letzte Änderung am 1. August 2002

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Metaller-Arbeitslosen-Initiative
IG Metall Frankfurt, Wilhelm-Leuschner-Str. 69-77, 60329 Frankfurt am Main

An den
Vorstand der IG Metall

Hartz-Kommission macht Hatz auf Erwerbslose und Beschäftigte

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir lehnen die Pläne der soganannten Hartz-Kommission schärfstens ab und fordern euch auf, dies auch zu tun.

Die Kernpunkte der Vorschläge wenden sich gegen Beschäftigte und Arbeitslose:

 

Eine "Personal Service Agentur" soll Arbeitslose als Leiharbeiter vermitteln. Der Arbeitslose wird dies annehmen müssen, da ihm sonst nach spätestens 6 Monaten Erwerbslosigkeit eine erhebliche Absenkung der Unterstützung droht. Die Anzahl der Leiharbeiter soll von derzeit 300.000 auf über 750.000 ausgeweitet werden. Die Süddeutsche Zeitung schreibt am 25.6.2002 treffend: "Der Charme dieses Ansatzes: Die Arbeitgeber auf dem freien Markt dürften zufrieden sein, weil sie die staatlichen Leiharbeiter flexibel einsetzen können. Schwer Vermittelbare würden auch mal kostenlos auf Probe arbeiten."

Der verdi-Vorsitzende Frank Bsirske befürchtet zu recht: "Teile von Belegschaften könnten entlassen und über Leiharbeitsfirmen wieder in den Betrieb geholt werden, wie dies heute schon teilweise geschehe. Dies müsse verhindert werden." (FR 29.6.2002)

Fazit: Erwerbslose werden in Leiharbeitsverhältnisse gepresst, die Leiharbeit in den Firmen wird ausgeweitet. Dies drückt die Beschäftigungsverhältnisse und Löhne in den Betrieben nach unten und führt zur weiteren Entsolidarisierung. Fragt unsere Betriebsräte, was das bedeutet. Sie können ein Lied davon singen. Fragt unsere alten Gewerkschafter, ob dies mehr an die Einführung eines "freiwilligen" Arbeitsdienstes erinnert als an die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen.

Die geringe Arbeitslosenunterstützung zwingt viele Erwerbslose zu einem Nebenverdienst, um sich und die Familie irgendwie ernähren zu können. Sie sollen sich demnächst "selbständig" machen in einer "Ich AG", ihre "Schwarzarbeit" wird legalisiert. Sie müssen 10% ihres Einkommens versteuern und zahlen damit mehr Steuern als milliardenschwere Großkonzerne, die keinen Cent an die Staatskasse abführen. Vorteil für den Käufer der Schwarzarbeit: Er kann diese künftig von der Steuer absetzen. Die Dienstmägde der Besserverdienenden werden noch billiger. In Betrieben darf die Hälfte der Beschäftigten aus Scheinselbständigen bestehen. Reguläre Arbeitsplätze werden durch Scheinselbständige ersetzt. Frank Bsirske: "Das ist geradezu ein Frontalangriff auf reguläre Beschäftigungsverhältnisse. Damit würde ein Niedriglohn-Scheinselbständigkeitssektor eingeführt." (FR 29.6.2002)

1,4 Millionen Arbeitslosenhilfeempfänger erhalten heute im Durchschnitt eine monatliche Stütze von ungefähr 550 Euro. Die Arbeiterkammer Bremen hat errechnet, dass eine Absenkung von Arbeitslosen- auf Sozialhilfe einen Verlust von 200 bis 300 Euro monatlich ausmacht. Davon kann kein Mensch mehr leben. Millionen werden zu Bettlern gemacht. Sie sind gezungen, jede Arbeit anzunehmen. Und wir wissen, dass auf dem Bau Löhne von 3-4 Euro gezahlt werden, in der Bankenstadt Frankfurt Löhne im Dienstleistungsbereich von 5-6 Euro an der Tagesordnung sind und durch Maßnahmen wie der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe noch weiter gedrückt werden. Ebenso entfällt bei der Sozialhilfe die Zahlung von Rentenbeiträgen, die ein Arbeitslosenhilfeempfänger derzeit noch bekommt.

Die weiteren Verschärfungen der Zumutbarkeitsverordnungen zwingen Arbeitslose, die miesesten Jobs anzunehmen, jederezeit umzuziehen, in den elendsten Behausungen als Mieter unterzukommen.

Die Begrenzung des Arbeitslosengeldes auf 12 Monate, die Reduzierung des anfänglichen Arbeitslosengeldes auf 3 Stufen widersprechen dem Versicherungsgrundsatz unserer Kassen, die Beitragszahler werden um eingezahltes Geld betrogen.

Die Zahlungen an die Arbeitslosen sollen von 40 Milliarden Euro jährlich auf ganze 13 Milliarden Euro zusammengestrichen werden, weil angeblich kein Geld da ist. Wir sagen euch allerdings: Ein Land, das Krieg führt, das seinen Rüstungshaushalt um Milliarden steigert, hat genug Geld. Die Regierung soll die Kriegskasse zusammenstreichen statt Krieg zu führen gegen die Armen.

Das ganze Programm schafft keine Arbeitsplätze, sondern vernichtet tarifliche Normalarbeitsverhältnisse. Die Arbeitslosenstatistik wird sinken, nicht aber die Arbeitslosigkeit. Es ist ein Konzept, "um Druck auf die Löhne und Druck auf die Arbeitsbedingungen nach unten auszuüben" (Frank Bsirske). Es führt zur Entsolidarisierung in den Betrieben, zur Vertiefung der Spaltung von Beschäftigten und Arbeitslosen und letztlich zur Schwächung der Gewerkschaften. Wenn die Gewerkschaften den Beschäftigten und den Arbeitslosen nicht reinen Wein einschenken über die arbeiterfeindlichen Vorschläge der Hartz-Kommission, werden sie einen Vertaruensverlust erfahren, der an die Substanz geht. Darüber können sich die Kapitalbesitzer und ihre Regierung freuen. Wir werden handlungsunfähiger, unsere Gegner reicher und frecher.

Darauf laufen die Schwerpunkte der Hartz-Vorschläge hinaus. Alles andere ist ein wenig Schminke und Augenwischerei, um die Gewerkschaften einzufangen und die Öffentlichkeit zu verwirren. Überlegt nicht lange, was doch vielleicht gut an den Vorschlägen sein könnte, sondern lehnt sie rundweg ab und organisiert den Widerstand dagegen.

Wir haben lange überlegt, wie mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können und fordern euch auf, diese Forderungen in den Betrieben darzustellen, sie an die Regierung zu richten und Kampfmaßnahmen noch vor den Bundestagswahlen hierfür einzuleiten, die wir mit ganzem Herzen unterstützen:

Einstimmig verabschiedet auf der Sitzung am 2. Juli 2002

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