letzte Änderung am 22. August 2002

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Der nachfolgenden Artikel wurde veröffentlicht in quer August 2002

Hamburg: Armutslöhne und Zwangsdienste

Die Arbeitsmarktpolitik des neuen Rechts-Mitte-Senats *

Nach neun Monaten CDU-Schill-FDP-Koalition sind die Änderungen in der Hamburger Arbeitsmarktpolitik und die damit einhergehende Entrechtung von Erwerbslosen dramatisch. Der Hamburger Senat kürzt dieses Jahr bei steigenden Erwerbslosenzahlen 18 Mio. Euro bei der Arbeitsmarktpolitik und 8,7 Mio Euro bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und den einmaligen Leistungen der Sozialhilfe. Gleichzeitig treibt er immer mehr Menschen in die Armut, indem er die Löhne im zweiten Arbeitsmarkt auf Sozialhilfeniveau runterfährt: Durchschnittlich sinken die Löhne um 500 Euro pro Monat. Er hat das Programm "Tariflohn statt Sozialhilfe" eingestampft und Zwangsdienste nach § 19 Absatz 2 BSHG (Mehraufwandsvariante), die seit 1982 in Hamburg abgeschafft waren, wieder einführt.

Jedes Arbeitsverhältnis auf dem 2. Arbeitsmarkt ist in Hamburg künftig eine Zwangsveranstaltung zu Dumpinglöhnen. Vorrangiges Ziel ist, die betreffenden Erwerbslosen so schnell wie möglich aus dem Arbeitslosenunterstützungs- oder Sozialhilfebezug und der Arbeitslosenstatistik zu kicken.

Dazu passend wird im Rahmen des rot-grünen Hamburger Modell-Projekts "Job-Plan" (s. nachfolgender Artikel) an einer lückenlose Kontrolle von Erwerbslosen mitsamt der Erfassung von vorgeblichen Persönlichkeitsmerkmalen rumexperimentiert. In Verbindung mit dem ebenfalls rot-grünen Job-Aqtiv-Gesetz bietet dies für die Umsetzung des neuen Hamburger Kurses die besten Voraussetzungen. Der Hamburger Arbeitsamtschef Rolf STEIL ist mehr als bereit, diesen gegen Erwerbslose gerichteten Kurs mitzufahren. "Diese intensive Zuwendung führt entweder dazu, dass der Bewerber tatsächlich eine Stelle findet oder wir werden ihm so lästig, dass er sich irgendwie aus dieser Situation befreit." (STEIL in DIE ZEIT 26/2002)

Der Hamburger Arbeitsamtschef kann dementsprechend auch stolz sein auf den bundesweiten Rekord seines Amtes. Allein im vergangenen Jahr hat das Hamburger Arbeitsamt über 9.000 Sperrzeiten verhängt (HAMBURGER ABENDBLATT, 5. Juli 2002).

Die Veränderungen im Einzelnen:

Eingliederungspläne für alle

Alle, die sich neu arbeitslos melden, werden vom Arbeitsamt zu mehrtägigen Orientierungsseminaren geschickt. Dort wird ein "Bewerberprofil" und ein "Profiling-Bogen" erstellt, in welchem der Träger der Orientierungsseminare die Chancen der jeweiligen Erwerbslosen auf dem Arbeitsmarkt einschätzt. Das Arbeitsamt ‘bastelt’ daraus die mittlerweile bundesweit hinlänglich bekannten Eingliederungsvereinbarungen mit all ihren üblichen Konsequenzen.

Abbau von ABM und drastische Absenkung der Löhne - der Niedriglohnsektor lässt grüßen

ABM wird von etwa 1.900 Stellen im Jahr 2001 auf 1.500 in diesem Jahr und 1.300 Stellen im Jahr 2003 heruntergefahren. Laut interner Auskunft des Arbeitsamtes Hamburg sollen ABM und SAM "vollständig verschwinden". Das ist ein gewisser Widerspruch zum Plan der Wirtschaftsbehörde, SAM von derzeit 730 Stellen auf 800 Stellen im Jahr 2003 zu erhöhen. Früher wurden alle ABM- und SAM-Maßnahmen von der Stadt bis zur Höhe des Hamburger Tarifvertrages für öffentlich geförderte Beschäftigungsverhältnisse (etwa 80 % der maßgeblichen Branchentarife) hochfinanziert. Damit ist jetzt Schluß. Bisher weigert sich ver.di die neuen Armutslöhne am 2. Arbeitsmarkt zu tarifieren.

Ziel des Senats ist es - ganz konform mit dem Geist des Job-Aqtiv-Gesetzes -, die Plätze im 2. Arbeitsmarkt abzubauen und einen Teil der dort eingesparten Gelder als Lohnkostenzuschüsse, z.B. im Rahmen des "Hamburger Modells" (s.u.), für Arbeitsplätze im 1. Arbeitsmarkt einzusetzen.

Künftig: Zuschuss = Bruttolohn

Nach dem neuen Job-Aqtiv-Gesetz (neuer § 265a SGB III) können die vom Arbeitsamt zu leistenden Zuschüsse zur Entlohnung einer ABM-Stelle auch "in pauschalierter Form erbracht werden". Die Pauschalen betragen für eine 38,5-Stunden-Stelle "bei Tätigkeiten, für die in der Regel erforderlich ist

Auf diese Pauschalen gibt es Kofinanzierung von Wirtschafts- bzw. Sozialbehörde: in der niedrigsten Stufe 300 EUR , bei den anderen 25% der Arbeitsamtspauschale, für Anleiter 10%, für Alleinerziehende der untersten Stufe 90 EUR.

SAM-Maßnahmen bekommen vom Arbeitsamt den Festzuschuss von 1075 EUR, der dann von der Behörde je nach Eingruppierung der Beschäftigten auf Höhe der o.g. ABM-Pauschalen ergänzt wird. Diese Beträge werden von den Trägern dann mangels eigener Mittel als Gesamt-Brutto-Lohn für die Beschäftigten eingesetzt. Eine Ausnahme bilden bereits laufende Maßnahmen.

Damit liegen die Löhne bei ABM und SAM mit einem Schlag - spätestens sobald ein Kind mit zu versorgen ist - an der Armutsgrenze. Oftmals sind diese Löhne nicht höher als die bisher bezogene Arbeitslosenunterstützung. Die Beschäftigten werden damit gezwungen, zu Löhnen zu arbeiten, die weit unterhalb der geltenden Tarife auf dem ersten Arbeitsmarkt liegen und faktisch den Tatbestand des "Lohnwuchers" erfüllen (vgl. auch Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23. 5.2001, Az.: 5 AZR 527/99; s.a. diese quer, S. 7/9 im Art. zu Leiharbeit). Das Arbeitsamt weiß damit, dass es in Arbeitsverhältnisse vermittelt, die im Bereich des "Lohnwuchers" liegen. Einzig die HEILSARMEE hat bisher eine radikale Konsequenz gezogen und ihr ABM-Projekt in der Polsterei und Deko-Werkstatt geschlossen. Durch die Absenkung der Löhne sei die Bezahlung für die Beschäftigten auf Sozialhilfeniveau gesunken, so Erhardt WIESCHOLLEK von der Heilsarmee. Dies schlage auf die Motivation der Mitarbeiter, "die Arbeit erhält durch zusätzlichen Druck des Arbeitsamtes auf die Betroffenen Zwangscharakter. (…) Das machen wir nicht mit."

Schluss mit lustig: Das Konzept "Tariflohn statt Sozialhilfe" ist abgeschafft

Der mit ca. 2.000 Plätzen größte Hamburger Beschäftigungsträger HAMBURGER ARBEIT BESCHÄFTIGUNGSGESELLSCHAFT MBH (HAB), der ausschließlich SozialhilfebezieherInnen nach § 19 BSHG beschäftigt, hat sich auf Anordnung der zuständigen Senatorin Schnieber-Jastram endgültig vom Programm "Tariflohn statt Sozialhilfe" verabschiedet. Ab sofort gibt es nur noch drei Lohngruppen für die Beschäftigten der HAB:

Beschäftigte in der Funktion eines Vorarbeiters erhalten zusätzlich 55 Euro monatlich. Beschäftigte, die zwar bei der HAB eingestellt sind, aber in einem sog. Kooperationsbetrieb arbeiten, erhalten im Monat 60 Euro zusätzlich.

Zwangsdienste für SozialhilfebezieherInnen obligatorisch

Bisher galt das Prinzip der Freiwilligkeit für die Arbeitsaufnahme von Sozialhilfebeziehenden bei der HAB. Kürzungen oder Sperre der Sozialhilfe, wenn jemand nicht bei der HAB arbeiten wollte, waren bisher nicht üblich. Wegen der vergleichsweise attraktiven Arbeitsbedingungen bei der HAB waren solche Sanktionen auch nicht nötig. Im Gegenteil: es existierten lange Wartelisten. Mit Absenkung der Löhne an die Armutsgrenze ist damit natürlich Schluss und auch bei der HAB wurde der Arbeitszwang eingeführt.

Und nicht nur das: um ihre Arbeitswilligkeit unter Beweis zu stellen, müssen künftig alle, die vom Sozialamt der HAB zugewiesen werden, zunächst mehrere Monate ohne Vertrag und Sozialversicherung 38,5 Stunden am Tag für eine Mehraufwandsentschädigung von einem Euro pro Stunde zusätzlich zur Sozialhilfe schuften. Das wird dann schöngeredet als "Vorbereitungsphase".

Die HAB-Geschäftsleitung rechtfertigt die - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes unzulässige - Vollzeitbeschäftigung damit, dass die Leute eigentlich nicht vollbeschäftigt seien, da sie während ihrer Arbeitszeit ja Gänge aufs Sozialamt oder in die Kita machen dürften. Außerdem sei es im Interesse der Beschäftigten, 38,5 Stunden da zu sein, weil sie dann wenigstens ihre HVV-Karte (Hamburger Verkehrs-Verbund) bezahlen könnten.

Sonderbehandlung für Junge

"Jungerwachsene" kommen ins Programm "Arbeit sofort". Da müssen sie sechs Monate zu diesen Bedingungen antreten, ehe sie nach o.g. Lohngruppenmodell weiter bei der HAB arbeiten "können". Bei Erwachsenen ist das bereits nach drei Monaten möglich. Tatsächlich ist es so, dass die Sozialämter viel mehr Leute in eine "Vorbereitungsphase" bei der HAB zwingen, als die HAB mit ihren Kapazitäten später ins Lohngruppenmodell übernehmen kann. Lt. Hamburger Abendblatt vom 8. Juli 2002 arbeiten derzeit rund 360 Männer und Frauen für 1 Euro pro Stunde zusätzlich zur Sozialhilfe bei der HAB.

Die zugewiesenen Tätigkeiten umfassen bei den Jungerwachsenen: das Zusammenbauen von Möbeln, Gartenarbeiten in öffentlichen Parks, Arbeiten in einem Second Hand Laden, leichte Metallbearbeitung und Arbeit in einer Fahrradwerkstatt. Die Erwachsenen werden auf alle Gewerke bei der HAB verteilt: Metall, Tischlerei, Bau, Gärtnerei, Reinigung, Büro, Küche, Möbelkaufhaus u.a. Wer die zugewiesene Arbeit ablehnt, dem drohen Kürzungen von zunächst 25%, dann 40% der Sozialhilfe. Bei "anhaltender Uneinsichtigkeit" kann diese ganz gestrichen werden.

Bisher sind lt. HAMBURGER ABENDBLATT 181 der zugewiesenen Jugendlichen und 47 Erwachsene nicht zu diesem Zwangsdienst erschienen.

 

Der Eklat im Aufsichtsrat und das Stillschweigen der Betroffenen

In der Aufsichtsratssitzung der HAB, auf welcher der neue Wirtschaftsplan mit den Lohnkürzungen und der Aufgabe des alten HAB-Konzepts beschlossen wurde, kam es zu einer Kampfabstimmung. Der neue Kurs konnte nur aufgrund der Doppelstimme der HAB-Aufsichtsratschefin und Sozialsenatorin SCHNIEBER-JASTRAM durchgedrückt werden. Außer ihr hatten die Vertreter der Arbeitgeberseite mit Ausnahme der Landespastorin der Diakonie, ANNEGRETHE STOLTENBERG, sowie die Vertreterin der leitenden Angestellten auf der Arbeitnehmerseite für den neuen Kurs gestimmt. Da der Weiterbestand der HAB und die Einkommen der ca. 280 Stammbeschäftigten nicht grundsätzlich in Frage gestellt wurden und auch keine Entlassungen geplant sind, vertraten einige gewerkschaftlich organisierte HAB-MitarbeiterInnen und Teile des Betriebsrates die Auffassung "es hätte schlimmer kommen können". Dennoch stimmten die ArbeitnehmerInnenvertreter, die ver.di-Vertreter und die Landespastorin der Diakonie Annegrethe Stoltenberg gegen das Zwangs- und Armutskonzept des neuen Senats. Die Aufsichtsratssitzung endete mit einem Eklat. ANNEGRETHE STOLTENBERG trat nach ihrer Abstimmungsniederlage von ihrem Aufsichtsratsposten zurück. "Der Beschluss stellt die sozialpolitischen Grundlagen, unter denen ich in den Aufsichtsrat gegangen bin, auf den Kopf", so STOLTENBERG (TAZ vom 12.04.02).

"Gespenstisch ruhig" reagierten nach Beobachtungen HAB-interner Kritiker des neuen Konzepts die dort Beschäftigten. Nachdem es zunächst wegen eines Missverständnisses bei den "Alten" Empörung darüber gegeben hatte, dass sie für 1 Euro die Stunde arbeiten sollten, legte sich die Aufregung schnell wieder, als sich herausstellte, dass nur die "Neuen" von den drastischen Verschlechterungen betroffen sind. Angeblich seien die neuen Leute, die jetzt für 1 Euro die Stunde arbeiten müssen, aber hoch motiviert und froh, dass sie endlich zur HAB geschickt worden seien.

 

Das "Hamburger Modell"

Die Wirtschaftsbehörde führte das "Hamburger Modell" als unbürokratische Alternative zum "Mainzer Modell" parallel zu diesem ab 1. März 2002 in Hamburg ein. Es richtet sich an SozialhilfebezieherInnen, Arbeitslose ohne abgeschlossene Ausbildung, Langzeitarbeitslose und von Langzeitarbeitslosigkeit Bedrohte. Gefördert werden Arbeitsverhältnisse mit einem monatlichen Bruttolohn von höchstens 1.400 Euro (ohne Zuschuss) bei Vollzeitbeschäftigung und mehr als 325 Euro bei Teilzeitbeschäftigung. Die Förderdauer beträgt sechs Monate statt der angepeilten 36 Monate beim MAINZER MODELL.

Im Unterschied zum MAINZER MODELL werden auch die Arbeitgeber direkt subventioniert, wenn sie Billiglohn-Arbeitsplätze anbieten. Zusätzlich dazu gibt es für die Arbeitnehmer einen Qualifizierungsgutschein von 2.000 Euro, den diese in Absprache mit ihren Arbeitgebern einlösen sollen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber erhalten für den Zeitraum von sechs Monaten jeweils 250 Euro/Monat (bei Teilzeit von mindestens 15 Wochenstunden 125 Euro), die für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer steuer- und sozialversicherungsfrei sind. Falls Teilnehmer nach einem halben Jahr sozialversicherungspflichtig unbefristet weiterbeschäftigt werden, erhalten Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen zusätzlichen Zuschuss zur Deckung der Sozialversicherungsbeiträge der folgenden vier Monate in Höhe von jeweils 1.000 Euro (Teilzeit: 500 Euro).

Das Ganze soll bei angenommenen 1.000 Förderfällen im Jahr sieben Millionen Euro kosten und wird anteilig von Arbeitsamt und Wirtschaftsbehörde aus den im ABM-Bereich eingesparten Geldern finanziert. Immerhin haben lt. ver.di von März bis Juli 87 Erwerbslose nach dem "Hamburger Modell", aber nur sieben nach dem "Mainzer Modell" einen Job "in Büros, im Einzelhandel, als Taxifahrer und Gartenhelfer" gefunden.

 

Paradigmenwechsel der Arbeitsmarktpolitik unter Schwarz-Schill? - Nicht wirklich

Trotz drastischer Verschlechterungen für die betroffenen Erwerbslosen fällt es schwer, von einem Paradigmenwechsel bei der Hamburger Arbeitsmarktpolitik zu sprechen. Die Hamburger Regierung nutzt doch lediglich perfekt das rot-grüne Instrumentarium von SGB-III/Job-Aqtiv-Gesetz und "Job-Plan" zur Umsetzung ihrer Politik. Es ist völlig unsinnig, wenn derzeit aus SPD-Kreisen zu hören ist, Schwarz-Schill "mißbrauche" das Job-Aqtiv-Gesetz:

Spätestens mit den Vorschlägen der von Rot-Grün eingesetzten HARTZ-Kommission dürfte klar sein, dass es in der Bundesrepublik schon lange eine große Koalition von SPD-Grünen-CDU-CSU-FDP gibt, die sich darin einig ist, dass die Arbeitslosenunterstützung drastisch befristet und zusammengestrichen wird, das derzeitige System der Arbeitslosenversicherung zerschlagen werden soll und letztlich auch die Sozialhilfe sinken müsse.

Fast alle wesentlichen Weichenstellungen, auf denen die Arbeitsmarktpolitik von CDU-Schill-FDP in Hamburg aufbaut, wurden von Rot-Grün veranlasst. Auch in Hamburg wurde schon unter Rot-Grün die Zahl der ABM-Stellen um 3.000 abgebaut, wurden die Tarife für Jungerwachsene bei der städtischen HAB drastisch abgesenkt mit Hinweis auf die sonst nicht attraktiven Niedriglohnbereiche des 1. Arbeitsmarktes. Schon unter einer rot-grünen Sozialsenatorin wurde SozialhilfeempfängerInnen die Hilfe zum Lebensunterhalt verweigert mit Hinweis auf nichtexistente Jobs oder geringfügige Beschäftigungsverhältnisse.

Das ist also alles im Prinzip nichts Neues. Wirklich neu ist die Radikalität der Lohnsenkungen an die Sozialhilfegrenze und die Wiedereinführung von Zwangsdiensten, damit möglichst keine Sozialhilfe in Anspruch genommen wird.

 

Böses Blut

Die Situation für Erwerbslose und Sozialhilfeberechtigte in Hamburg hat sich unter der Mitte-Rechts-Koalition in Verbindung mit dem Job-Aqtiv-Gesetz dennoch drastisch verschärft. Wenn es auch kein grundlegender Richtungswechsel ist - alles geht schneller, umfassender, brutaler. Dennoch gibt es m.E. bei dieser Entwicklung eine neue Qualität. Wenn man gegen eine ganze gesellschaftliche Gruppe mit den Merkmalen "arbeitslos" und "arm" Maßnahmen derart ergreift, dass ihnen staatlicherseits nur noch Löhne weit unter Tarif und an der Armutsgrenze angeboten werden, dass solche Arbeit bei Strafe des Entzugs der Existenzgrundlage (Sperre der Arbeitslosenunterstützung bzw. Sozialhilfe) nicht abgelehnt werden darf, dass, wer Sozialhilfe beantragt, mit Zwangsdiensten zu 1 Euro/Stunde rechnen muss; dass Kontrollinstrumente bis hin zur Erstellung von "Persönlichkeitsbildern" eingesetzt werden, dann heißt das in der Summe aller Maßnahmen nichts anderes, als dass diese Leute faktisch und in der öffentlichen Wahrnehmung nicht "wie alle anderen", sondern schlechter behandelt, entrechtet werden. Da liegt doch der Schluss nahe, dass "mit denen was nicht stimmt". Die reale Benachteiligung und die Strafandrohungen suggerieren zumindest latente Kriminalität der so Bedrohten. Das sind Mechanismen der Stigmatisierung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, die auch aus der Forschung über die Ursachen von Rassismus bekannt sind. So schafft man in der öffentlichen Wahrnehmung neben Flüchtlingen, Obdachlosen, Bettlern und Junkies eine weitere Gruppen von Sündenböcken für all das, was tatsächlich oder vermeintlich schief geht in diesem Land, von Menschen, deren Existenzmöglichkeiten eingeschränkt und denen das elementare Recht auf Selbstbestimmung abgesprochen wird. Das ist nicht nur das Problem der so Diskriminierten. Auf längere Sicht wird das auch zum Problem für die demokratische Verfasstheit einer Gesellschaft. Die Rechtlosstellung bestimmter Gruppen der Bevölkerung leistet rechten und rechtspopulistischen Strömungen mit ihrem Strafbedürfnis und ihrem Bedürfnis nach einer harten Hand Vorschub.

Es ist auch dieser demokratiefeindliche Aspekt der repressiven Politik des neuen Rechts-Mitte-Senats gegen Erwerbslose und Arme, den es zu bekämpfen gilt.

Stefanie Katz, Hamburg
REGENBOGEN - Für eine neue Linke

*) Ein erster Bericht zur Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in Hamburg nach dem Wechsel von rot/grün zu schwarz/Schill/gelb in quer, Dez. 2001, S. 11 - 13.

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