Offener Brief an den Kandidaten der SPD zur Bundestagswahl im Wahlbezirk Herne/Bochum-Nord,
Gerd Bollmann
Lieber Kollege Bollmann,
heute sind Details aus dem Papier der sogenannten Hartz-Bundesregierungskommission
zur Arbeitsmarktpolitik veröffentlicht worden.
Im einzelnen sieht das Kommissionspapier u.a.: Zahlung des Arbeitslosengeldes
nur noch für 1 Jahr, Zahlung der Arbeitslosenhilfe nur noch für 2
Jahre. Danach sollen die Langzeitarbeitslosen ein "Sozialgeld" erhalten, das
auf dem Niveau der heutigen Sozialhilfe liegt. Außerdem sieht der Katalog
die Abschaffung der Kinderzulagen vor. Insgesamt sollen von 40 Mrd. Euro rund
27 Mrd. Euro eingespart werden. Über 55jährige sollen aus der Statistik
des Arbeitsamtes in den "Vorruhestand" entlassen werden. Arbeitslose sollen
nach dem Prinzip der Zeitarbeit befristet an Privatfirmen "ausgeliehen" werden,
entweder gegen Geld und kostenlos zur Probe. Wer das nicht akzeptiert, hat mit
Leistungskürzungen zu rechnen.
Ich möchte diese vorgeschlagenen Maßnahmen noch nicht bewerten. Ich
gehe aber davon aus, dass sich die betroffenen Menschen angesichts dieser Vorschläge
eine eigene Meinung bilden werden.
Zur Kommission gehörte u.a. der amtierende Landesvorsitzende der SPD-NRW,
Arbeitsminister Harald Schartau, der nach außen das neue Regierungsprogramm
der Bundes-SPD vertreten muss. Im Regierungsprogramm, das vor 22 Tagen auf dem
Berliner Parteitag beschlossen wurde, steht unter Punkt 4 "Arbeitsmarkt" folgendes:
"...Die Verzahnung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Arbeitslose
ermöglicht konzentrierte Bemühungen im Interesse der Langzeitarbeitslosen
für eine bessere, schnellere Vermittlung in Beschäftigung...Deswegen
wollen wir im Rahmen der Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe keine Absenkung
der zukünftigen Leistungen auf Sozialhilfeniveau..." (SPD, Regierungsprogramm
2002-2006, S. 25).
Der hier vorliegende Widerspruch zwischen den Vorschlägen der Hartz- Bundesregierungskommission
und dem SPD-Regierungsprogramm für die nächsten 4 Jahre ist offensichtlich.
Auf diesem Weg frage ich, welche Position nach den öffentlichen Erklärungen
am 24. Juni 2002 von führenden Sozialdemokraten für die zukünftige
mögliche Regierungsarbeit gilt.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat in seinem Forderungskatalog an die nächste
Bundesregierung klar und eindeutig formuliert, dass der DGB einer Reform der
Arbeitslosen- und Sozialhilfe nur dann zustimmen kann, wenn das Leistungsniveau
für die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen Menschen nicht abgesenkt
wird.
In der Erwartung einer öffentlichen Erklärung,
verbleibe ich
mit kollegialen Grüßen
Norbert Kozicki
(stellv. DGB-Vorsitzender Herne)