letzte Änderung am 30.Apr.2002

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Eingeholt

Helmut Weiss

 

Das Aufatmen war vernehmlich, denn der Protest nur kurz: Nach dem Beschluss über die verdi-Gehälter schien Frieden zu sein, wenn auch eher jener resignativen Art, der schon teuere Umzüge, Mieten und Bauten begleitet hatte.

Vergleicht mensch die dadurch verursachten Kosten mit den kräftig unterstrichenen 25 Millionen Euros für die Bildungsarbeit, dann wird letztere Summe bereits weitaus weniger beeindruckend. Von den zahllosen Seminaren in irgendwelchen Hotels gar nicht erst zu reden. Auch nicht von den teueren Mammutsitzungen, wenig erfolgreichen Werbekampagnen etc pp.

Klar muß verdi sparen, denn der Mitgliederschwund geht ja nun ungebrochen weiter. 110.000 im ersten Jahr ist auf jeden Fall eines nicht: Eine Trendwende.

Nun könnte eine Organisation auch politischen Einfluß haben, wenn ihre Zentrale, sagen wir in einem häßlichen Dorf am Mainufer wäre, oder aber auch am Neckarstrand. Und es gibt auch Gewerkschaften, die in punkto Einkommen mehr Wert darauf legen, daß ihre Funktionäre Auge in Auge mit der Mitgliedschaft sitzen, denn mit der betuchten Gegenseite.

Aufregend bunt sollte verdi werden - mal davon abgesehen, daß bunt, im Sinne von vielfältig, nur in der nicht eben unbegrenzten Phantasie von Gewerkschaftssekretären aufregend sein kann, denn für andere ist es längst:normal.

Unter vielen unbunten Einrichtungen ("wenn ich nicht mehr weiter weiss, mach ich einen Arbeitskreis") gibt es: Lenkungsausschuß Bildungsstätten, Strukturkomission, 40 Seiten Papiere zu Organisationswahlen, flammende Briefwechsel zwischen Fachbereichen: bunt ist da nur noch das Logo. Vorgeschrieben, inklusive Neigungsgrad, versteht sich - aufregend schon. Nicht magenschonend. Über das "beruhigend stark" lieber kein Wort.

Keinerlei Neuerungsansatz auch bei Krisenbewältigungsversuchen. Kürzen, streichen, outsourcen - wie jeder Betrieb. Betriebswirtschaftliche Konzepte und Argumentationen, wo es um politische Fragen geht. Und jedesmal aufs Neue wird die eben nicht geführte Debatte um Prozzo samt Palazzo wieder auftauchen - eine echt untote Debatte.

Jede und jeder wissen, daß gerade für die Jugend Bildungsstätten immer von ganz besonderer Bedeutung waren - und sind. Immer kamen dort viele nichtorganisierte hin und viele fanden den Weg. Ich möchte nicht behaupten, es sei die Hauptquelle des Zugangs junger Mitglieder, aber sicherlich eine der wichtigsten Quellen.

Andrerseits möchte ich erst gar nicht damit anfangen, aufzuzählen, wie oft Gewerkschaften ganze Jahrgänge verprellt haben: von den ersten Ausschlußverfahren der IG Chemie in den frühen 70ern, über die Neubeginn genannte Säuberungswelle der IG Metall und, und und... jede Menge Einsparungen. Jetzt sind sie auf dem besten Wege zu Seniorenvereinigungen - ohne den Charme der Grauen Panther, obwohl grau in jeder Beziehung.

Wenn es nun Bestrebungen gibt, zur Sitzung des Gewerkschaftsrates einen Ausflug nach Berlin zu organisieren, so sollte dies nachdrücklich auch von älteren KollegInnen unterstützt werden. Die Gelegenheit, örtliche Mitglieder des Gewerkschaftsrates darauf anzusprechen, sie könnten für den Erhalt der Jugendbildungsstätten stimmen und lieber anderswo sparen sollte genutzt werden.

Denn so, wie es bisher diskutiert wird, ist die Sache schon verbockt. Betrachtet mensch sich etwa das Forum auf der verdi-Jugend Page zum Thema, so kann vor allem eines schnell erkannt werden: Nachwuchsfunktionäre üben sich im Glätten. Den unzufriedenen Jungs und Madels aus den Beziorken wird das ganze Arsenal uraltbackner Argumente entgegengehalten: Wir arbeiten doch so viel, es war doch eine demokratische Entscheidung, bringt euch doch mehr ein - alles, was mensch auch schon 1971 hören konnte - vermutlich auch 1921. Austrittsdrohungen wird unglaubhaft entgegengehalten, dies sei doch kein Weg - wo es natürlich einer ist, zumindest sich überflüssigen Ärger zu ersparen. Und natürlich tritt dann - mangels Alternative - von den Aktivisten niemand aus, wohl aber ziehen sich jede Menge Menschen aus deren Umfeld zurück - und irgendwann treffen sie dann auch ins Herz, weil sie keine Beiträge mehr bezahlen. Oder sie überlegen, wie jetzt einige in Niedersachsen, zu einem wenigstens funktionierenden bürokatischen Apparat zu gehen - zur noch zweitgrößten Gewerkschaft der Welt.

Für verdi aber scheint es deutlich zu werden, wie falsch wir alle in den Debatten um die Verschmelzung lagen. Wieder mal. Gemeint ist die überflüssige Debatte, ob es nun der Gefangenenchor aus Nabucco oder der Triumphmarsch aus Aida sei, welcher das verdi Leitthema abgebe. Dabei wäre - wenn es so weitergeht - bald eine Umbenennung vorzunehmen. Nach dem Komponisten der zutreffenden Arie: "Wie eiskalt ist dies Händchen". Wer wars?

 

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