letzte Änderung am 22. August 2002

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Der nachfolgenden Artikel wurde veröffentlicht in quer August 2002

Der Modellversuch

"Job-Plan" in Hamburg *

"Job-Plan" ist eines von bundesweit 28 Modellprojekten, welche durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung im Rahmen des Modell-Projektes MOZART gefördert werden. Alle Modellprojekte zielen offiziell darauf, "die Zusammenarbeit von Sozial- und Arbeitsämtern weiter zu verbessern."

Ziel von JOB-PLAN ist es, während der zweijährigen Laufzeit 12.000 Langzeitarbeitslose durch Arbeitsvermittlungsangebote oder Massnahmen nach SGB III oder BSHG aus Sozial- bzw. Arbeitslosenhilfe zu "lösen". Der Modellversuch, der ca. 19 Mio. Mark kostet, wird zu je einem Drittel vom Bundesministerium für Arbeit- und Sozialordnung, vom Arbeitsamt Hamburg und von der Freien und Hansestadt Hamburg finanziert.

Wie Job-Plan funktioniert

Die Hamburger Arbeits- und Sozialämter schreiben im Lauf des Modellversuchs (bis 31.1.2003) 12.000 langzeitarbeitslose Alhi- und SozialhilfebezieherInnen an. Alle mit "unklaren Eingliederungsperspektiven" werden in eines von sechs Assessment-Centern geschickt, wo in zwei bis drei Tagen ihre individuellen Schwächen und Stärken festgestellt werden sollen, mögliche Arbeitsfelder herausgefunden, sozialarbeiterische oder juristische Unterstützungsbedarfe festgestellt und individuelle Eingliederungspläne erstellt werden sollen.

Das Ergebnis des Assessment-Verfahrens wird dann an eine von acht Clearing-Stellen, die paritätisch mit VertreterInnen von Arbeits- und Sozialamt besetzt sind, gegeben. Dort wird es bewertet und verbindlich Massnahmen für die betreffenden Erwerbslosen festgelegt. Hierbei haben die Erwerbslosen ausdrücklich weder Mitsprache- noch Veto-Recht. Arbeits- und Sozialamt müssen diesen Eingliederungsplan dann verbindlich umsetzen. Auch hier gibt es kein Mitsprache- oder Veto-Recht der betroffenen Erwerbslosen. Wenn sie mit den für sie festgelegten Massnahmen nicht einverstanden sind, werden sie auf die "allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrens- und des Leistungsrechts" (vgl. Antwort des Senats auf die schriftliche Kleine Anfrage von REGENBOGEN, BürgerschaftsDrs. 16/6515) verwiesen.

So, wie JOB-PLAN angelegt ist, ist Schlimmes für die betroffenen Erwerbslosen befürchten.

Der eigentlich positive Ansatz, Erwerbslose "aus einer Hand" zu beraten, Arbeitsplätze oder Fortbildungsmöglichkeiten zu finden und die Fördermöglichkeiten des SGB III auch für SozialhilfebezieherInnen zugänglich zu machen, gerät durch die materiellen und politischen Rahmenbedingungen absehbar zu einem weiteren Repressionsinstrument gegen Erwerbslose.

Erwerbslose - kranke Problemfälle?

Im Projektantrag von Arbeitsamt und der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales an das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ist die Rede von "einer Erstanamnese durch Arbeits- und Sozialamt".

"Im Assessment Center werden durch ein diagnostisches Verfahren die individuellen berufs-/arbeitsbezogenen Fähigkeitsmerkmale der auserwählten Personen ermittelt". Dementsprechend sollen im Assessment-Verfahren unter anderem "Motivation, physische und psychische Konstitution, Lernweisen, Ordnungsliebe, Sauberkeit, Monotonietoleranz, Einschätzung der eigenen Person und Realitätsnähe" ermittelt werden.

Im Senatsbericht (BürgerschaftsDrs. 16/6312) heißt es außerdem:"Das Assessmentverfahren soll zum einen bei den Teilnehmenden auch eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Arbeit an sich und vor allem mit den Auswirkungen eines Arbeitsplatzes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für das eigene Leben bewirken und zum anderen auch die Hinführung zu einer eigenen Berufswegeplanungen sein, indem eigene Vorstellungen, Wünsche, Einschätzungen eigener Fähigkeiten in Einklang gebracht werden mit realistischen Angeboten und Möglichkeiten des Arbeitsmarktes."

Im Klartext: die im Assessmentverfahren befindlichen Erwerbslosen sollen mürbe gemacht werden für die Annahme vorhandener, "realistischer", mit einem Wort schlechter Arbeitsplätze.

Es gibt keine Freiwilligkeit mehr

Jede/r muß sich bei Strafe des Entzugs der Existenzgrundlage von den Assessmentcentern durchleuchten lassen. Es gibt weder in den Clearing-Stellen noch bei Arbeits- oder Sozialamt eine wirkliche Mitsprachemöglichkeit für die betroffenen Erwerbslosen. Die Bewertung der eigenen Person im Assessment-Center hängt völlig von der Fairneß oder Willkür der dort Tätigen ab.

Datenschutz

Unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten ist Job-Plan hoch problematisch, wenn man sich ansieht, wie die Einzelnen in ihrer ganzen Person durchleuchtet werden und wie fragwürdig es ist, in einem zwei- bis dreitägigen Verfahren wesentliche Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen "diagnostizieren" zu wollen. Die Betroffenen haben ja auch keine Möglichkeit eine solche "Diagnose" zu widerlegen.

Der Senat hat auf unsere kleine Anfrage (Bürgerschafts-Drs.16/6515) erklärt: "Die Berücksichtigung der Erfordernisse des Datenschutzes bei der Konzeption von Job-Plan erfolgte durch Beteiligung und Abstimmung mit dem Hamburger Datenschutzbeauftragten."

Danach ist der Assessment-Anbieter verpflichtet, die Angaben nur an Arbeits- und Sozialamt und sonst niemandem zugänglich zu machen. Nach Abschluss der Assessmenverfahren und der Abrechnung der Vergütung müssen die Daten "physisch" vernichtet werden.

Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte bestätigt dies in seinem Schreiben an den KOORDINIERUNGSAUSSCHUSS DER HAMBURGER ERWERBSLOSENGRUPPEN und weist darauf hin, dass unter anderem auch der Erhebungsbogen dahingehend überarbeitet wurde, dass zur Vermögenssituation nur die "erforderlichen" Daten erhoben werden dürfen, z.B. in Zusammenhang mit einer Lohnpfändung, Fragen zum äußeren Erscheinungsbild konkretisiert wurden, die Rubrik "Ergänzungen" am Ende des Persönlichkeitsprofils so konkretisiert wird, dass nicht willkürlich noch alles mögliche reingeschrieben wird.

Öffentliche Berichterstattung

Die Berichterstattung zu Job-Plan auf der Titelseite des Hamburger Abendblatts "12.000 Arbeitslose in Hamburg zum Test - Langzeitarbeitslose müssen zur Drei-Tage-Prüfung. Wer nicht mitmacht, wird bestraft" war grausam und machte deutlich, wohin die Reise geht. In einer aufgeputschten Wahlkampfatmosphäre, wo sich die bürgerlichen Parteien darin überschlagen, im Nachtrapp zu Schill "Kriminellen und Drückebergern" den Kampf anzusagen, wird das Modell-Projekt JOB-PLAN schnell zu einem weiteren law-and-order Projekt des Hamburger Senats.

Stefanie Katz
REGENBOGEN - Für eine neue Linke

*) Leicht gekürztes Referat von Stefanie Katz auf einer Veranstaltung der damaligen "Bürgerschaftsgruppe REGENBOGEN - Für eine neue Linke" am 20. August 2001 in Hamburg.

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