letzte Änderung am 19. Nov. 2002

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Fortbildung übers Arbeitsamt - was mann/frau dazu wissen sollte...

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wer sich als Erwerbslose/r über Bildungsmaßnahmen weiterbilden will, die die Bundesanstalt für Arbeit und/oder deren Arbeitsämter in Zusammenarbeit mit sogenannten Bildungsträgern (also jenen, die die Bildungsmaßnahme durchführen und dafür vom Arbeitsamt Geld bekommen) anbieten, sollte zunächst mal eines beherzigen:

Holzauge, sei wachsam.

Ferner habe man als Erwerbslose/r möglichst eine Rechtschutzversicherung und/oder eine Gewerkschaftsmitgliedschaft, die beide sowohl Zivil-, wie auch Sozialrecht abdecken, denn die Teilnahme an von der Arbeitsverwaltung finanzierter "Bildungsmaßnahmen" kann schnell in ein zivil- und sozialrechtlich relevantes Abenteuer ausarten.

Denn - wie ja nun viele, viele Teilnehmer an solchen Maßnahmen quer durch alle Berufe, sowie zahlreiche Presseorgane, aber eben auch kürzlich der Bundesrechnungshof festgestellt haben, kann bei der Arbeitsverwaltung (BA und deren Arbeitsämter) jeder Depp ein Angebot für eine sogenannte Bildungsmaßnahme einreichen, der einen Gewerbeschein hat, und ein wenig gut reden und schreiben kann, und deshalb taugen viele Maßnahmen nichts und viele Teilnehmer haben dadurch eine Menge Probleme.

Obwohl es für die Arbeitsverwaltung glasklare Vorschriften gibt, unter anderem die Verordnung namens "Anforderungskatalog an Bildungsträger und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung", nach denen Bildungsangebote und deren Träger seitens der Arbeitsverwaltung genauestens auf Tauglichkeit in vielerlei Hinsicht zu überprüfen sind, schert sich die Arbeitsverwaltung in den allermeisten Fällen und seit Jahrzehnten einen Dreck um derartige Vorschriften.

Sie finanziert, auf gut Deutsch gesagt, nahezu jeden Schrott, der ihr angeboten wird - Hauptsache, möglichst viele Erwerbslose sind in solchen Maßnahmen mehr oder weniger sinnvoll untergebracht, so daß man diese Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen während der Dauer der Maßnahmen aus der sogenannten Arbeitslosenstatistik (die eh eine bodenlose Beschönigung der wahren Erwerbslosenzahlen ist) herausrechnen kann.

Vorsicht ist die Mutter erfolgreicher Fortbildungen

Grund: neben der chronischen Faulheit vieler Bedienster der BA, ihre Gesäße im Interesse der Vermeidung von Erwerbslosigkeit zu bewegen, kommt hinzu, daß die Arbeitsämtler meistens über den Tellerrand ihrer Verwaltungsausbildung hinaus nicht schauen können, und daher von den meisten Berufsbildern, für die sie ja Bildungsmaßnahmen prüfen (!) und erst dann (!) genehmigen sollen, schlichtweg keine Ahnung haben.

Krass ist das z.B. im EDV- (neudeutsch: IT-) Bereich, wo seit Jahren Bildungsmaßnahmen aufgelegt werden, die inhaltlich völlig verkorkst sind, deren Dozenten von Erwachsenbildung und von der Materie IT null Ahnung haben, wo die Bildungsträger ihre Maßnahmen mit alten Computern z.B. in abbruchreifen ehemaligen Gaststätten abhalten, und den Teilnehmern während der Maßnahme z.B. nach und nach auch noch das Mobiliar unter dem Hinter weg abgebaut wird, weil das Gebäude einer Bank gehört, und die vor dem Abriß schnell noch die halbwegs vernünftige Inneneinrichtung verhökern will...

Mieses bis völlig untaugliches Lehrmaterial, mangelhafte Unterbringung, schlechte Dozenten ohne Fachausbildung im Bereich Erwachsenenschulung, vor dem Konkurs stehende Bildungsträger usw. usw. sind keine Einzelfälle, sondern die Regel, die durch leider wenige Ausnahmen bestätigt wird.

Wichtig - Vermittlungschancen aufgrund der Maßnahme schriftlich geben lassen!

Wichtig ist zunächst einmal zu wissen, daß die deutschen Arbeitgeber höchst ungern bis gar nicht Leute nehmen, die erstens arbeitslos sind und sich zweitens über von der Arbeitsverwaltung finanzierte Bildungsmaßnahmen fortgebildet haben - was man angesichts der Mißstände im von der Arbeitsverwaltung finanzierten Bildungswesen den Arbeitgebern auch nicht übel nehmen sollte.

Interessenten an Bildungsmaßnahmen sollten sich daher zunächst einmal beim Arbeitsamt schriftlich geben lassen, daß sie, wenn sie diese oder jene von der Arbeitsverwaltung finanzierte Maßnahme antreten, sie nachweislich damit rechnen können, daß es bereits Arbeitgeber gibt, die echtes Interesse an Absolventen dieser Maßnahmen haben, und trotz aller Probleme bereit wären, den Maßnahmeteilnehmern nach erfolgreicher Absolvierung der Maßnahmen eine Chance zu geben.

Wenn das Arbeitsamt es ablehnt, so etwas schriftlich zu geben, kann man davon ausgehen, daß die Maßnahme nichts taugt, und sollte sie dann nur dann antreten, wenn man entweder nichts besseres hat, oder aber das höhere Umschulungsunterhaltsgeld mitnehmen möchte.

Prüfungsberichte

Vom Arbeitsamt sollte man sich VOR BEANTRAGUNG DER MASSNAHME und VOR VERTRAGSUNTERZEICHNUNG beim Maßnahmeträger in Kopie den Maßnahmebogen für die Bildungsmaßnahme und den Prüfungsbericht der Arbeitsverwaltung über Maßnahme und Träger vorlegen und zur Mitnahme übergeben lassen, in denen mindestens folgende Punkte detailliert ausgewiesen sein sollten, und man sollte diese auch alle nachprüfen oder nachprüfen lassen:

1. Wer ist der Maßnahmeträger (Geschäftsform, Geschäftsleitung und/oder Inhaber, Namen und Anschriften, Werdegang, Referenzen, wie lange in der Erwachsenenbildung mit welchen Erfolgen tätig)?

2. Welche nachhaltigen und nachweislichen Qualifikationen und Referenzen bringt die Geschäftsleitung des Maßnahmeträgers mit, um eine Firma für Bildungsmaßnahmen betreiben zu können?

3. Welche Qualifikationen, Ausbildungen und Referenzen haben die Dozenten (Namen und Anschriften und Nennung der Qualifikationen und Referenzen mit Anschriften) in zu schulenden Unterrichtsbereichen der Maßnahme, sind sie zudem ausgebildete Fachkräfte für Erwachsenenfortbildung und sind es Angestellte des Bildungsträgers oder sogenannte Honorarkräfte (wobei man hier wissen muß, daß Bildungsträger, die Honorarkräfte beschäftigen, meistens nichts taugen, denn die Honorarkräfte werden gewechselt wie bei sauberen Leuten die Unterhosen - nahezu täglich -

und man nimmt nur die billigsten, denn die Arbeitsverwaltung finanziert ja grundsätzlich nur den billigsten Bildungsanbieter, so daß bei Honorarkräften davon ausgegangen werden kann, daß sie weder im zu unterrichtenden Fachbereich noch in der Erwachsenenfortbildung glaubwürdige Qualifikationen und Referenzen bieten können...)

4. Wie ist das Lehrmaterial beschaffen? Hier sollte nur Lehrmaterial akzeptiert werden, daß von, im jeweiligen Unterrichtsbereich nachweislich anerkannten und namhaften Autoren erstellt wurde, die selbst entsprechende Fachausbildungen im Unterrichtsbereich und auch in der Erwachsenenfortbildung sowie bundesweite Referenzen haben müssen - wenn also ein Bildungsträger eigene Schöpfungen anbietet, sollte man grundsätzlich sehr, sehr vorsichtig sein.

5. Wie aktuell ist das Lehrmaterial? Es sollte maximal 1 Jahr alt sein oder es sollten anerkannte Standardwerke mit aktualisierten Ergänzungen sein, und wie aktuell sind ggf. für die Fortbildung notwendige technische Gerätschaften? Hat der Bildungsträger der Arbeitsverwaltung auch alle durch die Maßnahme entstehenden Kosten mitgeteilt, oder aber sollen Teilnehmer manche Dinge selber zahlen - wenn dem so ist, Finger weg!

6. Ist, bei staatlichen Abschlüssen, die gesamte Maßnahme kompatibel zur Prüfungsordnung für den staatlichen Abschluß? Dieser Nachweis muß unbedingt eingefordert werden, denn es gibt genug Beispiele dafür, daß die Arbeitsverwaltung Maßnahmen finanziert, die zu staatlichen Abschlüssen führen soll(t)en, und wo die Teilnehmer dann bei der staatlichen Prüfung aber feststell(t)en, daß sie für die Katz lern(t)en, weil das Lehrmaterial und auch die Dozenten völlig ungenügend sind, um die staatliche Prüfung zu packen...

7. Unterbringung. Es sollte eigentlich klar sein, daß ein Bildungsträger die Leute in ordentlichen Räumen mit ordentlichen ergonomischen Sitzgelegenheiten für Erwachsene (also keine Kinderschemel oder Pausenraumstühle o.ä.) unterbringt, die einen nicht unter dem Hintern weg abgebaut werden, die durchweg geheizt sind (an kalten Tagen), wo es Pausenräume gibt, und die über saubere und geschlechtergetrennte Toiletten verfügen (ja, ist kein Witz, auf so etwas muß man wirklich achten). Außerdem sollte für ausreichende kostenlose Parkmöglichkeiten für die Teilnehmer gesorgt sein, die mit Pkws kommen (müssen).

8. Kritik. Man sollte sich sowohl von der Arbeitsverwaltung als auch vom Bildungsträger schriftlich geben lassen, daß im Falle von Mängeln und diesbezüglich geäußerter, sachlicher und fundierter Kritik kein Herausmobben des/der kritischen Teilnehmer/s erfolgt, sondern daß Mängel sofort abgestellt werden, selbst, wenn das z.B. bedeutet, daß z.B. der Bildungsträger für Literatur einen Nachfinanzierungsantrag bei der Arbeitsverwaltung stellen muß.

Erfolgsquoten

Außerdem sollte man sich vom Arbeitsamt bei Maßnahmen, die schon länger laufen, die sogenannten Erfolgsquoten vorlegen und in Kopie zur Mitnahme übergeben lassen, in denen folgende Punkte stehen müssen:

1. Wie viele Teilnehmer in wie vielen Kursen haben bisher an der Maßnahme insgesamt teilgenommen, seit wann läuft die Maßnahme?

2. Wie viele dieser Teilnehmer haben das sogenannte Maßnahmeziel (also das Absolvieren der Abschlußprüfung beim Maßnahmeträger) erreicht?

3. Falls das Maßnahmeziel darauf abzielt, auf eine staatliche Abschlußprüfung vorzubereiten, sollten auch die Zahlen derjenigen Teilnehmer aus dieser Maßnahme vorliegen, die die staatliche Prüfung geschafft haben.

4. Wie viele Teilnehmer wurden aufgrund der Maßnahme (egal, ob mit staatlicher Abschlußprüfung oder nur der Prüfung des Maßnahmeträgers) nach Abschluß der Maßnahme und der Prüfungen definitiv in Arbeit vermittelt, und wie viele davon sind seit wann in Arbeit und bis heute in diesem Job beschäftigt?

Rechtsanwälte sind teuer, aber...

Verträge mit dem Maßnahmeträger sollte man grundsätzlich nur nach vorheriger Prüfung des Verträge durch einen Rechtsanwalt oder den/die Rechtssekretär/in bei der Gewerkschaft unterschreiben, wenn man selbst im Vertragsrecht nicht bewandert ist - und auch dann kann es nicht schaden, eine zweite Meinung einzuholen.

Glauben kann man in der Kirche, vom Arbeitsamt und den Bildungsträger sollte man keinerlei mündliche Zusagen, sondern nur schriftliche Bestätigungen akzeptieren.

Den bereits erwähnten "Anforderungskatalog an Bildungsträger und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung" kann man sich entweder beim örtlichen Arbeitsamt aushändigen lassen oder aber beim Bundesministerium für Arbeit in Berlin anfordern. Unsere Empfehlungen hier geben in etwas verständlicherem Deutsch das wieder, was in dem "Anforderungskatalog" steht.

Und gaaaaaanz wichtig: laßt Euch von den Leuten beim Arbeitsamt nicht abwimmeln, wenn Ihr die o.a. Infos haben wollt. Die Arbeitsverwaltung ist gesetzlich verpflichtet, über jede Bildungsmaßnahme diese o.a. Informationen zu erstellen und auch auf Anfrage herauszugeben.

Grundsätzlich empfehlen wir, zu solchen Terminen das Arbeitsamt nur in Begleitung einer nicht verwandten, aber sachkundigen Person (männlich oder weiblich, aber mit Haare auf den Zähnen und Sachkenntnis, also z.B. Rechtsanwalt, Gewerkschafts(rechts)sekretär, Mitarbeiter einer Erwerbslosen-Ini, rechtlich kundiger Bekannter o.ä. aufzusuchen.

Und noch etwas: laßt Euch nicht einschüchtern, denn es bringt nichts, das Haupt zu beugen. Die Arbeitsämtler sind für uns Erwerbslose da, und nicht um ihrer selbst willen.

 

Dieser Text, der im übrigen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, kann, unter Quellenangabe (!), gerne zum Nutzen aller weitergegeben werden

Mit freundlichen, kollegialen und sozialistischen Grüssen
Erwerbslosen-Initiative
ARCA Soziales Netzwerk e.V.
- der Vorstand -
i.A. Thomas Kallay, 1. Vorsitzender
37269 Eschwege
Tel.: 05651/754706
Fax: 01212/511439710
eMail: arca.sozial-esw@web.de

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