Besprechung von Paul Stickley
23. September 1999, aus dem Englischen (9. September 1999)
Heute "leben mehr Sklaven, als zur Zeit des transatlantischen Sklavenmarkts aus Afrika geraubt wurden", schreibt Kevin Bales. Nach seiner Schätzung werden über 27 Millionen Menschen "gewaltsam versklavt und gegen ihren Willen zum Zweck der Ausbeutung gefangen gehalten", und ihre Zahl steigt ständig. Ein Merkmal der modernen Sklaverei besteht darin, dass die Sklaven zur Wegwerfware werden, sobald der Sklavenhalter sie nicht mehr brauchen kann.
Obwohl in allen Ländern Sklaverei verboten ist, kommt mit der Globalisierung, wie Bales erklärt, eine neue Form der Sklaverei auf. Transnationale Konzerne verlagern ihre Produktion in ihre Tochtergesellschaften und Subunternehmer in den Entwicklungsländern und "bedienen sich der Sklavenarbeit, um ihre Ausgangslage zu verbessern und die Dividenden ihrer Aktionäre zu erhöhen."
In Regionen, wo Jahrhunderte lang Sklaverei oder sklavenähnliche Traditionen existiert haben, entwickeln sich ganz neue Formen. Gewachsene Strukturen wie Familienbande oder staatliche Fürsorge brechen zusammen. Gemeindeland gerät in die Hände einer immer wohlhabenderen Elite. Für den Export bestimmte profitable landwirtschaftliche Produkte ersetzen den Anbau für die Eigenversorgung. Dadurch werden die Armen obdach- und heimatlos - sie werden Kandidaten für die Sklaverei.
Es existiert ein "Wild-West-Syndrom", in dem Sklavenhalter durch Korruption und staatliche Gewalt geschützt sind. Bales betont, dass die heutigen Sklavenhalter "alle Vorteile des Eigentums genießen, ohne seine Verpflichtungen zu haben. Tatsächlich ist es für die Sklavenhalter ein Vorteil, dass sie keine legalen Eigentumsrechte haben, denn sie üben uneingeschränkte Kontrolle aus, ohne für ihren Besitz im geringsten verantwortlich zu sein."
Im letzten Jahrhundert mussten die Sklavenhalter im amerikanischen Süden den Gegenwert von bis zu 100.000 Dollar (ca. 180.000 DM) für einen Sklaven bezahlen. Dies war ein starker Antrieb, seine Sklaven am Leben zu erhalten. Heute kann ein Sklavenhalter einen Arbeiter schon für eine so geringe Summe wie 20 Dollar (ca. 36 DM) versklaven. Es rechnet sich nicht, ihn zu behalten, wenn er keinen unmittelbaren Nutzen bringt oder wenn er krank wird.
Bales besuchte und erforschte eine Reihe von Ländern, um aus erster Hand herauszufinden, was es bedeutet ein Sklave zu sein.
Die gängige Vorstellung über Sklaverei lautet, dass man für immer darin gefangen, in sie hinein geboren oder in sie hinein verkauft wird. Es gibt einige wenige Länder, die immer noch praktizieren, was man Sklaverei des Besitzes nennt. Mauretanien ist ein solches Land.
Das Land hat 2,2 Millionen Einwohner und liegt am Westrand der Sahara in Afrika. Eisenerz - dessen Preis im Fallen begriffen ist - und Fischfang, von internationalen Fischereiflotten abgefischt, sind die Grundlagen der Wirtschaft. Die Auslandschulden betragen 2,5 Mrd. Pfund (ca. 7 Mrd. DM), das ist das fünffache der Exporteinkünfte. Das Pro- Kopf-Einkommen beträgt 480 Dollar (ca. 870 DM) und die Lebenserwartung beträgt 41 Jahre.
Der mauretanische Staat hat die Sklaverei schon oft abgeschafft, zuletzt 1980. Die Regierung gibt zu, dass Hunderttausende "Ex-Sklaven" unbezahlte Arbeit gegen Kleidung und Nahrung leisten, leugnet aber, dass es sich um Sklaverei handelt. Die Sklavenhalter argumentieren, ihre Sklaven seien gar keine richtigen Sklaven, sondern eine Art Pfand für die Entschädigung, die ihnen die Regierung nach dem Gesetz von 1980 noch schuldet. Wo ehemalige Sklaven heute in der Lage sind, ein Stück Land zu bestellen, versuchen viele Sklavenhalter, es wieder an sich zu reißen, weil sie befürchten, eine zukünftige Regierung könnte das Gesetz von 1980 tatsächlich in die Praxis umsetzen. Noch nie ist ein Sklavenhalter bestraft worden.
In Mauretanien hat eine schnelle Verstädterung stattgefunden, und die Sklaverei hat sich in die städtische Wirtschaft ausgedehnt. Nouakchott, 1960 ein Dorf mit 300 Einwohnern, ist heute die Hauptstadt und hat eine Bevölkerung, die auf 600.000 Menschen zu geht. Die meisten der Lastenträger, Verkäufer, Schmiede und Wasserverkäufer in der Stadt sind Sklaven. Jahrhunderte der Sklaverei haben sie zu einem akzeptierten Teil der Kultur werden lassen; islamische Juristen verteidigen ihre Rechtmäßig- keit nach dem Koran. Die meisten Sklaven, argumentiert Bales, sehen in ihrer Lage tatsächlich eine gewisse Sicherheit, weil es in einem derart verarmten Land sonst keine Arbeit gibt und sie nirgendwo hingehen können.
Während unabhängige Sklavenorganisationen immer noch im Untergrund arbeiten müssen, hat die mauretanische Regierung ihre eigene Menschen- rechtsorganisation gegründet, das "Nationale Komitee für den Kampf gegen die Überreste der Sklaverei in Mauretanien". Dieser Name versucht den Eindruck zu erwecken, als gäbe es nur noch kleine Überreste an Sklaverei, und die Vereinten Nationen und die westlichen Länder akzeptieren das - Bales zufolge deshalb, weil sie in Mauretanien einen Puffer gegen den islamistischen Fundamentalismus sehen.
Frankreich verteidigt den mauretanischen Polizeistaat als "demokratischste Regierung in Nordafrika".
Ein früherer Regierungsbeamter berichtete, was geschah, als eine Gruppe westlicher Experten einen Besuch ankündigte: "Ihr Besuch war mehrfach verschoben worden, weil wir noch nicht vorbereitet waren. Warum mussten wir uns vorbereiten? Wir jungen Leute waren einige Wochen vorher herangezogen worden, um der Armee oder der Polizei zu helfen, die Sklaven in andere Regionen zu schaffen und alle Spuren zu beseitigen, an denen unsere Besucher hätten Anstoß nehmen können."
In den 60er und 70er Jahren schossen riesige Slums oder Favelas wie Pilze am Rande der Großstädte in die Höhe. Zur gleichen Zeit übergab die Regierung im Bundesstaat Mato Grosso do Sul riesige Waldgebiete an transnationale Konzerne wie Nestlé und Volkswagen, die sie mit ihren Steuern verrechnen konnten. Es war geplant, dass die Firmen die Wälder abholzen, mit Eukalyptus-Bäumen neu aufforsten und das Holz an eine Papierfabrik der Regierung liefern würden. Aber diese Fabrik wurde niemals gebaut.
Jetzt setzen die Firmen Subunternehmen oder Empreitoros ein, um die Wälder abzuholzen und Holzkohle für Stahlwerke zu erzeugen. Es werden Aufseher oder Gatos (Katzen) eingesetzt, um mit Hilfe der Armen aus den Favelas Profit aus den Holzkohlemeilern zu gewinnen. Renaldo beschreibt, wie ein Gato arbeitet: "Eines Tages kam ein Gato und begann, Leute zu rekrutieren. ... Der Gato sagte, wir würden jeden Tag gute Verpflegung und außerdem noch gute Löhne erhalten. Er versprach, dass sein Lastwagen die Leute jeden Monat zurück nach Minas Gerais bringen werde, damit sie ihre Familie besuchen und ihren Lohn zu Hause abgeben könnten. Einigen gab er sogar etwas Geld, damit sie es ihren Familien geben konnten, ehe sie gingen, und sich Reiseproviant kaufen konnten.
Unterwegs sagte der Gato an den Raststätten, wo wir hielten: ,Geht in das Café und esst, soviel ihr wollt. Es geht auf meine Rechnung.` Als wir das Camp erreichten, konnten wir sehen, wie erbärmlich es war: Die Bedingungen waren nicht einmal für Tiere gut genug. Das Camp war von Männern mit Gewehren umstellt. Und dann sagte der Gato: ,Ihr schuldet mir eine Menge Geld: die Reisekosten und all das, was ihr gegessen habt, und außerdem das Geld, das ich euch für eure Familien gegeben habe, - verschwendet also keinen Gedanken daran abzuhauen.`"
Die Arbeiter sind isoliert, sie haben keinen Pfennig, sie sind eingesperrt und werden gezwungen, ihre Pässe und Arbeitspapiere auszuhändigen. Die meisten haben nach ein paar Monaten Verbrennungen und Narben, sie sind völlig erschöpft und müssen damit rechnen, an Staublunge zu sterben.
Bis zum Verbot der Regierung 1996 setzten die Gatos auch Kinder auf den Holzkohlefeldern ein. Bales schreibt, dass dies die Folge der Verweigerung amerikanischer Firmen war, weitere Investitionen zu tätigen, nachdem es bei der Ankunft des Gouverneurs von Mato Grosso in New York negative Medienberichte gegeben hatte. Daraufhin wurden viele Frauen und Kinder in den nächstgelegenen Städten ausgesetzt.
Die Regierung richtete eine Vorzeigeanlage ein, um die internationale öffentliche Meinung zu beruhigen. Aber "der Landbesitzer hielt sich den Bauch vor Lachen; seine Arbeiter produzierten weiterhin Holzkohle mit dem gewohnten hohen Profit; die Regierung bezahlte ihm Miete und baute ihm Straßen, Häuser und Scheunen auf sein Grundstück; und ausländische Hilfsorganisationen versorgten seine Arbeiter mit Nahrungsmittel und medizinischer Betreuung. Alles, was er tun musste, war, gelegentlich ausländische Besucher zu empfangen und ihnen zu versichern, um wie viel besser doch das neue System sei.
In einer Broschüre einer holländischen Firma für Sextourismus ist folgendes zu lesen: "Viele Mädchen kommen aus dem armen Nordosten des Landes und aus den Slums von Bangkok. Es ist zur Gewohnheit geworden, dass eine dieser hübschen Töchter ins Geschäft einsteigt, um Geld für die arme Familie zu verdienen. ... Sie werden den Eindruck gewinnen, dass es hier genau so leicht ist, ein Mädchen zu bekommen, wie eine Packung Zigaretten. ... Kleine Sklavinnen, die wirkliche thailändische Wärme vermitteln."
Bales lernte Siri kennen, eine 15 Jahre alte Prostituierte. Sie erklärte, "die Schmerzen ihrer Genitalien erinnerten sie an die 15 Männer, mit denen sie in der letzten Nacht Sex gehabt hatte". Siri war von ihren Eltern für 40.000 Bath (ca. 3.600 DM) an einen Vermittler verkauft worden, der in ihr Dorf kam. Der Vermittler verkaufte sie für 100.000 Bath an ein Bordell, wo man Siri sagte, dass sie 200.000 Bath schuldig sei. Siri wurde geschlagen und bis zur Unterwerfung vergewaltigt; sie muss im Monat mit 300 Männern Sex haben, nur um die 30.000 Bath Miete bezahlen zu können.
Viele Prostituierte haben HIV und kehren nur zum Sterben nach Hause zurück. Thailand hat die höchste HIV-Rate der Welt. In einigen ländlichen Gebieten sind 60 Prozent der Dorfbewohner infiziert.
Das sogenannte asiatische Wirtschaftswunder hat die Lage für Kinder wie Siri noch verschlimmert. Weil das Einkommen in der Landwirtschaft für Kleinbauern gefallen ist, ist die permanente Abwanderung von Kindern in den Süden zu einer wahren Flut geworden.
Die Prostitution wurde 1960 für illegal erklärt, aber es gibt in Bangkok bis zu einer Million Prostituierte, von denen 35.000, wie Siri, so gut wie Sklaven sind. Der Vizepremier erklärte 1980: "In den nächsten zwei Jahren brauchen wir Geld. Deswegen bitte ich alle Gouverneure, die natürlichen Schönheiten ihrer Provinzen in Betracht zu ziehen und auch bestimmte Formen der Unterhaltung, obwohl einige von Ihnen diese als abstoßend und schändlich betrachten mögen, denn wir müssen die Arbeitsplätze im Auge haben, die dadurch entstehen."
Die Bordellbetreiber missbrauchen die Mädchen, um sie zu unterwerfen, und die Polizei fängt sie wieder ein, wenn sie entfliehen. Viele Flüchtlinge aus dem benachbarten Burma und Laos arbeiten als Prostituierte in Bangkok. Wenn sie erwischt und deportiert werden, arrangiert die Polizei gewöhnlich an der Grenze ihren Wiederverkauf an die Bordellbesitzer.
Bis zu 50.000 thailändische Frauen arbeiten als Prostituierte in Japan. Viele arbeiten als exotische Tänzerinnen und Barmädchen in Europa und in den USA. Eine Bordellbetreiberin in New York bezeugte, dass sie für die 30 Frauen, die in ihrem Bordell festgehalten wurden, zwischen 6.000 und 15.000 Dollar bezahlt habe.
In Pakistan werden jährlich in 7.000 Brennöfen handgeformte Ziegelsteine produziert. Jede Brennanlage hat die Größe eines Fußballfeldes und brennt ununterbrochen vier Monate lang, wobei zwei Millionen Ziegelsteine hergestellt werden. Dieser Industriezweig setzt 750.000 Menschen ein, darunter viele Kinder, mittels eines Systems, das peshgi genannt wird und seit Jahrhunderten praktiziert wird. Der Besitzer der Brennofen leistet eine geringe Vorauszahlung an die Familie, um ihr zu ermöglichen, dass sie sich niederlässt und sich Werkzeuge und Nahrung besorgt. Die Familie verkauft dafür für eine Saison ihre Freiheit und Arbeitskraft. Sie wird für jeden hergestellten Ziegelstein bezahlt. Hat sie eine gute Woche, so verdient sie etwa 800 Rupien (ca. 28 DM), so dass sie sich Reis und Gemüse kaufen kann, um zu überleben. Jedes unvorhergesehen Ereignis - Krankheit, Heirat, Dürre - bedeutet, dass sie sich vom Brennofenbesitzer Geld leihen muss. Die meisten werden zu Dauerschuldnern, und die Schulden werden auf jede nachfolgende Generation vererbt.
Der Brennofenbesitzer Zafar Iqbal erklärte: "Die Idee war die, dass der Arbeiter nicht eine einzige überschüssige Rupie auf der Hand haben sollte, damit er nicht wegläuft. Die Ziegeleiarbeiter sind vollständig abhängig vom Willen des Besitzers. Der Besitzer und seine Schläger belästigen immer wieder die Frauen und Töchter, und ohne Einverständnis des Besitzers kann keine Heirat stattfinden. Sollte ein junger Arbeiter aufbegehren und Ärger machen, stecken sie sein Bein für eine Sekunde in den Brennofen und fügen ihm Verbrennungen zu. Das ist allgemein üblich. Dabei lassen sie die anderen Arbeiter zum Brennofen kommen und zusehen."
Ein halbes Prozent der Bevölkerung besitzt ein Drittel des Ackerlandes. Die gigantische Arbeitslosigkeit auf dem Land hat dazu geführt, dass 15 Millionen Bauern kein Land besitzen. Kinder werden entführt, um die Rückzahlung der Schulden zu erzwingen, oder sie werden selbst zur Arbeit gezwungen. Auf dem Land ist das Schulsystem praktisch zusammengebrochen. 1989 erhoben sich die Ziegeleiarbeiter und traten in den Streik, als die Saison begann. Die Besitzer der Brennöfen verdoppelten die Vergütung pro Ziegel. 1992 schuf die Regierung die Leibeigenschaft und das peshgi - System ab. Da aber peshgi die einzige Möglichkeit für die Armen ist, kurzfristig an Geld zu kommen, befinden sich heute Millionen Arbeitskräfte wieder unter Bedingungen, wie sie vor 1989 herrschten.
Bis zu 20 Millionen Menschen in Indien leben in Zinsknechtschaft. Die Situation ist noch schlimmer als in Pakistan, da es keinen Stücklohn gibt und auf die Schulden Zinsen bezahlt werden müssen.
Es gibt ein System in der Landwirtschaft, das als koliya bezeichnet wird. Ein Arbeiter gibt seine Bewegungsfreiheit auf und erhält ein Kilogramm Reis oder Weizen pro Tag und ein Stück Land, um andere Nahrungsmittel anzubauen. Shivraj, ein leibeigener Arbeiter, erklärt, wie das funktioniert: "Ich lebe schon immer hier, wie mein Vater und Großvater. Wir waren schon immer hier und haben immer für den selben Herrn gearbeitet. Als mein Vater starb, musste ich seine Schulden übernehmen: Das ist jetzt schon fast dreißig Jahre her. Als er starb, schuldete er dem Herrn 1.200 Rupien (ca. 60 DM), eine Menge Geld!" Shivraj gelang es vor drei Jahren beinahe, seine Schulden zurückzuzahlen - sie betrugen nur noch 200 Rupien (ca. 11 DM). Doch für seine nächste Ernte musste er erneut Geld leihen, um Saatgut und Dünger zu kaufen.
Die Regierung hat Programme zur Befreiung der Leibeigenen aufgelegt, aber die Landbesitzer und Politiker greifen zu Tricks und wenden jeden erdenklichen Betrug an. Shivrajs Bruder Munsi beantragte einen staatlichen Kredit, um sich selbständig zu machen. Da bezahlten die Behörden 35.000 Rupien (ca. 1.800 DM) auf das Konto seines Herrn. Heute arbeitet Munsi immer noch für diesen Herrn, nur mit dem Unterschied, dass er nun der Regierung 35.000 Rupien schuldet.
Leela ist es gelungen, sich durch ein staatliches Ausbildungsprogramm und zwei Ochsen, die sie für ihre Arbeit als Hebamme erhalten hatte, aus der Schuldknechtschaft zu befreien. Sie und ihr Mann sind jetzt Pächter und geben die Hälfte ihrer Erzeugnisse dem Landbesitzer ab. Die Regierung zählt Leute wie Leela zu den "halb-gebundenen", während jemand wie Shivraj als "gebunden" gilt, weil er unmittelbar für einen Herrn arbeitet.
Ein Großteil der Leibeigenen sind Kinder. 45.000 Kinder arbeiten zwölf Stunden täglich in Feuerwerksfabriken in Sivakasi im Staat Tamil Nadu, gegen eine bestimmte Vorauszahlung an ihre Eltern. Mädchen werden devadasi oder "mit Gott verheiratet" und kommen in Tempel, wo Priester sie als Prostituierte benutzen. Bales entdeckte, dass es immer häufiger vorkommt, dass Männer ihre Frauen als Prostituierte verkaufen, um die Heiratsschulden abzuzahlen.
Bales beschreibt in seiner Einleitung die Geschichte von Seba, einer 22-jährigen Frau aus Mali, die als Kind von einer französischen Familie nach Paris gebracht worden war. Sie arbeitete ohne Freizeit von sieben Uhr früh bis um elf Uhr nachts und wurde regelmäßig gequält. Es mag an die 3.000 Haushaltsklaven in Paris geben, und eine ähnliche Situation findet man auch in andern westlichen Großstädten.
Vieles was zur modernen Sklaverei gehört, ist hinter einer Fassade betrügerischer Arbeitsverträge versteckt und wird noch durch Einwanderungsgesetze verschlimmert, die das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Herrn und Sklaven verstärken. Als Laxmi Swami nach Jahren physischen Missbrauchs von ihrer königlich-kuwaitischen Herrschaft in London wegrannte, verletzte sie die Einwanderungsgesetze, durch welche sie verpflichtet war, das Land zu verlassen, sobald ihre Herrschaft abreiste. Das indische Hochkommissariat brachte sie zu ihrer königlichen Herrschaft zurück, weil sie sich die Heimreise nicht leisten konnte.
Im letzten Kapitel stellt Bales die Frage: "Was kann man tun?" In dem ganzen Buch führt Bales den Nachweis, dass die Globalisierung neue Formen der Sklaverei geschaffen hat, in denen die Ärmsten und verwundbarsten Schichten der Gesellschaft gefangen sind.
Internationale Vereinbarungen und nationale Gesetze sind machtlos gegen "die vereinte Stärke einer sexistischen Kultur, einer rechtfertigenden Religion, amoralischen ausbeuterischen Wirtschaftsform und korrupten Regierungen", schreibt er. Die Vereinten Nationen und die westlichen Regierungen drücken beide Augen zu, wenn es ihren Interessen dient. Das Medieninteresse ist stets nur kurzlebig.
Bales Antwort besteht darin, dass Aktivisten in Nicht-Regierungsorganisationen eine Bewegung gegen die Sklaverei aufbauen und dadurch Druck auf die Profite ausüben sollten. Geberländer sollten Entwicklungshilfe an Programme der Regierungen binden, die den Sklaven Land geben, entsprechend dem Programm "ein Maultier und vierzig Morgen Land" für die ehemaligen Sklaven in den USA (wobei letztere, wie er selber sagt, niemals etwas bekommen haben). Westliche Regierungen müssen Unternehmen stärker kontrollieren, die - auch wenn nur indirekt - von Sklavenarbeit profitieren. Die Aktivisten müssen die Verbraucher überzeugen, ein kleines Opfer zu bringen. Investoren müssen ihre Investitionsentscheidungen ethischer gestalten.
Diese Perspektive ist in sich widersprüchlich und sinnlos. Die fortgesetzte Existenz und sogar Ausbreitung der modernen Sklaverei ist der Beweis dafür, dass die Lösung nicht darin liegt, Druck auf Regierungen und Institutionen auszuüben. Die Wurzel dieses Horrors liegt in der objektiven Funktionsweise des kapitalistischen Systems.
Die global operierenden Konzerne versuchen, überall die brutalste Ausbeutung durchzusetzen, und fordern von den Regierungen, soziale Errungenschaften abzuschaffen, um die Kosten zu senken und die Profite zu erhöhen.
Die neuen Formen der Sklaverei, die Bales enthüllt, sind nur eine Äußerung dieses Prozesses - wenn auch die perverseste. Sie können nur durch eine breite antikapitalistische, soziale und politische Bewegung der Arbeiterklasse abgeschafft werden.
Entnommen aus: World Socialist Web Site
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