letzte Änderung am 02. Dez. 2002 | |
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Kolleginnen und Kollegen,
Gestern war in der Frankfurter Rundschau zu lesen:
"Die Hartz-Reformvorschläge sind zum Abbau der Arbeitslosigkeit untauglich und verdrängen zudem die notwendigen Instrumente der Nürnberger Bundesanstalt. Diese Ansicht vertritt die Gruppe alternative Wirtschaftspolitik in einem Sondermemorandum."
Exakt das Gegenteil behauptet die Hartzkommission: Sie nimmt den Mund vier Mal so voll wie seinerzeit Bundeskanzler Schröder. Sie verbreitet die Illusion, die Arbeitslosigkeit um 2 Millionen in kurzer Zeit zu senken, wohlwissend, dass Schröder eine Senkung auch nur um 500.000 in vier Jahren Regierungszeit nicht erreicht hat.
Eigentlich gibt es genug sinnvolle Vorschläge, wie die Arbeitslosikeit reduziert werden könnte. Ich will hier mal kurz einige skizzieren:
1. Es werden jährlich 2 Milliarden Überstunden gemacht. Da die Unternehmer diese nicht freiwillig reduzieren, müsste das Arbeitszeitgesetz entsprechend geändert werden. Tatsächlich wurde in der letzten Regierungsperiode die Arbeitzeit gesetzlich noch ausgeweitet.
2. Eine Verkürzung der individuellen Arbeitszeit und eine damit verbundene Umverteilung würde Arbeitsplätze schaffen. Tatsächlich hat vorgestern der Berliner Senat die Arbeitszeit von Beamten um 2 Stunden verlängert. Das bedeutet einen zusätzlichen Abbau von Arbeitsplätzen in diesem Bereich von 5%. Und die zur Zeit diskutierte Verschiebung des Renteneintrittalters von 65 auf 67 Jahre erzielt noch einmal die gleiche Wirkung.
3. Eine Ausbildungsplatzabgabe und eine Erhöhung der Ablasszahlungen für nicht eingestellte Schwerbehinderte würde zu Einstellungen führen, oder zumindest die Finanzierung von öffentlichen Arbeitsplätzen ermöglichen.
4. Die Wiedereinführung von Vermögenssteuer würde im moderatesten Fall 8 Milliarden, realsitsich aber durchaus 26 bis 40 Milliarden Euro in die staatlichen Kassen spülen. So lautet jedenfalls das Ergebnis des Forschungsberichtes des Instituts für Wirtschaftsforschung. Damit ließe sich eine große Zahl von Arbeitsplätzen im Bereich von Infrastruktur, Bildung oder Ähnlichem schaffen.
5. Eine Erhöhung der Einkommensteuer im oberen Bereich statt der beschlossenen Absenkung und eine größere Entlastung im unteren Bereich würde die Inlandskaufkraft entsprechend steigern, was zu Wachstum und Arbeitsplätzen führt. Kräftige Lohnerhöhungen würden diesen Prozess noch unterstützen. Die riesigen Exportüberschüsse sind ein Hinweis darauf, dass die Lohnkosten in Deutschland gesamtwirtschaftlich eher zu niedrig sind.
Dies sind einige der Möglichkeiten, die meiner Ansicht nach den Unmöglichkeiten im Hartzpapier vorzuziehen sind. Ich fühle mich jedenfalls unglaublich für dumm verkauft, wenn alle diese Chancen nicht wahrgenommen werden und stattdessen eine verbesserte Arbeitsvermittlung und eine Absenkung der Löhne und damit eine Verminderung der Kaufkraft die notwendigen Arbeitsplätze schaffen soll.
Es scheint mir besonders wichtig, dass die Gewerkschaften aus der Diskussion über die einzelnen Module des Hartzpapiers aussteigen. Denn wer sich auf die Einzelheiten einlässt, akzeptiert im Grunde die Stoßrichtung und die ist arbeitnehmerfeindlich und unsozial. Das Argument, wir konnten durch unsere Mitarbeit in der Kommission das Schlimmste verhindern, ist ein Totschlagargument, was auch in diesem Fall nicht stimmt. Die Mitarbeit ist in erster Linie eine Fußangel, welche die Mobilisierung und den Kampf gegen diesen Frontalangriff auf unsere Rechte außerordentlich erschwert.
Ich möchte an dieser Stelle eine kritische Passage aus dem Fazit zu Hartz im Augustpapier des Vorstands der IG Metall zitieren:
"Bei den vorgeschlagenen Maßnahmen besteht die Gefahr, dass sie nicht zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, sondern reguläre sozialversicherungspflichtige Erwerbsarbeit substituieren. Dies gilt insbesondere für die Deregulierung kommerzieller Leiharbeit. Für die vermittlungsorientierte Zeitarbeit in Personal-serviceagenturen kann dies nicht ausgeschlossen werden. Für Ich-AGs und Familien-AGs, für die 500 Euro Jobs und die angedachte Subventionierung von Niedriglöhnen bis 1000 Euro monatlich ist die Missbrauchsgefahr groß
Die IG Metall plädiert dafür, die beschäftigungsfördernden Elemente des Kommissionsberichts zu stärken, hingegen auf Leistungskürzungen, verschärfte geografische Zumutbarkeitsregelungen und die Deregulierung der Leiharbeit und des Kündigungsschutzes sowie Einschränkungen der Tarifautonomie zu verzichten."
Dieser Kritik kann ich mich voll anschließen. Wenn nun aber ein Weg fast nur aus unüberwindlichen Stolpersteinen besteht, dann muß ein anderer Weg gefunden werden. Und für diesen anderen Weg habe ich eben ein paar Vorschläge gemacht, die zum großen Teil auch in Veröffentlichungen des DGB nachzulesen sind. Insofern verstehe ich überhaupt nicht, warum aus dieser kritischen Haltung des IG Metall-Vorstands nicht die Verabschiedung aus dem vorgeblichen Konsens erfolgt. Ein weiterer Schmusekurs mit der SPD und der Koalition ginge jedenfalls zu 100 Prozent auf unsere Kosten.
Deshalb finde ich auch den heute vorliegenden Antrag Nr.3 der Stadtteilgruppe Spandau genau richtig, dessen Kernsatz lautet:
"Der DGB-Bundesvorstand, der Vorstand der IG Metall, die Vorstände der DGB-Gewerkschaften und der Ortsvorstand der Verwaltungsstelle werden aufgefordert, die Vorschläge der Hartz-Kommission grundsätzlich zurückzuweisen und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen."
Lasst mich mit einer nicht nur zynisch gemeinten Bemerkung enden. Das Hartz-Papier hat allerdings einen Vorteil: Es richtet sich in gleicher Weise gegen Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer mit Arbeit wie solche ohne Arbeit, und bietet damit eine gute Voraussetzung für einen gemeinsamen Abwehrkampf gegen diese Zumutung.
Berlin, den 30.11.02
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