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il manifesto 4.3.2000:

Pininfarina: Im Streik gegen die Suspendierungen wegen Krankheit

Eine gedopte Fabrik für den Präsidenten

Der Führer von Federmeccanica [1] duldet keinen, der für die Rekorde untauglich ist

Gabriele Polo – Turin

Es ist ein Kräftemessen bezüglich der grundlegenden Rechte, was sich bei Pinifarina in Grugliasco abspielt. 3 Monate vor der Abstimmung über das Referndum <der Radikalen Partei /d.Ü.>, das die Kündigungsfreiheit einführen will, setzt einer seiner Hauptunterstützer und Präsident der Federmeccanica das Ziel in seiner Fabrik in die Praxis um, indem er zwei junge Arbeiter, die vom Betriebsarzt als "untauglich für die Arbeit am Band" erklärt worden sind, ohne Gehalt zu Hause läßt. Ein Willkürakt, der in keiner juristischen oder tarifvertraglichen Regelung Unterstützung findet und die Reaktion der Arbeiter und der Gewerkschaften entfesselt hat: Drei Streiks in zwei Wochen in einer Eskalation der Konfliktbereitschaft, die ihre Ursache in der Abschottung des Unternehmens und in der Botschaft findet, das dieses an die eigenen Beschäftigten sendet: Wer es am Band nicht durchhalten kann, kann nicht in der Fabrik bleiben. Der Arbeitsplatz ist der vom Unternehmen verlangten Leistung untergeordnet. Das einzige in der Werkstatt existierende Recht ist das der produktiven Funktionalität. Die Frauen und Männer sind bloß Objekte und wer dem "Auspressen nicht mehr gewachsen ist, ist nicht mehr dienlich. Mit diesen Botschaften bekommt die Auseinandersetzung, die bei Pininfarina begonnen hat, eine allgemeine Bedeutung. Sie wird zu einer Art von Prüfstein in bezug auf die Rechte des padrone wahllos zu entlassen.

Als Antwort auf die Streiks der letzten Tage hat der Betrieb für heute <Samstag, den 4.3.00 /d.Ü.> eine große Zahl von Arbeitern zur Sonderschicht kommandiert. Die RSU-Delegierten haben mit der Proklamation eines 8stündigen Streiks für die Wiedereinstellung der beiden suspendierten Arbeiter geantwortet. So dauert die Auseinandersetzung in Erwartung dessen an, was die Richter und die Inspektoren der ASL, bei denen die beiden aus der Fabrik gejagten Arbeiter Einspruch eingelegt haben, verkünden. "Nach 4 Jahren bei Pininfarina", erzählt Daniele Di Bella (27 Jahre), einer der beiden Suspendierten, "bin ich wegen einer kleinen Herzschwäche und aufgrund von Panikanfällen, die das Ergebnis der Arbeit sind, die ich mache, für untauglich erklärt worden. Durch einen Brief haben sie mich wissen lassen, daß ich 6 Monate lang ohne Gehalt zu Hause bleiben sollte, weil der Betriebsarzt erklärt hat, daß ich nicht mehr am Band arbeiten könne und das Unternehmen keine andere Aufgabe für mich hätte. Für mich und für meine Familie ist das ein Keulenschlag gewesen."

Mario Bertolo von der RSU [2] stellt das Geschehen, beginnend bei den Arbeitsbedingungen in einen allgemeineren Rahmen: "Die Unternehmensleitung von Pininfarina behauptet, daß von drei Arbeitern einer untauglich ist. Dieses Eingeständnis, das die Lebensbedingungen in der Fabrik, den Stress, die extrem hohen Geschwindigkeiten und den Niedergang was die Umwelt anbelangt entlarvt, von denen Sehnenerkrankungen und Allergien herrühren, wird vom Unternehmen benutzt, um einen Sozialdarwinismus geltend zu machen, der die Rechte derjenigen beseitigt, die arbeiten. Das ist das – noch ohne gesetzliche Unterstützung – in die Praxis umgesetzt, was passieren würde, wenn das Referendum über die Kündigungsfreiheit durchkommt. Aber es ist auch eine Form Druck auf die Politik auszuüben, um die Gesetze zu ändern, vielleicht sogar um eines einzuführen nach dem man solange ohne Gehalt zu Hause zu bleiben hat bis eine kranke Person genesen ist."

Für Giorgio Airaudo, FIOM-Sekretär [3] der Zone, "stehen wir vor einem Qualitätssprung bei dem man die Krankheit, beginnend bei den Grenzpathologien [4], die jeden treffen können, ‚tertiarisiert‘." Mit ähnlichen Aktionen machen die Unternehmen geltend, daß sie – aufgrund der Konkurrenzfähigkeit <die gewährleistet werden muß /d.Ü.> - die Kosten der Berufskrankheiten nicht mehr tragen können, weshalb sich einer entweder in die Hände der Krankenkasse begibt oder sich damit abfindet, ohne Gehalt zu Hause zu bleiben: "Wie um zu sagen" – fährt er fort - "daß man darauf abzielt eine Fabrik zu schaffen, die die maximale Flexibilität der Arbeit verlangt, aber bezüglich der Gesundheit unflexibel ist. Wer nicht perfekt ist, muß gehen." Eine "arische Fabrik", die dem totalen Opfer geweihte Übermenschen verlangt. Und wer weiß, ob nicht jemand im Namen der Produktivität daran denkt die chemischen Techniken, die im Sport so verbreitet sind, im Betrieb einzuführen, um die Leistungen zu verbessern. Kommt nach der flexiblen Fabrik die Ära der gedopten Fabrik ?

 

Übersetzung und erläuternde Fußnoten: Antifa-AG der Uni Hannover und Gewerkschaftsforum Hannover

1) Der Verband der Metallindustriellen – das italienische Gegenstück zur deutschen Gesamtmetall.

2) RSU = Einheitliche Gewerkschaftliche Vertretung = eine Mischung aus Betriebsrat und Vertrauensleutekörper, weil es beides separat in Italien nicht gibt.

3) Die FIOM ist mit ca. 350 000 Mitgliedern die größte italienische Metallergewerkschaft und gehört auch zur größten Gewerkschaftszentrale CGIL, die den regierenden Linksdemokraten nahesteht.

4) Pathologien = Krankheitsbefunde bzw. Befunde über die Ursachen von Krankheiten.


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