über die Bemühungen der Lehrkräfte, pädagogische Antworten auf die immer schwierigeren sozialen Lernbedingungen der Kinder zu finden.

Am Mittwoch besuchte uns Heiko Barten, wegen einer Bilderanimation gekündigter Betriebsratsvorsitzender bei der Bankgesellschaft Berlin. Die Vortrag und die Diskussion mit Heiko Barten drehte sich hauptsächlich um den Zusammenhang zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Interessenvertretung. Betriebsräte, die in Betriebszeitungen, weblogs und Internet - Veröffentlichungen, über Vorgänge und Geschehnisse aus dem Innern des Unternehmens berichten, sind zunehmend gefährdet, werden mit Vorwürfen wie Nestbeschmutzer abgemahnt und sogar wegen Rufschädigung auch juristisch verfolgt. Die beabsichtigten Verhaltensrichtlinien bei Daimler- Chrysler, die auch jedem einzelnen Betriebsangehörigen die Schweigepflicht über Vorgänge im Unternehmen arbeitsvertraglich verordnen wollen, sind der anschaulichste Beweis. Gemeinsam wurde überlegt, wie wir dagegen vorgehen können. Die Hausdurchsuchung bei labournet.de wurde ebenfalls in diesen Zusammenhang gestellt. Auf der nächsten Auto-Koordination soll diese Frage der Öffentlichkeitsarbeit auch zur Debatte gestellt werden. Heiko Barten informierte weiterhin über seinen kommenden Prozess beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Einige der Teilnehmer werden daran teilnehmen.

Einen Tag später kam Peter Grottian, einer der aktiven Menschen in der sozialen Protestbewegung der letzten Jahre, und wir diskutierten gemeinsam über die Wege und Perspektiven, um die Bewegung gegen Hartz IV mit der Unruhe und den Aktionen in den Betrieben in Verbindung zu bringen. Peter Grottian stellte Thesen vor, die er gemeinsam mit zwei anderen Professorenkollegen erarbeitet hat. Zentrale Orientierungen dieser Thesen sind die Forderungen nach Mindeststandards / Mindestlöhne - Grundeinkommen - Mindestrente/, nach einer Neuverteilung der Arbeitszeit und radikalen Arbeitszeitverkürzungen und nach einer projektbezogen Arbeitsbeschaffung durch die Erwerbslosen selber, finanziert durch die öffentliche Hand. Grundlage für das Herankommen an die Durchsetzung dieser Forderungen sind Geist und Haltung des zivilen Ungehorsams, die in der Gesellschaft Solidarisierungsprozesse auslösen. Gutes Beispiel sind die SchwarzfahrerInnen - Aktionen für ein Sozialticket hier in Berlin. Viele haben sich spontan beteiligt und die Aktion unterstützt.

Donnerstag nachmittag stellte Wolfgang Schaumberg seine Thesen zur konkreten Utopie vor. Er versuchte in seinem Vortrag zu zeigen, dass wir auch im Alltag versuchen müssen, nicht nur den Status quo zu verteidigen, sondern Gedanken zu entwickeln, die halt auch vorstellbar machen, welche andere Gesellschaftlichkeit wir wollen. Genau hier liegt nämlich auch ein dringendes Bedürfnis der Protestbewegung.

Freitag morgen wurde noch einmal über die Kooperation zwischen drinnen und draussen diskutiert, über die Zusammenarbeit zwischen betrieblichem Widerstand und den lokalen Sozialforen. Berichtet wurde von dem Treffen des deutschen Sozialforums in Erfurt und der unbedingten Notwendigkeit, dass sich mehr BasisgewerkschafterInnen an dieser Aufbauarbeit und an dieser weltweiten Sozialforumsbewegung beteiligen. Denn genau in dieser fehlenden Zusammenarbeit liegt eine der Schwächen der sozialen Protestbewegung.

Berlin, 9. November 2005/ willi hajek


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