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Updated: 18.12.2012 15:51
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Die Qualle des Monats: Pascal Lamy, Kandidat der Europäischen Union für die Leitung der Welthandelsorganisation (WTO)

Alle reden von Paul Wolfowitz ­ aber wer kennt Pascal Lamy? Dieser, der US-amerikanische Chefideologe des Irakkriegs, wurde am vorigen Mittwoch zum Präsidenten der Weltbank bestellt. Jener ist Kandidat für den Posten des Generaldirektors der Welthandelsorganisation (WTO). Unbestreitbar stellt die Personalwahl des Weißen Hauses für die Weltbank ein Politikum ersten Ranges dar. Doch noch mehr Einfluss auf die Staatenwelt würde Pascal Lamy haben ­
wenn er denn gewählt wird.

Ob das klappt, muss sich im kommenden Monat entscheiden. Gute Chancen dürfte der französische "Sozialist" jedoch haben. Er hat die offizielle Unterstützung der Europäischen Union, und das Pariser Wochenmagazin 'L¹Express' fragt ihn schon mal, ob er "der Kandidat des Nordens" sei, was
er freilich dementiert. Ihm gegenüber stehen drei andere Kandidaten, davon zwei aus Lateinamerika ­ Brasilien und Uruguay -, ein dritter von der Insel Mauritius. In den letzten Wochen warb Lamy bereits in Kairo und Dakar um Unterstützung, wo die Wirtschaftsbeziehungen zur EU von hoher Bedeutung sind.

Von 1999 bis 2004 war Lamy Außenhandelskommissar der EU. Er gilt eher als kühler Technokrat, versteht sich jedoch auch aufs Einschleimen. Anlässlich der Demonstrationen gegen den EU-Gipfel in Nizza 2000 versicherte er treuherzig, er hätte gern "an beiden Veranstaltungen teilgenommen", dem Gegengipfel der Kritiker und der offiziellen Tagung, wenn sein Terminkalender es denn zugelassen hätte. Denn bei beiden suche man "nach einem Gewicht in der Welt", um eine Alternative zur US-Politik aufzubauen - auch wenn die Gegengipfler eine ziemlich andere Auffassung von der Rolle der EU hatten. Wie segensreich etwa die von Lamy geführte EU-Außenhandelspolitik wirkte, lässt sich anschaulich in dem Film "Darwins Albtraum" - derzeit ein
Kassenschlager in Frankreich - bewundern, wo man ihre Vertreter im ostafrikanischen Tanzania am Werk sieht. Dort werden Fischfilets nach Europa exportiert, die Afrikaner essen die Fischabfälle, die bereits von Maden wimmeln.

Ein Gesprächsthema für den EU-Kommissar Lamy und seine Untergebenen, im Rahmen der WTO und ihres noch anhaltenden Verhandlungszyklus über die Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs, bildete auch die Beschäftigung von Arbeitsmigranten. Auf der Grundlage des so genannten GATS-Abkommens diskutierte die EU dort etwa über das "Liberalisierungsangebot", Staatsbürger außereuropäischer Länder mit kurzfristigen Arbeitsverträgen ­ etwa für die Dauer von sechs Monaten ­ zu arbeits- und sozialrechtlichen
Bedingungen ihrer Herkunftsländer zu beschäftigen. Man stritt vor dem Hintergrund der Bolkestein-Richtlinie über Sozialdumping? Hier will man dasselbe im Weltmaßstab einführen. Die einschlägigen Verhandlungen dauern voraussichtlich noch bis 2006 an.

In einem Interview vom vorigen Freitag im Figaro, wo Lamy die renitenten Franzosen zur Annahme des EU-Verfassungsauftrags aufruft, blickt der Mann zurück: "Als ich EU-Kommissar war, verbrachte ich die Hälfte meiner Zeit außerhalb Europas. Ich weiß, was für Hoffnungen der Aufbau Europas in
Lateinamerika, Afrika und sogar in Asien weckt: Eine Welt, in der nicht nur Amerikaner, Chinesen und Inder ein Gewicht haben". In einer globalisierten "Welt von Elefanten", so Lamy, sei "Europa" von Nöten. Frei nach dem Motto: Wir basteln uns eine Großmacht. Seine Elefanten-Metapher hatte Pascal Lamy bereits 2001 schon einmal verwendet, im Interview mit L'Express. Damals äußerte er sich kritisch zur nordamerikanischen Freihandelszone, die "ein ungleiches Spiel" darstelle: "Auf der einen Seite ein Elefant, die USA, und auf der anderen Seite zwei wesentlich kleinere Tiere: Kanada und Mexiko." Das stimmt natürlich, gilt aber insbesondere auch für die Wirtschaftsbeziehungen der EU. In diesem Licht sind Lamys schöne Worte in einem weiteren Interview vom Februar auszulegen: "Bei der WTO gibt es 148 Mitgliedsländer. (...) Alle Länder sind gleichberechtigt, aber einige sind gleicher als die anderen."

Artikel von Bernhard Schmid, 6.April 2005


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