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Privatisierung der Arbeitsvermittlung

Von der Bundesanstalt zur Bundesagentur

Neuordnung der Bundesanstalt für Arbeit ist ein Stück Aufkündigung des Sozialstaats – betrieben von der SPD und gestützt von einer ganz großen Koalition, die von der CDU/CSU über die FDP bis zu den Grünen reicht. Die Gewerkschaften sind die einzigen, die für die Verteidigung dieses Stück Sozialstaats eintreten, und deren Position ist stark angeschlagen: durch die Liberalen und Modernisierer in den eigenen Reihen – sie reichen von Schmoldt (IG BCE) über Esser (IGM NRW) bis Schartau (IGM NRW, heute dort Arbeitsminister) – aber auch durch die Krise der Arbeitsvermittlung selbst, die stets die Ideologie geschluckt hat, für die Massenarbeitslosigkeit seien nicht fehlende Arbeitsplätze, sondern mangelnde Vermittelbarkeit verantwortlich. Vor einem Jahr noch bürdete Kanzler Schröder diese Verantwortung den Erwerbslosen auf; daß es jetzt den Arbeitsamtsbeschäftigten an den Kragen geht, ist nur eine Verlängerung derselben Logik. Die Gewerkschaften haben diese Logik nicht durchgängig übernommen, sie haben sie aber auch nicht frontal angegriffen – und bezahlen jetzt dafür.

Aufgekündigt wird durch eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung die Drittelparität in der Verwaltung der Erwerbslosigkeit. Walter Riester maßt sich an, den Verwaltungsrat zu einem Aufsichtsrat zu degradieren, der nur noch kontrollieren darf, bei der Besetzung des künftigen dreiköpfigen Vorstands, der an die Stelle des Präsidenten getreten ist, aber nichts mitzureden hat (ihn nicht zu bestätigen hat). Die Besetzung des Vorstands soll allein Sache des Bundesarbeitsminister sein. Dagegen laufen neben den Gewerkschaften auch die Unternehmer Sturm. "Damit bleibt die BA am Gängelband der Politik. Und wohin das führt, sieht man ja heute", erklärt Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände. Die Unternehmer wollen die öffentliche Hand ganz aus der Selbstverwaltung herausdrängen: Die Drittelparität habe dazu geführt, daß Reforminitiativen der Wirtschaft in den Selbstverwaltungsgremien regelmäßig an einer Koalition von Gewerkschaften und Politik gescheitert seien.

Aufgekündigt wird auch der Charakter der BA als eine öffentliche Behörde, die für die umfassende Betreuung der Erwerbslosen zuständig ist: Auszahlung von Leistungen, Qualifizierung und Vermittlung. Die angekündigten Erleichterungen für private Vermittler – bis hin zum Zugang zu den Datenbanken der BA – haben ja nicht nur zur Folge, daß die BA als nach wie vor öffentlich geführtes Unternehmen private Konkurrenz bekommt und die Erwerbslosen nun schon nach drei, statt wie im JobAqtiv-Gesetz noch vorgesehen, nach sechs Monaten, wenn gewünscht, an private Vermittler überweisen muß. Es ändert sich der Charakter der BA selbst.

Das wird zunächst an der Wortwahl deutlich: Der neue Vorsitzende, Florian Gerster, will sie umtaufen in "Bundesagentur für Arbeit" und will aus ihr ein "Dienstleistungsunternehmen" machen, dem er selbst als oberster Manager vorsteht. Das Unternehmen hat, wie jedes Privatunternehmen auch, "betriebswirtschaftlich effizient" zu arbeiten: die Vermittler werden mittels Prämien in Konkurrenz zueinander gebracht, wer die meisten Vermittlungen zustande gebracht hat. Vielleicht, warum nicht, soll es sogar Gewinn abwerfen? Jedenfalls kursiert schon die Idee, Erwerbslose müßten – gestaffelt – für eine erfolgreiche Vermittlung zur Kasse gebeten werden. Da paßt es gut, daß Gerster Vorschläge für eine "grundlegende Sanierung der Arbeitsmarktpolitik" vorbringt, als habe er selber (als Unternehmenschef) darüber zu entscheiden.

"Betriebswirtschaftlich effizient" heißt auch, daß die BA ihre Mittel selbst erwirtschaften muß: Riester hat angekündigt, den staatlichen Zuschuß zur BA von derzeit 3 Milliarden Euro im nächsten Jahr auf Null zu fahren. Spätestens dann wird sich die BA die derzeit 90.000 MitarbeiterInnen nicht mehr leisten können. Gerster will "nach der Ausgliederung aller Aufgaben, auf die verzichtet werden kann, das Kerngeschäft der Bundesanstalt mit der Hälfte des Personals erfüllen". Das trifft vor allem die Beschäftigten in den Landesarbeitsämtern; diesen droht die Auflösung.

Die Erwerbslosen heißen jetzt Kunden und all ihre persönlichen Probleme und Belastungen, die mit der Erwerbslosigkeit zusammenhängen, haben im Vermittlungsgespräch mit der "Agentur" nichts mehr zu suchen, denn jetzt sind sie nur noch Marktteilnehmer in einem Geschäft: Ich handele mit meinem Vermittler den für mich richtigen Arbeitsplatz aus. Dabei ist der Kunde aber nicht König, denn die Perspektive, aus der die BA künftig handeln soll, ist die der Wirtschaft. Die privaten Vermittler aber, mit denen die BA künftig konkurrieren soll, sehen nicht die Arbeitsuchenden, sondern in erster Linie die potenziellen Arbeitgeber als ihre Kunden an. Die Unternehmen zahlen ihnen für jeden vermittelten Mitarbeiter eine Provision in Höhe von ein bis drei Monatsgehältern.

Auf der Strecke bleiben dabei die Erwerbslosen; ihnen wird jedes Recht abgesprochen, Ansprüche an die Arbeit zu haben, die sie verrichten sollen. Und die Arbeitsamtsbeschäftigten; sie stehen vor der Perspektive, daß ihr Arbeitsplatz entweder zur Gänze gefährdet ist, oder daß sie von Betreuern zu Maklern werden.

Es gibt aus der Sicht der Erwerbslosen keinen Grund, die derzeitige Praxis der Arbeitsämter zu verteidigen. Noch weniger Grund gibt es, die Richtung der geplanten Umgestaltung zu begrüßen. Im Gegenteil. Wenn nicht der letzte Rest an Solidarprinzip in der Arbeitsverwaltung flöten gehen soll, muß es zu einer gemeinsamen Aktion von Erwerbslosen, Beschäftigten und Gewerkschaften kommen, die die Arbeitsverwaltung als eine öffentlichen Aufgabe verteidigt, die öffentlich zu finanzieren ist.

Angela Klein


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