letzte Änderung am 11. Febr. 2003

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Wie der DGB auf Proteste reagiert - die Korrespondenz von Karlheinz Rahm


Thema: Mitteilung an Michael Sommer vom 22. Januar 2003/ Protest zu Hart z-Folgen
Datum: 05.02.2003 17:57:24 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit
Von: Martina.Hesse@Bundesvorstand.dgb.de


Sehr geehrter Herr Rahm,

vielen Dank für Ihre Mitteilung an Michael Sommer, der mich gebeten hat, Ihnen zu antworten.
Ich will das gerne tun, vielleicht gelingt es mir, einige Missdeutungen aufzuklären, die sich in Ihrer Mitteilung offenbaren.

1. Es empfiehlt sich immer sehr, zwischen dem deutlich zu unterscheiden, was irgendwelche Befugten oder Unbefugten an Vorschlägen auf den Markt bringen, und dem, was in der Tat realisiert wird. Die von der Bundesregierung in die Realisierungsphase gebrachten Maßnahmen mögen in der einen oder anderen Form heftige Kritik verdient haben, das Prädikat "Sozialabbau in reinster Form" ist darauf allerdings nicht anwendbar. Nicht zuletzt wird es der Bundesregierung von der Opposition und ihren journalistischen Helfern ja zum
Vorwurf gemacht, dass sie deren Vorschläge zum "Sozialabbau in reinster Form" nicht praktiziert, noch nicht praktiziert, wie man wohl vorsichtig feststellen muss.

2. Ich habe nicht in Erinnerung, was Herr Eichel im Handelblatt vom 21.11.2002 genau gesagt hat. Ich darf einmal vermuten, Sie haben ihn sehr verkürzt interpretiert. Zielsetzung der Bundesregierung, und das dürfte wohl auch eine Orientierung für den Bundesfinanzminister sein, ist es, durch die in Gang gesetzten Arbeitsmarktreformen die durchschnittliche Verweildauer in Arbeitslosigkeit deutlich zu reduzieren. Es ist schließlich kein unveränderlicher Zustand, dass es in Deutschland 33 Wochen dauert, bis ein Arbeitsloser wieder in Arbeit kommt, in EU-Europa 22 Wochen und in Österreich 11 Wochen. Wenn es zu einer schnelleren und effizienteren Vermittlung kommt, wäre trotz reduzierter Leistung pro Monat der reale Einkommensverlust eines Arbeitslosen deutlich geringer als derzeit. Dies
anzustreben halte ich nicht für Sozialabbau. Im Gegenteil.

3. Ihre Kritik an der einseitigen Bevorzugung der "Habenden" - wie sie sagen - wird auch von den Gewerkschaften geteilt. Ausweislich der Wahlergebisse vom 2. Februar sind wir und Sie mit dieser Kritik aber leider nicht mehrheitsfähig, noch nicht mehrheitsfähig, wie ich hoffe. Wir arbeiten daran und sind darauf angewiesen, dass Sie uns im Rahmen Ihrer Möglichkeiten dabei unterstützen.

4. Seien Sie etwas vorsichtiger, die Sozialdemokraten so pauschal "zum Handlanger des Kapitals" abzustempeln. Bei allem Eifer des Kritikers, sollte er doch auch beachten, dass er sich durch eine solch überzogene Kritik nicht selber entwertet.

5. Es gibt keinen Nachweis dafür, dass die gesteigerte Dosis an Verbalradikalität den Gewerkschaften eine höhere argumentative Durchsetzungskraft vermittelt als das leider mühevolle Insistieren auf die argumentative Auseinandersetzung. Insofern halte ich viel davon, unsere Kritik, die ja zum Teil auch die Ihre ist, in Argumenten und Formen
vorzutragen, die in der Öffentlichkeit verstanden werden.

Auch deshalb hilft es uns wenig, uns über "dreister werdende Forderungen der Unternehmerverbände" nur zu empören. Es kommt darauf an, sie zu widerlegen und unsere eigenen Initiativen mehrheitsfähig zu machen. Wir arbeiten daran, helfen Sie mit.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hans-Joachim Schabedoth
Grundsatzabteilung


Thema: Danke fuer die Antwort, aber.......
Datum: 06.02.2003
An: michael.sommer@bundesvorstand.dgb.de


Sehr geehrter Herr Sommer,

ich danke Ihnen für die Antwort (s. Anhang) auf meinen Protestbrief gegen die Hartz-Folgen. Dies hat man selten, dass so detaliert und nicht einfach in einem Formbrief bzw. geantwortet wird.

Ein Wehrmutstropfen ist dabei. Die schulmeisterische, belehrende Art und Weise habe ich sehr schmerzlich empfunden.

Ein Protestbrief  kann aus meiner Sicht nur überspitzt formuliert werden. Ob Herr Dr. Schabedoth sich noch in einen Langzeitarbeitslosen versetzen kann der schon zig  Bewerbung mit 54 Jahren geschrieben hat (ohne Erfolg) glaube ich nicht.

Seine Argumentation zu der Vermittlungsgeschwindigkeit (Punkt 2) ist für mich erschreckend. Herr Eichel nimmt uns also das Geld nur um uns schneller in Lohn und Brot zu bringen?  Kein Sozialabbau?

Hier wird gegen die Arbeitslosen gehandelt und das muss doch ein Gewerkschaftler erkennen. Was hat eine Vermittlungsgeschwindigkeit mit Geldkürzungen zu tun?  Also doch Faulenzer !? Vermitteln auf Arbeitsplätze die nicht vorhanden sind? Ich verstehe dies nicht.

Bei mir wird durch Streichung der Freibeträge die Alhi um ca. 200,- € beim nächsten Bescheid gekürzt. Bekomme ich dann endlich einen Arbeitsplatz?

Man drängt uns förmlich den Unternehmern für die Billigarbeit auf. Meine Protestmöglichkeit dagegen war die Regelung, dass ich nur in Höhe der Ahli  nicht jede aber auch jede Arbeit annehmen muss. Der Level ist nun auch  gesenkt. Das letztes Angebot durch das Arbeitsamt war eine Stelle für 900,- € Brutto. Das nächste Angebot muss ich in dieser Höhe und darunter annehemen. Zum Sterben zu viel zum Leben zu wenig!

Hauptsache die Vermittlungsgeschwindigkeit ist erhöht. Entlassen Sie Herr Dr. Schabedoth, damit er das Gefühl für Arbeitslose bekommt und deren Probleme wieder verarbeiten kann:))

Nein, so gewinnen Sie keine Mitstreiter und solche Menschen wie ich, fühlen sich durch die Gewerkschaften und einem Herrn Schröder verlassen, verraten und verkauft.

Haben Sie bei Christiansen gesehen wie ein Herr Bsirske von einem Herrn Merz angegangen wurde? Solche Vertreter wie ein Herr Merz verstehen nur noch Barikaden und diese müssen gebaut werden, um in diesem Land die Verteilung zu Gunsten der Reichen zu beenden.

Nochmals vielen Dank für die Antwort und ich wünsche Ihnen viel Kraft für Ihre schwierige Aufgabe.

Mit freundlichen Grüßen
Rahm

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