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Legalisierung plus Arbeitserlaubnis

US-Gewerkschaften fordern Amnestie für illegale Einwanderer

 

Während in Deutschland über die Greencard für Computerspezialisten diskutiert wird, fordern die Gewerkschaften in den USA ein Amnestieprogramm für die etwa sechs Millionen Einwanderer ohne Papiere, die die Grenze in den letzten Jahren illegal überquert haben. Der Beschluss des 13 Millionen Mitglieder starken Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO stellt eine Trendwende von großer Bedeutung dar. Das meint David Bacon vom Labor Immigrant Organizers Network (LION), einem Netzwerk von eingewanderten GewerkschafterInnen, aus Kalifornien. Boris Kanzleiter sprach mit ihm über die Bedeutung der Einwanderer für die Gewerkschaftsbewegung in den USA.

Der US-amerikanische Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO hat beschlossen, eine Kampagne für die Legalisierung des Aufenthaltsstatus der etwa sechs Millionen Einwanderern ohne Papiere zu führen. Was fordert AFL-CIO konkret?

Zunächst ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass die Veränderung der Position von AFL-CIO das Ergebnis des Drucks von unten ist. Eingewanderte ArbeiterInnen bilden einen großen Teil der Mitgliedschaft wichtiger Gewerkschaften. Viele Gewerkschaften hängen in wachsendem Maße von dem hohen Niveau des gewerkschaftlichen Bewusstseins und der Einsatzbereitschaft der eingewanderten ArbeiterInnen ab, um neue Mitglieder und neue Betriebe zu organisieren. GewerkschafterInnen, die sich für Einwanderer innerhalb der Organisationen einsetzten, haben jahrelang dafür gekämpft, dass die Gewerkschaften Einwanderer organisieren und ihre Interessen verteidigen sollen, statt sie auszugrenzen.

Diese AktivistInnen schrieben eine Resolution, welche die Unterstützung zahlreicher Einzelgewerkschaften im ganzen Land fand. Sie wurde auf dem Gewerkschaftstag des AFL-CIO letzten Oktober in Los Angeles eingebracht. Danach traf sich der Exekutivrat des AFL-CIO im Februar und entwickelte auf der Grundlage der Resolution eine neue Position zur Einwanderung.

Diese beinhaltet drei grundlegende Eckpfeiler: Erstens wird die Rücknahme eines Teils des Einwanderungsgesetzes von 1986 gefordert, das Unternehmen sanktioniert, die ArbeiterInnen ohne Papiere beschäftigt. Dieses Gesetz wurde damals von AFL-CIO unterstützt, aber illegalisierte die Beschäftigung von Einwanderern ohne Papiere. Zweitens fordert AFL-CIO ein neues Amnestieprogramm, durch das Einwanderer ohne Papiere einen legalen Status mit Arbeitserlaubnis bekommen sollen. Drittens soll ein neues Programm zur Aufklärung der Einwanderer über ihre Rechte aufgelegt werden.

Es ist noch nicht so lange her, dass AFL-CIO Kampagnen gegen die Nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA) führte, die einen deutlich rassistischen Unterton gegenüber MexikanerInnen enthielten. Was hat die Position von AFL-CIO verändert?

Einige Gewerkschaften führen Kampagnen gegen NAFTA und betrachteten dabei mexikanische ArbeiterInnen, sowohl in Mexiko als auch in den USA, als eine Konkurrenz um Jobs. Aber das war nicht die Position der Mehrheit der Einzelgewerkschaften im AFL-CIO und es war auch nicht die Position des Verbandes insgesamt.

Die Gewerkschaften, die sich am nachdrücklichsten gegen NAFTA aussprachen, riefen auch dazu auf, eine engere Beziehung zwischen ArbeiterInnen in Mexiko einerseits und Gewerkschaften andererseits zu entwickeln, um sich gegen niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen zur Wehr zu setzen. Vor allem, wenn diese ArbeiterInnen von Unternehmen beschäftigt werden, die auch in den USA tätig sind. Von diesen Gewerkschaften gingen einige einen Schritt weiter und riefen zur Solidarität mit mexikanischen ArbeiterInnen in den USA auf. Viele aktive GewerkschafterInnen stellten eine Verbindung her zwischen der US-Handelspolitik einerseits, welche die Löhne und Arbeitsbedingungen in Mexiko verschlechtert, und der US-Einwanderungspolitik andererseits, welche mexikanische ArbeiterInnen kriminalisiert, wenn sie in die USA kommen, weil die Lebensumstände in Mexiko so hart geworden sind.

Die Verbindung zwischen der Handels- und Einwanderungspolitik der USA war sehr wichtig für die Anstrengungen, die Einwanderungspolitik von AFL-CIO zu verändern. AktivistInnen, die versuchten, Solidarität unter ArbeiterInnen auf beiden Seiten der Grenze herzustellen, setzten sich auch für die Veränderung der Einwanderungspolitik ein. Schließlich waren auch Organisationen der Einwanderer Teil des Versuchs, die Politik zu verändern. Die Gewerkschaften, die viele Einwanderer organisieren, entwickelten eine enge Arbeitsbeziehung mit diesen Organisationen, welche auf zwei Verpflichtungen basierte. Erstens, die Versuche der Einwanderer zur Bildung von Gewerkschaften zu unterstützen, um ihre wirtschaftliche Situation zu verbessern. Zweitens, die Politik von AFL-CIO zu verändern, so dass die ArbeiterInnenbewegung Einwanderungsgesetze und eine Politik unterstützen sollte, welche die Rechte der Einwanderer verteidigen sollte, statt in ihnen Feinde zu sehen.

In den letzten Jahren wachsen die Gewerkschaften in den USA, ganz im Gegensatz zur Situation in anderen Ländern. Was sind die Gründe? Wie sieht die Bedeutung der Selbstorganisation von Einwanderern für diesen Prozess aus?

Einige Gewerkschaften wachsen. Der Verband als ganzes wuchs letztes Jahr um eine kleine Prozentzahl, das erste Nettowachstum seit Beginn der 50er Jahre. Ein Teil dieses Wachstums geht darauf zurück, dass viele Gewerkschaften die Mitgliederwerbung zur Priorität ihrer Aktivitäten gemacht haben.

In vielen Gewerkschaften spielen Einwanderer eine wichtige Rolle. Das ist insbesondere in den Branchen der Fall, in denen sie einen großen Teil der Arbeitskräfte stellen, also im Hotelbereich, in der Landwirtschaft, bei den Reinigungsunternehmen, aber auch in der Bauwirtschaft, dem Gesundheitsbereich etc. Die Löhne in diesen Branchen sind sehr niedrig, insbesondere für Einwanderer. Die Gewerkschaften in diesen Bereichen verstehen die Bedeutung der Einwanderer und versuchen, sie zu organisieren. Die AFL-CIO-Leitung wirkt darauf hin, dass Gewerkschaften sich darauf konzentrieren, die Arbeiter "von unten", also Einwanderer, ethnische Minderheiten, Frauen und Jugendliche, zu organisieren.

Viele Einwanderer kommen in die USA und haben eine lange Geschichte von Gewerkschaftsaktivismus, dies ist eine Quelle für ihr Engagement auch hier. Insgesamt betrachtet sehen die Einwanderer viel eher als die Gesamtbevölkerung in den Gewerkschaften ein wichtiges Werkzeug, um ihre Löhne und Arbeitsbedingungen zu verbessern.

In vielen Betrieben haben Einwanderer aus Eigeninitiative Organisationsanstrengungen unternommen. In den meisten Fällen suchen sie an einem bestimmten Punkt die Hilfe der bereits bestehenden Gewerkschaften. In der Regel haben sie diese Unterstützung erhalten, obwohl sie, wenn sie Gewerkschaftsmitglieder werden, oft innerhalb der Organisationen für das Recht kämpfen müssen, ihre Leitungen zu wählen und die Politik der Gewerkschaften bestimmen zu können.

Um noch einmal auf die Amnestie Kampagne von AFL-CIO zurückzukommen. Welche konkreten Schritte sind vorgesehen?

Ein erster Schritt ist die Durchführung von öffentlichen Versammlungen im ganzen Land. Dort sollen ArbeiterInnen, GewerkschafterInnen und Verbände von Einwanderern über Missbräuche gegen Einwanderer unter der gegenwärtigen Gesetzeslage und Politik berichten. Sie sind aufgefordert, Vorschläge für Veränderungen zu machen, welche die Gewerkschaften in neue Gesetzesvorlagen einbringen sollen. Es ist noch nicht klar, was nach diesen Hearings passieren wird. Ich würde allerdings sagen, dass es eine allgemeine Übereinstimmung gibt zu versuchen, große Veränderung in der Regierungspolitik herbeizuführen.

In einem Amnestieprogramm 1986 wurden in den USA drei Millionen Einwanderer ohne Papiere ein legaler Aufenthaltsstatus eingeräumt. Gleichzeitig machte es die Regierung aber schwieriger für neue Einwanderer über die Grenze zu kommen. Zeichnet sich ein ähnliches Vorgehen der nächsten Regierung ab. Was denkt AFL-CIO darüber und wie steht Ihr Netzwerk dazu?

AFL-CIO hat zu diesem Punkt noch keine Position, obwohl sie in ihrer letzten Resolution feststellt, dass die Bewegung von Menschen über die Grenzen hinweg nicht gestoppt werden kann, ohne die weltweiten wirtschaftlichen Ungleichheiten zu ändern, die die Menschen dazu zwingen, ihre Herkunftsländer zu verlassen.

In LION diskutieren wir, wie wir uns eine Amnestie vorstellen. Wir wollen nicht nur die Legalisierung der Menschen, die bereits hier sind, während diejenigen, die die Grenze morgen überqueren unter den selben Problemen leiden müssen, die die Menschen ohne Papiere heute bedrücken. Wir denken, es sollte einen Weg geben, wie die Einwanderer ihren Aufenthalt legalisieren können, nachdem sie hier angekommen sind. Der einzige Weg die illegale Einwanderung zu vermindern ist, die Möglichkeiten die Grenze legal zu überqueren auszuweiten.

 

Informationen zum Beschluss von AFL-CIO gibt es unter http://www.aflcio.org/home.htm

 

Das Interview ist erschienen in ak 438, - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis vom 16.5.2000

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