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Updated: 18.12.2012 15:51
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Die Lüge von der Chancengleichheit

Im Feuilleton der SZ schreibt heute (8.November 2011) Alex Rühle unter der Überschrift "Der Große Graben" - Nirgendwo hängt beruflicher Erfolg so sehr von der sozialen Herkunft ab wie in Deutschland - über ein Buch von Patrick Bauer "Die Parallel-Klasse - Ahmed, ich und die anderen - Die Lüge von der Chancengleichheit".

"Die Parallel-Klasse" ist deshalb so beeindruckend, weil die darin beschriebenen 30 Biographien das größte Problem deutscher Bildungspolitik eklatant belegen: In keinem anderen OECD-Land ist die soziale Vererbung so hoch wie bei uns. Wer aus einem armen Elternhaus kommt, bleibt arm - oder wie es einer der dort geschilderten "Abgehängten" ausdrückt: "Träume sind sinnlos, schau` dich um, bringt nichts".

Wer dagegen in bürgerlichen Verhältnissen aufwächst, hat gute Chancen, selbst wieder in der Mittelschicht zu landen. Oder wie es bei Bauer heißt:"Die Schüler, die in der ersten Klasse Probleme hatten mitzukommen, hatten auch nach der sechsten Klasse Probleme mitzukommen. Deswegen kamen sie in vielen Fällen nirgendwo an. Diese Schüler stammten aus Elternhäusern, die man bildungsfern und sozial schwach nennt."

Dagegen half bisher auch nicht, wenn der Berliner Bezirksbürgermeister Buschkowsky diese Unfähigkeit der deutschen Politik anprangert: "Obwohl Deutschland von allen OECD-Staaten das meiste Geld für Familienförderung aufwendet, sind andere Länder - mit ihrer Förderung - damit weitaus erfolgreicher".

Und die Folge dieser politischen Unfähigkeit ist ein enormer "Statusfatalismus" (Allensbach), wie man diese Totalresignation der "Abgehängten" auch nennen kann.

Zu Beginn des Buches regt sich Bauer noch über einen Münchner Freund auf, der (als Grünen-Wähler und Linker) sein Kind nicht an einer Schule anmelden will, wo recht viele farbige Kinder sind ("Vielleicht widerspreche ich ja meinen politischen Überzeugungen, aber ich will meine Tochter nicht opfern" - sozusagen für die Jahrzehnte verfehlter Bildungs- und Integrationspolitik).

Nach seiner 180-seitigen Spurensuche, aber steht mittlerweile für Bauer fest, dass auch er seinen Sohn nicht"opfern" wird, obwohl er noch vor einigen Monaten - schon wegen der eigenen positiven Erfahrungen von "früher" - gesagt hätte, dass er sein Kind an einer Problemschule in Neukölln anmelden wird - schon aus Prinzip. Aber die Schulen die früher eben als "Meltingpots" funktionierten, haben heute eine ganz andere Rolle bekommen: In Zeiten kollektiver Abstiegsängste wirken sie wie "soziale Zentrifugen". Eltern, die es sich leisten können, schicken ihre Kinder eben nicht mehr auf diese Schulen - und der "Rest" bleibt dann - gänzlich - unter sich!

Dabei hat die Boston Consulting Group der deutschen Bundesregierung knallhart vorgerechnet, dass ein Konzept - um diesen gewaltigen Graben zu überwinden - 5 Milliarden kosten würde (kostenlose Vorschule, frühe Sprachförderung in den Mittelpunkt der Bildungspolitik, Ganztagsschulen mit echtem pädagogischen Konzept und mehr Personal als bisher u.ä,). Aber diese Investition von heute 5 Milliarden würde sich bis 2030 voll auszahlen: 30 Milliarden Mehreinnahmen errechneten die Unternehmensberater durch zusätzliche Steuereinnahmen und den Wegfall von Sozialhilfe. (Und das ist wohl diese Studie der BCG "Standortfaktor Bildungsintegration" - Bildungschancen von Schülern mit Migrationshintergrund entscheidend für Standort Deutschland - www.bcg.de/documents/file50243.pdf externer Link pdf-Datei)

Damit die deutschen Politiker dieses Problem endlich begreifen, sollten sie dieses Buch "Die Parallel-Klasse" lesen, weil es wie in einem Brennspiegel zeigt, dass Deutschland in Sachen Bildungspolitik eine lupenreine Klassengesellschaft ist.

Kommentar von Volker Bahl vom 8.11.2011


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