Das Treffen des "Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit"
am 12.12.1999 hat sich auf die Durchführung von Pilotprojekten im Niedriglohnbereich
geeinigt und diese damit unter Zustimmung der Gewerkschaftsvertreter politisch
salonfähig gemacht.
Die AG der GewerkschafterInnen der PDS lehnt diesen Weg der politischen Förderung
des Niedriglohnsektors aus grundsätzlichen Erwägungen ab und
hält diese in den "Bündnisgesprächen" getroffenen Vereinbarungen
für falsch.
Bei der gesamten Niedriglohndiskussion geht es nicht, wie manche meinen, um
ein begrenztes Modell, sondern um das richtige "Einstiegsszenario"
in einen längerfristigen Umbau von Gesellschaft und sozialer Absicherung.
In diesem speziellen Fall stehen grundsätzliche Überlegungen der "benchmarking-Gruppe"
um Streek/Heinze im Rahmen des "Bündnisses für Arbeit
und Wettbewerbsfähigkeit" dahinter. Erklärtes Ziel dieser Ideologen
im Rahmen des "Bündnisses" und ein wichtiges Kernstück dieser
ganzen Veranstaltungsreihe ist die Förderung einer weiteren "Lohnspreizung"
und damit weiteren Absenkung der Lohnquote insgesamt.
Das entspricht auch der Positionierung der Politik der "Neuen Mitte"
im Rahmen der SPD. Es stellt sich die Frage, warum führende Gewerkschaftsvertreter
angesichts dieser erklärten Ausrichtung immer noch bei dieser Veranstaltungsreihe
mitmachen.
Neben der materiellen Absenkung der Lohnquote durch die politische Förderung des Niedriglohnsektors haben sich SPD aber auch Bündnisgrüne für die praktische Arbeitspflicht auch bei unzumutmutbaren Angeboten ausgesprochen.
So heißt es im grünen "Eckpunktepapier" von Ende März 1999: "Neuen Angeboten für Arbeitslose werden auch neue Pflichten gegenüberstehen, diese Angebote anzunehmen." (1) Mit dieser Verknüpfung von Angebot und Pflicht/Leistungskürzung bzw. Streichung befinden sich beide Regierungsparteien in Übereinstimmung.
Die Behauptung, in Deutschland fehle es an einem Niedriglohnsektor, ist empirisch nicht haltbar. Gegen die Behauptung sprechen nicht nur die unteren Tarifgruppen und die tariflichen Lohndifferenzierungen (vorhandene Lohnspreizung). Dagegen spricht auch der sich ausweitende Sektor tariffreier Beschäftigungsverhältnisse mit untertariflichen Einkommen. Und dagegen sprechen schließlich die vielfältigen neuen Beschäftigungsformen, insbesondere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, Teilzeitarbeitsverhältnisse, scheinselbständige Arbeitsverhältnisse usw.
Ein Blick auf die Verteilung der monatlichen Nettoeinkommen Erwerbstätiger zeigt, daß in Deutschland bereits ein großes Arbeitsmarktsegment existiert, in dem die Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit unter oder an der Sozialhilfeschwelle für eine/n Alleinstehende/n liegen. 1997 erzielten 22% der westdeutschen und 26% der ostdeutschen Erwerbstätigen ein monatliches Nettoeinkommen aus ihrer Erwerbstätigkeit von unter 1.400 DM. (2)
In den Nettoeinkommen enthalten sind die Einkommen aus allen Formen abhängiger Erwerbstätigkeit, also aus Teilzeit- und Vollzeitarbeitsplätzen, aus sozialversicherungspflichtigen und nicht versicherungspflichtigen.
15% der Erwerbstätigen erzielen ein monatliches Erwerbseinkommen von unter 1000 DM; ein monatliches Netto von unter 1.800 erzielten danach 30% der westdeutschen und 45% der ostdeutschen Erwerbstätigen. Für 55% der Westdeutschen und 79% der Ostdeutschen lag das monatliches Nettoeinkommen aus einer Erwerbstätigkeit 1997 unter 2.500 DM.
Diese Zahlen lassen mehrere Schlußfolgerungen zu :
Zugespitzt formuliert kann es auch so ausgedrückt werden : Wo der Niedriglohnbereich am ausgeprägtesten ist , ist auch die Arbeitslosigkeit am höchsten . Es mangelt bereits jetzt nicht an direkten und indirekten Druckmitteln auf Arbeitslose Arbeitsverhältnisse im Niedriglohnbereich anzunehmen.
Auch deshalb halten wir jede weitere politische Förderung von Niedriglohnbereichen, wie im "Bündnis" vereinbart für falsch. Hinzu kommt, daß mit einer Ausweitung dieses Bereiches nicht nur die Massenkaufkraft weiter sinkt, sondern auch die Umverteilung von unten nach oben weiter fortgesetzt wird.
Auch die Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser - als real vorhandenes Problem - wird durch die Ausweitung der Niedriglohnsektoren nicht entscheidend befördert. Sonst wäre in Ostdeutschland mit den ausgeprägtesten Niedriglohnbereichen nicht das Problem der Langszeitarbeitslosen am größten.
Unsere Kernschlußfolgerung lautet daher : Nicht der Ausbau von Niedriglohnbereichen ist die Aufgabe, sondern die breite Existenz von Niedriglöhnen ist das zu lösende Problem !
Das Entscheidende an den Niedriglohnbestrebungen der Ideologen der "Neuen
Mitte" ist sein politischer Gehalt. Es setzt auf die Mobilisierung der
Interessen der "Neuen Mitte" an einem "guten Leben" sowie
auf die (Zwang-)Mobilisierung der Arbeitssuchenden bei politischer Neutralisierung
des "gesicherten Beschäftigtenkerns."
Auch deshalb das Gerede von der "nicht ausreichenden Dienstleistungsdichte".
Im Sinne ihrer Ideolologen sollen eben mehr Dienstboten, Dienstmädchen
und Schuhputzer her.
Gegen dieses Gesellschaftsbild muß die politische Linke , müssen
aber auch die Gewerkschaften entschieden antreten.
In diesem Konflikt mit den sozialdemokratischen und bündnisgrünen Modernisierern teilt die PDS AG Betrieb & Gewerkschaft die Position der PDS-Bundestagsfraktion, die da lautet:
Es gibt keinen Grund, die Niedriglohnsektoren als Mittel gegen die Arbeitslosigkeit zu unterstützen. Es gibt dagegen etliche Gründe, gegen die Realität von Enttarifierung, Abnahme gewerkschaftlicher Handlungsmacht usw. gesetzliche Rahmenbedingungen zu setzen. In Frage kommen hierfür :
Das Projekt eines Öffentlich geförderten Beschäftigungssektors (ÖBS), das im Wesentlichen in PDS-Zusammenhängen entwickelt wurde, aber auch Verbindungen zu dem in Gewerkschaftskreisen diskutierten "dritten Sektor" aufweist kann als Alternative zur "Dienstmädchen-Gesellschaft" der "Neuen Mitte" für gesellschaftlich sinnvolle Dienstleistungen entwickelt werden.
Der ÖBS steht für ein Dienstleistungsmodell, welches bestimmte Formen des Dienens (Schuheputzen usw.) ausschließt , andere Formen sozialer Dienste dagegen alternativ, als öffentliches, egalitär zugängliches Angebot organisieren will, und zwar - z. B. hinsichtlich Entlohnung und Produktivität - mitten in der Gesellschaft und nicht abgekoppelt vom produktiven. Das ist auch im "Non-Profit-Sektor" möglich.
Der ÖBS wird nicht nur dadurch seinen Erfolg suchen müssen, daß er gesellschaftlich sinnvolle und notwendige Tätigkeit organisiert. Er muß sich, soll er sich nicht als "Billiglohnsektor der PDS" (womit er auch politisch keine Zukunft hätte) darstellen, sich auch sozial von der Dienstmädchengesellschaft der Modernisierer deutlich abheben.
Mitten in der Gesellschaft heißt für die PDS ASG Betrieb & Gewerkschaft, daß die Beschäftigten des ÖBS jeweils nach dem entsprechenden Branchentarifvertrag entlohnt werden und auch alle übrigen tariflichen Leistungen erhalten.
Aus aktuellem Anlass unterstützt die AG der GewerkschafterInnen der PDS ganz entschieden die Position der Landtagsfraktion der PDS Mecklenburg/Vorpommern, die den ÖBS-Beschäftigten 100 Prozent vom Tarif zukommen lassen will.
Für vollkommen falsch halten wir die auch von Mandatsträgern
der PDS vertretene Position, die Beschäftigten nur 80 Prozent zubilligen
will. GGf. sollen die Träger sozialer Einrichtungen die Differenz zwischen
80 und 100 Prozent aufbringen.
In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt besteht zum ersten
Mal die Chance Teilbereiche eines ÖBS zu schaffen. Sollte sich die auch
von Mandatsträgern und einzelnen Ministern der PDS vertretene Position
durchsetzen, den ÖBS-Beschäftigten nur eine Entlohnung von 80% des
Branchentarifes zukommen zu lassen würde ein weiterer Niedriglohnbereich
, diesmal mit dem Stempel PDS geschaffen. Dies würde die soziale
Ausstrahlung des ÖBS gegen Null fahren und dessen Perspektive damit beerdigen.
Anmerkungen:
(1) "Eckpunktepapier" dokumentiert in "Neues Deutschland"
vom 25. März 1999
(2) Zitiert aus "Horst Kahrs PDS-BTF-Dossier v. 28.06.1999, Quelle Statistisches
Bundesamt Mikrozensus 1997
LabourNet Germany: http://www.labournet.de/
Der virtuelle Treffpunkt der Gewerkschafts- und Betriebslinken The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace | ||
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