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Updated: 18.12.2012 15:51
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Flexibilisierung von unten: Kein Zurück zum Normalarbeitsverhältnis

Diese Versammlung wäre vor 10 Jahren undenkbar gewesen: antirassistische Gruppen waren auf Rassismus und Abschiebungspolitik konzentriert, die Gewerkschaftslinke mit sich und den Großbetrieben beschäftigt. Was ist heute anders?

Im Kapitalismus ist jede Arbeit "prekär"

Die Existenz als ArbeiterIn ist immer von materieller Unsicherheit gekennzeichnet. Insofern führt die Vorstellung, die hinter dem Begriff "Prekarisierung" steckt, in die Irre.

Aktuell wird die gesamte Bandbreite der Ausbeutung verändert, also auch das sogenannte Normalarbeitsverhältnis (NAV). Das, was im Rückblick unter dieser Normalität verstanden wird, hat immer nur für einen Teil der Klasse und nur für einen begrenzten Zeitraum gegolten. Es wurde von den Betroffenen teuer erkauft. Das ganz normale Elend des NAV schützt nicht vor prekären Lebensbedingungen.

Das NAV wird jetzt als Maßstab abgeschafft: alle möglichen Arbeitsverhältnisse werden zur Normalität erklärt, Arbeitslosenhilfe als Lohnersatz ist nicht länger am Lohn orientiert, damit wird der "Anspruchslohn" gesenkt. Ein kleiner werdender Teil der Klasse ist mittelfristig "abgesichert", ein entsprechend größer werdender Teil lebt von der Hand in den Mund.

Es macht keinen Sinn, die Unterschiede innerhalb der Ausbeutung gegeneinander zu stellen: die Übergänge sind fließend, und in der Praxis von Kämpfen stellt sich meistens heraus, dass solche Unterscheidungen nur der Gegenseite nützen.

Wer will denn schon normal sein?

Die Vorstellungen hinter dem Begriff "Prekarisierung" haben sich seit den 70er Jahren verschoben: vom Kampfbegriff gegen den lebenslangen Fabrikknast über das Schönreden der Vergangenheit zur gewerkschaftlichen Betreuung der "armen Ausgebeuteten" und zur faktischen Verteidigung der Verhältnisse in Gestalt des rheinischen Kapitalismus.

In den 70er Jahren gab es eine weitverbreitete offensive Abneigung gegen ein ganzes Leben in der Vollzeitmaloche. Arbeitslosigkeit und Löhne stiegen bis Mitte der 80er, Arbeitslosengeld etc flossen noch relativ kontinuierlich. Das Gefälle zwischen den starren Regulierungen und allgemeinen Standards der Ausbeutung und der individuellen Bereitschaft zu kurzfristigen jobs unter weniger regulären Bedingungen wurde genutzt: vom Kapital, um die Starrheit der Löhne und Bedingungen anzugreifen, von den "selbstbewusst Prekären", um ihr Bedürfnis nach weniger Arbeit und mehr Zeit zu befriedigen.

Heute gibt es eher einen Zwang zur prekären Arbeit: Die Löhne sinken auf breiter Front, die Arbeit wird intensiviert, ausgedehnt und flexibilisiert. Bezahlt werden oft nur noch die tatsächlich gearbeiteten Stunden, diese Praxis ist für viele ArbeiterInnen (nicht mehr nur für StudentInnen) inzwischen "normal". Weniger Kohle vom Staat, mehr unmittelbar prekäre jobs. Die eigenen sozialen und kollektiven Strukturen sind teilweise weggebrochen. Die repressive Seite des Sozialstaats tritt wieder deutlicher hervor, er dient der Kontrolle und der puren Existenzsicherung. Das Kapital gewinnt mehr Kontrolle über die Arbeiterklasse, kann dabei an weitverbreiteten Verhaltensweisen anknüpfen. Selbstgewählte prekäre Lebensweisen geraten an ihre materiellen Grenzen und damit in die Defensive.

Alte Sackgassen und neue Möglichkeiten

In dieser Situation erscheinen Tarifverträge, Mindestlöhne, Normalarbeitsverhältnis und Gewerkschaften attraktiv. Spätestens auf den zweiten Blick stellt sich allerdings heraus, dass all diese Einrichtungen nichts anderes tun, als die Bedingungen der Ausbeutung zu regulieren, im Zweifelsfall auch gegen die ArbeiterInnen.

Die Integration der Arbeiterklasse in den Kapitalismus ist aufgekündigt - von beiden Seiten. Der neuen Flexibilität der Arbeit steht – immer öfter – eine neue Flexibilität von Kämpfen gegenüber.

Weiterlesen und weiterdiskutieren an unserem Büchertisch und unter www.wildcat-www.de


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