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"Die Bewaffnung der Arbeiter erfolgt in den Betrieben durch die Betriebsräte. In erster Linie werden die Waffenkundigen bewaffnet (...) Die Betriebsräte haben anhand von Listen, welche Namen und Waffennummern enthalten, eine strenge Waffenkontrolle auszuüben. München, den 16. April 1919. Vollzugsrat der Betriebs- und Soldatenräte Münchens."
Das waren noch Zeiten!? Warum die in böse Niederlagen geführt haben, was sich bis heute alles verändert hat und welche Aufgaben für Linke im Betriebsrat jetzt zu bestimmen sind, ist völlig umstritten. Und noch schlimmer: Darum wird kaum gestritten. Die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes könnte für diejenigen Betriebs-Linken, die nicht nur den modernen, sondern jeden Kapitalismus für abschaffenswert und historisch auch für abschaffbar halten, Anlass zur Selbstbesinnung sein.
Allgemein lassen sich für Linke im Betrieb, besonders im Betriebsrat resultierend aus meinen Erfahrungen von 30 Jahren Arbeit in einem Großbetrieb , vielleicht folgende Aufgaben formulieren:
Die "Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit" als Ausdruck kapitalistischen Verwertungszwangs darf nicht Aufgabe von Betriebsrat und Gewerkschaft sein. Eine bloß moralische Empörung über Kapitalisten, die Schelte von "Managerfehlern" u.ä. schürt ebenso Illusionen hinsichtlich eines geregelten, erträglichen Kapitalismus wie die Forderung nach Erwerbsarbeit für alle. Ein auf Betriebswirtschaft zentrierter Blick macht blind.
Die Frage ist, wie man es im Betriebsratsalltag verhindern kann, mit Sitzungsterminen und Arbeitspapieren zugeschüttet zu werden und die unablässig angetragenen Probleme von Kolleginnen und Kollegen in hektischer Betriebsamkeit stellvertretend regeln zu wollen. Die Sorgen und Beschwerden der Einzelnen als Massenprobleme und diese als Klassenprobleme verständlich zu machen und dann mit den Betroffenen Wege gemeinsamer Gegenwehr anzugehen, bleibt Aufgabe von Linken, so schwierig das auch ist.
Anders leben, weniger und anders arbeiten, ist machbar. Wird jedoch die Zukunftsdebatte nicht unter der Masse der Beschäftigten wie Arbeitslosen verbreitet, wird sich keine attraktive Alternative zum Kapitalismus entwickeln lassen. Neue Arbeitsformen wie Gruppenarbeit, neue Technologien und Rationalisierungsformen sind daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie als kapitalistisch bedingte abzulehnen sind, aber auch: inwieweit sie im Widerspruch zu den Begrenzungen und Bestimmungen, denen sie unter kapitalistischen Bedingungen unterliegen, für eine ganz andere Form von Produktion und Verteilung nötiger und gewünschter Güter nutzbar gemacht werden können. Internationale Erfahrungen im praktischen wie theoretischen Kampf müssen auf ihre Perspektiven im Hinblick auf eine andere Gesellschaftsordnung diskutiert werden.
Vor dem Hintergrund einer solchen Aufgabenbestimmung die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes zu diskutieren, verlangt weitere Vorüberlegungen: Eine noch so anklagende oder auch klagende Kritik am gewerkschaftsoffiziellen Kurs gegenüber den Regierungsplänen kann sich nicht um die Frage drücken, warum diese Reform anscheinend die große Mehrheit der Beschäftigten wenig juckt. Überwiegt bei ihnen vielleicht so zumindest mein Eindruck, bezogen auf Großbelegschaften die resignative Wahrnehmung, mit dem novellierten Gesetz bekämen ihre betrieblichen Verwaltungsbeamten ohnehin nur ein paar neue Spielregeln?
Unter den cleveren Wortführern nicht nur in den verbliebenen Angestellten- und Fachbereichen gibt es oft genug den Typus, der die Betriebsräte distanziert und bisweilen arrogant als letztlich doch machtlose "Mitbestimmungsfuzzis" oder als Selbstdarsteller in Co-Manager-Verkleidung belächelt und jede Diskussion über eine Reform des BetrVG als intellektuelle Selbstbefriedigung abwinkt. Mit dieser Haltung wird eine Grundstimmung zur Gesetzesreform gefördert: "Erstens habe ich nichts davon. Zweitens kann ich eh nichts daran ändern."
Überall trifft man jedoch auch auf KollegInnen, Betriebsratsmitglieder und Vertrauensleute, die sich über die Machtlosigkeit der Betriebsräte einerseits, ihre Selbstüberschätzung sowie ihre so oft gelungene Umfunktionierung zum verlängerten Arm der Personalleitung andererseits ärgern. Diese KollegInnen wissen, wo ihre Macht liegt, fragen nach Alternativen und artikulieren immer wieder ihre Enttäuschung über ihre Gewerkschaft, deren Entwicklung und Politik sie als entscheidend, auch für die betriebliche BR-Arbeit, ansehen. Selbst wenn die Weichen mittlerweile festgestellt und kaum noch Chancen für eine Einflussnahme "von unten" erkennbar sind, ist mit diesen KollegInnen die Reform des BetrVG noch für eine Diskussion nutzbar, allerdings nicht, wenn diese allein auf den in der jüngsten Debatte zurecht mehrfach geforderten Erhalt des Minderheitenschutzes bei BR-Ausschusswahlen bezogen ist, und nur mit einer anderen Zielrichtung, als sie sich in der Formel "Erhalt und Ausweitung der Schutz- und Mitbestimmungsrechte" ausdrückt.
Die "Friedenspflicht" und die Pflicht zur "vertrauensvollen Zusammenarbeit" muss aus dem Gesetz gestrichen werden. Die Betriebsräte sind in den letzten Jahren wegen der Erosion der Flächentarifverträge und der oft auch gewerkschaftsoffiziellen Abschiebung geforderter Problemlösungen auf die einzelbetriebliche Ebene mehr denn je unter Druck geraten, Belegschaftsaktionen mitzuorganisieren. Das erkennen auch rechte Betriebsräte meistens an mit ihren formelhaften Drohungen aus dem Wörterbuch linker Gewerkschaftsphrasen ("das werden wir nicht kampflos hinnehmen" usw.), im Hinterkopf die am Ende sichere Ausrede "... wir aber unterliegen der Friedenspflicht". Für linke Betriebsräte ist vielleicht eine Gesetzes-Diskussion im Betrieb eher möglich, wenn mit der Frage der Friedenspflicht auch wieder die Forderung nach Abschaffung des Aussperrungsparagraphen 116a AFG (heute §146 Sozialgesetzbuch III) verbunden wird ein von vielen naiverweise geglaubtes SPD-Wahlversprechen. Das Streikrecht ist bei uns massiv eingeschränkt, und das hat der kapitalistische Staat auch so zu erhalten, im Namen der so genannten Zivilgesellschaft.
Gegen die oft schleichende Einbindung der Betriebsräte in die betriebswirtschaftliche Logik des Managements und die damit einhergehende Verbürokratisierung muss den aktiven GewerkschafterInnen eine bessere "Kontrolle von unten" ermöglicht werden. Linke Betriebsräte haben Aufklärungs- und Organisationsarbeit gegen die betriebsbornierte, konkurrenzfixierte Sichtweise zu leisten, beispielsweise die überbetriebliche, sogar international notwendige Solidarität voranzubringen durch gegenseitige praktische Unterstützung und regelmäßigen Erfahrungsaustausch. Welche Gesetzesänderungen wären vor diesem Hintergrund hilfreich gegen betriebsborniertes Bürokratentum?
Bis Ende der 60er Jahre mussten sich Betriebsräte alle zwei Jahre zur Wahl stellen, bis 1990 alle drei, seitdem alle vier Jahre. Räumt man ein, dass für die komplexen BR-Aufgaben Qualifikationen erforderlich sind, die nicht kurzfristig zu erlernen bzw. zu ersetzen sind und längere Wahlperioden sinnvoll machen können, dann müsste den Belegschaften zumindest die Abwahlmöglichkeit von BR-Mitgliedern oder auch des gesamten Gremiums erleichtert werden. Der § 23 BetrVG (Ausschluss eines Mitglieds oder Auflösung des BR begrenzt auf arbeitsgerichtlich zu klärende Gesetzesverstöße) schützt derzeit die BR-Mitglieder eher vor der Belegschaft als vor dem Unternehmer.
Eine weitere diskussionswürdige Forderung könnte die nach der Persönlichkeitswahl als einziger, gesetzlich verankerter Wahlform sein. Die Listenwahl bietet das entscheidende Spielfeld für Opportunisten, die den Betriebsratsposten aus persönlichen Gründen wollen, nach außen aber den knallharten Gewerkschafter mimen. Der sichere Listenplatz ist oft auch Motiv für die erbärmliche Unterordnung einzelner unter Fraktionszwänge während der Wahlperiode. Auch auf einer einzigen alphabetischen Wahlliste können sich linke Kolleginnen und Kollegen zu einem programmatischen Wahlaufruf zusammenschließen. Zudem können die Vertrauensleute im Vorfeld bereichsweise KandidatInnen zur Wahl vorschlagen, was KollegInnen auf der alphabetischen Einheitsliste ohne ein solches Votum aus ihrem Umfeld die Wahl in den BR sicherlich erschweren würde.
"Für die Wahrnehmung des Amts darf dem BR-Mitglied in keiner Weise irgendeine Vergütung zufließen, auch nicht in unmittelbarer oder versteckter Form", so der Fitting-Auffarth-Kommentar zur Ehrenamtlichkeit des BR-Amtes gemäß § 37 BetrVG. Darüber lachen sich Belegschaften in Großbetrieben wahrscheinlich schlapp. Angefangen von der Persönlichkeitsaufwertung als BR-Mitglied, mit oft interessanterer, als "wichtiger" empfundener und nicht unter ständiger Vorgesetzten-Beobachtung stehender Tätigkeit, über Normal- statt Wechselschicht, bis hin zu Lohnentwicklungen, die man als normaler Kollege, erst recht als kämpferischer Gewerkschafter nie im Leben erreicht hätte, oft noch bis zu satten Sondervergütungen für Betriebsausschussmitglieder und BR-Vorsitzende, mit Firmenwagen, Flugreisen in alle Welt etc. Betriebsräte werden mit Privilegien oft so erfolgreich zugekippt, ideologisch und materiell geködert, dass ihr Reinrutschen ins Co-Management schon fast als normal angesehen wird. Von ihrer Seite wäre ein Aufschrei der Empörung zu erwarten, wenn die Offenlegung ihrer Einkommen gefordert und ihre Abwahl durch die Belegschaft erleichtert würde. Dass führende Funktionäre in Betriebsräten und Gewerkschaften materiell mit dem Leben der normalen KollegInnen nichts mehr zu tun und damit oft auch ideologisch mit dem Kapitalismus ihren Frieden geschlossen haben, bleibt für die Linken jedoch ein notwendig zu diskutierendes Thema.
Ein weiterer Diskussionspunkt mit eventuell größerer Resonanz wäre die Stärkung der Belegschaften durch Erweiterung ihrer Rechte und Möglichkeiten über das fixierte Recht auf "Anträge an den BR und Stellungnahme zu seinen Beschlüssen" in Betriebs- und Abteilungsversammlungen hinaus (§ 45 BetrVG): "Belegschaft muss entscheiden! Mitsprache der Belegschaft bei Abschlüssen von Betriebsvereinbarungen" verlangt zum Beispiel die neugewählte Vertrauenskörperleitung bei Opel in Bochum in ihrem Infoblatt Ende letzten Jahres und erteilt dem BR den "Auftrag", für eine bestimmte Forderung Verhandlungen mit der Geschäftsleitung aufzunehmen. Hier wird eine betriebliche Gewerkschaftsarbeit reklamiert, die die Betriebsräte darauf festlegt, ihre Gewerkschafterrolle nicht nur als Fahne vor sich herzutragen, sondern ihre Alltagspraxis abhängig von und in Zusammenarbeit mit den GewerkschaftskollegInnen zu organisieren. Auf dieser Grundlage käme wohl auch eher eine lebendige Auseinandersetzung um den Gewerkschaftskurs, seine betriebliche wie nationale und internationale Ausrichtung zustande.
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