letzte Änderung am 29. Okt. 2002

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Heinz Klee, Praunheimer Weg 113, 60439 Frankfurt am Main, Tel. + Fax: 069-57 84 46
Vorsitzender der Metaller-Arbeitslosen-Initiative der IGM-Vst. Frankfurt/Main, für die Erwerbslosen im Ortsvorstand der IG Metall, Vst. Frankfurt am Main
e-mail: rainer.herth@t-online.de

Die Hartz-Vorschläge müssen vom Tisch

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Bundestagswahl ist gelaufen, unsere Probleme und Forderungen sind geblieben.

Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit präsentiert die neue Bundesregierung einen 343 Seiten dicken Katalog, der unter dem Titel "Hartz-Vorschläge" bekannt geworden ist. Zur Durchsetzung der Hartz-Pläne wurde eigens ein Superministerium mit Minister Clement geschaffen, das die Pläne der Hartz-Kommission 1:1 umsetzen soll, wie Kanzler Schröder uns androht.

Um es vorweg zu sagen: Keiner der Vorschläge ist geeignet, mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Die Gesamtheit der Vorschläge ist geeignet, das Arbeitsrecht auszuhebeln, das Lohnniveau zu drücken und die Not vieler Erwerbsloser zu vergrößern.

Diese Pläne der Hartz-Kommission werden von vielen Gewerkschaftskollegen völlig unterschätzt, die meisten konnten sich das ganze Bündel noch nicht durchlesen. Dort aber sind Angriffe auf die Beschäftigten niedergeschrieben, die vieles in Frage stellen und abschaffen wollen, was wir uns in Jahrzehnten, ja man muß sagen, in Jahrhunderten erkämpft haben. Die Zustimmung der Gewerkschaften zu den Hartz-Vorschlägen oder auch nur die kampflose Hinnahme wird der Gewerkschaftsbewegung schwere Schäden zufügen.

Da der Kampf gegen die Hartz-Pläne so wichtig ist, lege euch eine kleine Übersicht über die wichtigsten Punkte aus dem Hartz-Papier mit Original-Zitaten bei, die von mir zusammengestellt wurden.

Aus Metallbetrieben und Verwaltungsstellen gibt es Stellungnahmen gegen die Hartz-Pläne, die im Anhang beiliegen. Es gilt, in den VK über die Hartz-Vorschläge zu sprechen und die Belegschaften darüber aufzuklären.

Ganz entscheidend sind Resolutionen der VKL/VK an den Vorstand der IG Metall mit der Aufforderung, die Vorschläge der Hartz-Kommission rundweg abzulehnen und den Kampf mit allen gewerkschaftlichen Mitteln dagegen zu organisieren.

Kolleginnen und Kollegen,

unsere Existenz und die unserer Organisation steht auf dem Spiel. Nutzt die Zeit bis zu den Lesungen im Bundestag im Januar bzw. März 2003.

Lasst mir eure Erklärungen und Resolutionen zukommen, damit ich sie weiter verbreiten kann und weitere VK in den Kampf einbezogen werden. Jederzeit bin ich bereit, in euren VKL und VK, auf euren Sitzungen über die Vorschläge der Hartz-Kommission zu referieren.

Mit kollegialen Grüßen
Heinz Klee
21.10.2002


Bericht der Hartz-Kommission

Kurze Darstellung

Die Ergebnisse der Hartz-Kommission stellen einen schweren Angriff gegen die Beschäftigten und ihre Rechte dar und richten sich erst in zweiter Linie gegen die Erwerbslosen.

Die folgenden Zitate sind dem vollständigen Bericht der Kommission entnommen, der den Titel trägt: "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" (343 Seiten).

Mitglieder der Kommission sind wichtige Vertreter großer Monopole:

sowie für Gewerkschafter nicht ganz unwesentlich:

Kanzler Schröder erklärt, den Bericht der Hartz-Kommission 1:1 umsetzen zu wollen.

Zu diesem Zweck wird ein Superministerium Wirtschaft und Arbeit geschaffen mit dem Minister Clement an der Spitze. Von dem neuen Ministerium "müssen Hunderte neue Gesetze formuliert werden" (Süddeutsche Zeitung vom 8.10.2002)

Die erste Lesung im Bundestag soll im März 2003 stattfinden.

 

Es folgen wesentliche Vorschläge der Hartz-Kommission.


Leiharbeit/Sklavenarbeit in PSA (PersonalServiceAgentur)

Die Kommission erklärt ganz offen die Ausweitung der Leiharbeit zum Schwerpunkt ihrer Vorschläge:

"Das Herzstück des Kommissionsvorschlags sind die PersonalServiceAgenturen (PSA)"

(S. 274). Es sollen PSA geschaffen werden, an der auch private Leiharbeitsfirmen beteiligt sind. Die BA (Bundesanstalt für Arbeit) kann alle arbeitsfähigen Erwerbslosen sowie 900.000 arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger in die PSA einweisen. Wer sich verweigert, erhält eine Sperre des ALG (Arbeitslosengeld). Der Leiharbeiter einer PSA bekommt in den ersten 6 Monaten in der Entleihfirma nur die Höhe des ALG. Die Entleihfirma zahlt höchstens das ALG. Die Sozialversicherungsbeiträge zahlt die BA. Vorgesehen sind auch Zuschüsse an die Entleihfirma von der BA. Nach 6 Monaten bekommt der Leiharbeiter eine Vergütung nach einem noch auszuhandelnden PSA-Tarif, der unter dem Tarif in der Entleihfirma liegt. Es ist die Rede von 70 oder 80 Prozent des vorherigen Lohnes bzw. des Lohns in der Entleihfirma.

Michael Kittner schreibt in der "Arbeits- und Sozialordnung", 24. Auflage 1999, Seite 97:
"Leiharbeitnehmer verdienen deutlich weniger als andere vergleichbare Arbeitnehmer (durchschnittlich nur 63,4%)"

Die Hartz-Kommission schreibt: "Steigerung des Arbeitsangebotes für den Arbeitgeber durch betriebsnahe, stellenorientierte Qualifizierung, kostengünstige/-freie Probezeit, Neutralisierung des Kündigungsschutzes über die PSA." (85) Das heißt, die ersten 6 Monate können für die Entleihfirma auch kostenfrei sein. Der Leiharbeiter wird von der BA kostenlos für den Entleihbetrieb in der PSA qualifiziert: "Das Dienstleistungsportfolio der PersonalServiceAgenturen sollte die bedarfsgerechte Initiierung von Qualifizierung beinhalten. Hierdurch wird die betriebsnahe Qualifizierung – vor allem on the job – sichergestellt." (158)

Die Aussagen über die heute schon beschäftigten Leiharbeiter schwanken zwischen 280.000 (Hartz-Kommission) und 630.000 (DGB laut Kittner, S. 97).

Die Hartz-Kommission will die Anzahl der Leiharbeiter in den PSA um 500.000 aufstocken.

Leiharbeiter werden hauptsächlich in der Industrie und oft in der Automobilindustrie eingesetzt. Zum Vergleich: Heute arbeiten im Kraftfahrzeugbau 789.000 Beschäftigte (IG Metall: Report 2002). Die Beschäftigten in der PSA können unbegrenzt nach oben aufgestockt werden.

Das gesamte Arbeitsrecht wird damit de facto außer Kraft gesetzt. Eingangs heißt es im Bericht:

"Verantwortungsbewusstes politisches Handeln erfordert die kontinuierliche und kritische Überprüfung, inwieweit rechtliche Regelungen und Verordnungen notwendig sind oder Hemmnisse für schnelleres Wachstum darstellen." (38)

Das AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) und dort festgeschriebene Einschränken der Leiharbeit sollen gestrichen werden:
"Anforderungen an die Gesetzgebung:
Die Arbeitnehmerüberlassung unterliegt derzeit noch hohen Auflagen und Beschränkungen. Eine PersonalServiceAgentur kann – wie Zeitarbeitsfirmen auch – nur effektiv arbeiten, wenn Beschränkungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) nicht gelten. Daher ist eine gesetzliche Aufhebung - unter Vorbehalt, dass Tarifverträge abgeschlossen werden – vorzusehen. Insbesondere für:

Natürlich entfällt bei Massenentlassungen die Pflicht für Interessenausgleich und Sozialpläne.

Als 1967 das Bundesverfassungsgericht Leiharbeit begrenzt zuließ, ging es von einer geringen Zahl von Leiharbeitern aus, so daß die massive Ausweitung der Sklavenarbeit zugleich einen verfassungsrechtlichen Verstoß darstellt. Die Metall-Zeitung, Nr. 24 von 1968 schreibt schon damals zu dem BVG-Urteil unter der Überschrift "Sklavenhändler mit weißen Kragen" unter anderem:"Das Grundgesetz aber sieht nicht nur die freie Berufswahl vor, sondern auch den Schutz der Arbeitnehmer. Dieser Schutz ist nun nicht mehr gewährleistet." Demzufolge ist auch heute zu prüfen, inwieweit durch die Hartz-Kommission Grundrechte außer Kraft gesetzt werden (z.B. Artikel 12 des Grundgesetzes der freien Berufswahl etc.).

Über eine PSA könnten Leiharbeiter ohne Einschränkungen verliehen werden, der Leiharbeiter bleibt Sklavenarbeiter auf Lebenszeit ohne geltende Arbeitsrechte.

Das Lohnniveau in den Entleihfirmen sinkt drastisch, die Spaltung der Arbeiter wird vorangetrieben und ebenso ihre Rechtlosigkeit. In dem Kommissionsbericht werden keine Begrenzungen bei der Beschäftigung von Leiharbeitern genannt, auch wird der sog. "Mitnahmeeffekt" nicht verboten, so daß dem großen Austausch der Belegschaften kein Riegel vorgeschoben ist.

Es ist mehr als bedenklich, wenn Klaus Zwickel die Hartz-Vorschläge unterstützt und sagt: "Im Zentrum der Politik muss daher jetzt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit stehen. Ein Mosaikstein sind die Vorschläge der Hartz-Kommission." (Metall Nr. 10/2002)

 

Mehr Scheinselbständige in der Ich-AG

Erwerbslose, die gezwungen sind, ihre Existenz mit Schwarzarbeit zu fristen, sollen sich selbständig machen. Sie müssen 10% ihrer Einnahmen versteuern.

"Alle Einnahmen der Ich-AG unterliegen einer Pauschalbesteuerung von 10%. Die Verdienstgrenze der Ich-AG liegt bei 25.000 Euro. Es besteht volle Sozialversicherungspflicht." (163)

Die Sozialabgaben (Arbeitnehmer-Beitrag und Arbeitgeber-Beitrag) sollen die Scheinselbständigen alleine bezahlen: "Der Inhaber der Ich-AG unterliegt der Versicherungspflicht (Renten-, Kranken-, Arbeitslosenversicherung). Er führt den vollen Beitragssatz (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag) ab." (165)

In den ersten drei Jahren ihrer Scheinselbständigkeit erhalten sie Zuschüsse vom Arbeitsamt. Eine Ich-AG können nicht nur Erwerbslose aufmachen, sondern auch jetzige Erwerbstätige können in der Ich-AG scheinselbständig werden. "Kleine Unternehmen und Handwerksbetriebe haben die Möglichkeit, die Leistungen der Ich-AG maximal im Verhältnis 1:1 regulärer Arbeitnehmer zu Ich-AG-Inhaber in Anspruch zu nehmen. In Privathaushalten gelten keine Beschränkungen." (163)

Privathaushalte sollen für die Beschäftigung der Dienstmägde eine "steuerliche Abzugsfähigkeit erhalten." (168)

Im Gegensatz zur Beschäftigung von Leiharbeitern gibt es hier den Hinweis, dass es keine Mitnahmeeffekte geben soll, selbstverständlich nur als Appell an das Gewissen und ohne gesetzliche Verbote von Mitnahmeeffekten. Geplant sind 500.000 Ich-AG. Das heißt, weitere Arbeitsverhältnisse auch in Klein- und Mittelbetrieben unterliegen demnächst de facto nicht mehr dem Arbeitsrecht, sie haben keinen Kündigungsschutz und die Mitbestimmungsrechte entfallen für sie. Zusätzlich tragen sie die Sozialversicherungsbeiträge ganz alleine. Zählt man Leiharbeiter und Ich-AG zusammen, so wird einem großen Teil der Beschäftigten die Arbeit unter Normalarbeitsverhältnissen aufgekündigt und die in Jahrhunderten erkämpften Normalarbeitsverhältnisse werden wieder liquidiert.

 

Ältere Arbeitnehmer

"BridgeSystem" für ältere Arbeitslose: Ältere Erwerbslose können sich ab dem 55. Lebensjahr von der Vermittlung des Arbeitsamtes freistellen lassen. Sie "erhalten eine kostenneutral gerechnete monatliche Zahlung inklusive Sozialversicherungsbeiträgen. Diese Zahlung tritt an die Stelle des Arbeitslosengeldes. Im Alter von 60 Jahren können sie dann vorzeitig eine um die gesetzlichen Abschläge geminderte Altersrente in Anspruch nehmen." (121)

Der ältere Arbeiter bekommt also das ihm zustehende Arbeitslosengeld. Die Höchstdauer beträgt 32 Monate. Davon werden 25% abgezogen, da jeder vierte Arbeitslose über 55 Jahre vielleicht vermittelt worden wäre und das Arbeitsamt kein Arbeitslosengeld hätte zahlen müssen. Dadurch verringert sich die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes von maximal 32 Monaten um 25%, das sind 8 Monate weniger, auf höchstens 24 Monate. Das Geld dieser 24 Monate bekommt der ältere Arbeiter gestreckt ausgezahlt vom 55. bis zum 60 Lebensjahr. Was heißt das finanziell?

Der Durchschnittslohn/Gehalt beträgt laut Metall-Report 2002 im Jahre 2001 brutto 2162 Euro monatlich. Netto bleiben noch 1362 Euro. Arbeitslosengeld = 60% vom Netto: 817 Euro. Der ältere Arbeiter erhält 817 Euro mal 24 Monate = 19.608 Euro, die in 60 Monatsraten für die 5 Jahre vom 55. bis zum 60. Lebensjahr ausgezahlt werden. 19.608 Euro geteilt durch 60 Monate ergibt eine monatliche Zahlung von 327 Euro. Ein Durchschnittsverdiener kann davon nicht überleben, wer diese Brücke betritt kracht ein und stürzt ab. Bisher erhält der ältere Arbeitslose 32 Monate lang Arbeitslosengeld, danach Arbeitslosenhilfe. Die Arbeitslosenhilfe würde völlig eingespart sowie 25% des Arbeitslosengeldes.

"Lohnversicherung – Anreiz für die Vermittlung in eine Beschäftigung mit geringem Einkommen" (119) Wer sich obiges BridgeSystem nicht erlauben kann, hat eine niedriger entlohnte Arbeit anzunehmen. Zum Ausgleich soll er "für einen befristeten Zeitraum eine Leistung aus der Lohnversicherung erhalten. ... Die Leistung ergänzt den Unterschied zwischen den Nettoeinkünften aus der neuen Beschäftigung und dem letzten Nettoentgelt, das vor Eintritt der Arbeitslosigkeit im Bemessungszeitraum bezogen wurde." (119) Für Unternehmen, die einen Älteren billig einstellen, "soll für einen gewissen Zeitraum der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung gesenkt werden. Wird der Arbeitgeber für ein Jahr vom Arbeitgeberanteil befreit, so kann er in dieser Zeit rund 1.000 € sparen." (120) "Die Einführung der Lohnversicherung für alle Arbeitslose bedarf eines Vorlaufes von mehreren Jahren, in denen die geplanten Entlastungsfaktoren der Arbeitslosenversicherung greifen." (120)

Neue Gesetze:

Es müssen alle "beschäftigungshemmenden Regelungen für Ältere stufenweise zurückgeführt werden und schließlich auslaufen." (121) Das bedeutet u.a. auch die Liquidierung des besonderen Kündigungsschutzes für Ältere. "Die Möglichkeit der befristeten Beschäftigung Älterer kann ausgeweitet werden, indem die Altersgrenze für die erweiterte Befristungsregelung von jetzt 58 Jahre auf 50 Jahre vorverlegt wird." (120) Das bedeutet die Aufhebung der Beschränkungen des AÜG für Beschäftigte ab dem 50 Lebensjahr. Also auch hier: de facto die Auflösung des Arbeitsrechts.

 

Qualifizierung zahlt der Beschäftigte

Aus der Arbeitslosenversicherung soll eine "Beschäftigungsversicherung" werden. "Wichtige Elemente einer solchen Beschäftigungsversicherung werden langfristige, verzinsliche und kreditfähige Arbeitszeit-, Mobilitäts- und Bildungskonten sowie flexible Anwartschaften in der Rentenversicherung sein.... Denkbar wäre, Lohnerhöhungen teilweise in Form von Einzahlungen auf Bildungskonten zu gestalten." (47) Wo also der Arbeiter seine "Fortbildung" bezahlt, die dem Unternehmen zugute kommt.

 

Jugendliche Arbeitslose

Betriebe, die ihre Ausbildungsplätze nicht mehr mit Auszubildenden besetzen, bekommen zukünftig Zuschüsse, wenn sie diese zur Verfügung stellen.

"In Deutschland gibt es viele hervorragende Ausbildungsbetriebe, die heute die Kapazitäten nicht nutzen können. Diese vorhandenen Zusatzkapazitäten und notwendige neue Kapazitäten könnten mit einer entsprechenden Finanzierung erschlossen werden." (110)

Eingezahlt wird von der Bundesanstalt für Arbeit, wodurch wir über unsere Beiträge die Lehrstellen mitfinanzieren. Einzahlen können auch Unternehmen mit Spenden, wenn sie wollen. Wollen sie? Wollen sie augenscheinlich nicht, denn sie wollen sich die Ausbildung vollständig von den Arbeitern und Angestellten und auch wieder den Eltern der Auszubildenden finanzieren lassen.

Das Lehrgeld soll wieder eingeführt werden unter dem Namen: AusbildungsZeit-Wertpapier. Alter Wein in neuen Schläuchen.

Das AusbildungsZeit-Wertpapier soll von Eltern, Großeltern, Freunden gekauft und an die Neugeborenen verschenkt werden, das "dem Inhaber eine Ausbildung garantiert." (25) Die zusätzliche Finanzierung erfolgt über ein Rabattkartensystem, organisiert von einer Stiftung. Mit diesem Rabattkartensystem soll das Handelskapital z.B. dazu gebracht werden, an der Reduzierung der Arbeitslosigkeit mitzuwirken. Das sei schließlich in seinem Interesse, denn Arbeitslose sind schlechte Kunden. (Warum ein Handelskapitalist Geld weggeben soll in der vagen Hoffnung, irgendwann werde dafür ein bisher Arbeitsloser vielleicht gerade bei ihm einkaufen, bleibt ein Geheimnis der Kommission.)

Alles in allem: die Monopole lassen sich dafür bezahlen, daß sie ausbilden. Eine Umlage oder die Forderung der Gewerkschaften "Wer nicht ausbildet, soll zahlen" wird explizit ausgeschlossen.

Begabungspotentiale sollen früh erkannt werden. Was das heißt, kommt gleich danach: "Weniger theoriebegabte Schüler" kommen in "praxisorientierte Unterrichtsformen", an die wird also Wissenschaft gar nicht erst verschwendet. Denn man muß sich "an den Bedürfnissen der Unternehmen ausrichten." (106) Die Folge wird eine umfassende Dequalifizierung sein, denn es sollen "mehr Ausbildungsordnungen mit weniger komplexen Anforderungen" (107) geschaffen werden.

 

Verschärfte Zumutbarkeit für Arbeitslose

Sobald der Beschäftigte eine Kündigung erhält, muß er sich beim Arbeitsamt melden. Und zwar von dem Tag an, an dem er von der Kündigung erfährt, ganz gleich, wie lange die Kündigungsfrist beträgt, ob er dagegen klagt, eine andere Möglichkeit im Betrieb erkämpft werden kann etc. Normalerweise geht ein Arbeiter zum Betriebsrat, wenn er von einer Kündigung erfährt.

"Die Meldung der drohenden Arbeitslosigkeit erfogt durch den betroffenen Arbeitnehmer.
Wer sich verspätet beim Arbeitsamt meldet, hat vom ersten Tag an Einbußen hinzunehmen." (84)

Während der Zeit der Kündigungsfrist hat der gekündigte Arbeiter auf Stellensuche zu gehen, und hiervon einen Teil der benötigten Zeit von seinem noch bestehenden Urlaub, Arbeitszeitkonten etc. zu nehmen. Zugleich wird vom Arbeitsamt ein Profiling erstellt, das neben den beruflichen Daten des Arbeitnehmers auch andere enthält wie die Einsatzfreudigkeit etc. "Der Arbeitgeber wirkt an der Profilerstellung des Arbeitnehmers mit." Das ist das Arbeitsbuch des 19. Jahrhunderts (mit neuesten technischen Mitteln), gegen das die Gewerkschaften Jahrzehnte gekämpft haben.

Für die Bezieher von Arbeitslosengeld entfällt künftig die jährliche Anpassung des Arbeitslosengeldes an die Steigerung der Bruttolöhne: "Durch einen Verzicht auf die Anpassung während des Bezuges der Leistung kann der damit verbundene Verwaltungsaufwand entfallen." (133)

Es wird offen gelassen, ob die Arbeitslosenhilfe, die sich dem Arbeitslosengeld anschließt, in gleicher Höhe weiter gezahlt wird und ob noch Rentenbeiträge wie bisher gezahlt werden.

Eine Absenkung in die Nähe der Sozialhilfe ist nicht ausgeschlossen. Die Empfänger von Arbeitslosenhilfe werden vom ärztlichen Dienst des Arbeitsamtes auf Arbeitstauglichkeit geprüft. Wer diesen Test nicht besteht fliegt aus der Arbeitslosenhilfe heraus und bekommt nur noch Sozialhilfe.

Umzug: "Nach spätestens drei Monaten der Arbeitslosigkeit kann einem jungen und ungebundenen Arbeitslosen auch ein Umzug zugemutet werden, um den Bezug des Arbeitslosengeldes zu beenden. Auch bei anderen Leistungsbeziehern erhöht sich die von ihnen erwartete Mobilität mit steigender Bezugsdauer in Abhängigkeit von der jeweiligen familiären Situation." (96)

Bisher musste das Arbeitsamt dem Arbeitslosen beweisen, dass ein Stellenangebot zumutbar ist. Die Beweislast soll umgekehrt werden. "Lehnt die arbeitslose Person eine Beschäftigung ab, so muss sie beweisen, dass die abgelehnte Beschäftigung unzumutbar war. Die gilt für alle Einwendungen, die den persönlichen Bereich des Arbeitslosen betreffen." (93) Heute ist der Berufsschutz nach 6 Monaten beendet. Das heißt, der Arbeitslose muß nach 6 Monaten jede Arbeit annehmen, deren Entlohnung nicht unter seinem Arbeitslosengeld liegt. Künftig soll er solche Arbeiten annehmen, "sobald eine berufliche Statusminderung unvermeidlich ist." Das kann auch schon vor 6 Monaten Arbeitslosigkeit der Fall sein.

 

Neue Bedingungen für die Beschäftigten des Arbeitsamtes:

Die Arbeitsvermittler sollen künftig nach der Anzahl der Vermittlungen mit einem Bonus-System entlohnt werden. Zusätzlich trimmt man sie auf ein neues Leitbild:

"Teil dieses Leitbildes wird eine neue Führungs- und Managementphilosophie sein." (177)

Es gibt "verbindliche Sanktionen bei Verstößen gegen die Regeln dieses Leitbildes" (177)

"Kernelemente des neuen Personalkonzeptes sind:

Es werden mehr befristete Arbeitsverhältnisse für Beschäftigte der Arbeitsämter gefordert.

"Innerhalb bestehender Arbeitsverhältnisse kann mehr Flexibilität durch befristete Arbeitsverträge (vgl. beispielsweise die 1000 neu geschaffenen befristeten Stellen bei der Bundesanstalt zum 1. Januar 2002) erreicht werden." (183)

Das alles wird den Druck auf die Arbeitsvermittler vergrößern, die ihn auf die Arbeitslosen weitergeben. Diese sollen die miesesten Jobs annehmen, was wiederum das gesamte Lohnniveau aller Beschäftigten nach unten drückt. "Die Personalvertretungen ihrerseits beteiligen sich aktiv an der Förderung der Eigeninitiative der Mitarbeiter und an der Umsetzung von verschiedenen Maßnahmen zur Neuausrichtung der BA hin zu einem modernen Dienstleister." (186)

 

Zentrale Datenspeicher

Die Daten aller Beschäftigten sollen zentral gespeichert werden wie z.B. Arbeitsbescheinigungen und Verdienst. Wohlgemerkt, nicht nur die Daten der Erwerbslosen, sondern aller knapp 30 Millionen Beschäftigten. Zugang haben das Arbeitsamt und andere.

"Mit Einverständnis des Arbeitnehmers hinterlegt der Arbeitgeber die Arbeitsbescheinigung in verschlüsselter Form bei einem Dritten." (130)

Wer wird sich dem verschließen angesichts hoher Arbeitslosenzahlen und ständiger Kündigungen?

"In weiteren Schritten kann die zentrale Speicherung der monatlichen Verdienstbescheinigungen und deren Abruf durch die jeweils zuständige Behörde erfolgen." (131)

"Großkunden und Partnern mit entsprechend hohem "Transaktionsvolumen" (Einschaltungsgrad und Besetzungsquote) wird zusätzlich ein eigener Zugang zum IT-System der BA-neu angeboten. Dadurch können die externen Anwender unter Beachtung des Datenschutzes direkt auf bestimmte Daten zugreifen. Für diesen Service sollte eine Honorierung in Erwägung gezogen werden." (77)

"Private Vermittler erhalten gegen entsprechendes Entgelt Zugang zu Bewerber- und Stellendatenbanken der BA-neu, soweit der Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen nicht berührt werden." (62)

 

Geplante Umsetzung

Unternehmer/Manager, Funktionsträger in Gewerkschaften, Geistliche, Lehrer, Wissenschaftler, Wohlfahrtseinrichtungen, Arbeitsloseninitiativen, Vereine, Journalisten, Parlamentarier usw. sollen an der Durchsetzung mitwirken. Das riecht stark nach Volksgemeinschaftsideologie.

Unter den Aufgaben von Gewerkschaften/Betriebsräten sind aufgeführt:
"Die alltägliche Praxis jenseits ideologischer Vorurteile zeigt, dass sich die Mitbestimmung von einer Schutzfunktion immer stärker zu einer Gestaltungsfunktion bei der Unternehmensentwicklung und der Beschäftigungschancen verlagert hat. Das Anforderungsprofil für Arbeitnehmervertreter wächst. Gestaltungsaufgaben verlangen viel häufiger Mitverantwortung für unternehmerische Entscheidungen als früher." (303)

"Strategisches Denken, unternehmerisches Verhalten, Anerkenntnis, Berücksichtigung der Wettbewerbsfähigkeit, Ergebnisorientierung und Identifizierung von neuen Produktionschancen – wer dies alles als Betriebsrat integriert und zur Voraussetzung für neue und sichere Arbeitsplätze erklärt, betreibt im besten Sinne proaktive Mitbestimmung." (303)

Bündnis für Arbeit:
"Projektkoalition folgt dem Bündnis für Arbeit. Projektkoalition bedeutet auch: Wir überwinden die jeweils konträren Standpunkte zu vermeintlichen Rezepten zur Überwindung der Arbeitslosigkeit." (340)

Arbeitsloseninitiativen

"Sie sollten durch öffentlichkeitswirksame Darstellungen positiver Beispiele dazu beitragen, dass die Chancen der gesetzlichen Neuregelungen der Allgemeinheit an praktischen Beispielen transparent gemacht werden." (339)


Und das alles begrüßen Gewerkschaftsvorstände!
Die Hartz-Vorschläge dürfen nicht umgesetzt werden
Wir müssen schnell handeln!
Sollten die Hartz-Vorschläge durchgesetzt werden, wird die Republik eine andere sein.

Die Angriffe der Hartz-Kommission richten sich gegen die Bedingungen des Verkaufs unserer Arbeitskraft insgesamt. Es handelt sich um eine faktische Preisgabe des gesamten Arbeitsrechts. Des weiteren werden die Vorschläge zum Austausch von Stammbelegschaften gegen Sklavenarbeiter in großem Umfang führen und somit zur Verschlechterung der Lage aller Arbeiter und Angestellten.

Die Stellung der Gewerkschaften im Betrieb und der Gesellschaft wird in Frage gestellt und ihre Existenz bedroht sein, wenn die Gewerkschaftsvorstände der Hartz-Kommission zustimmen und die Kolleginnen und Kollegen wissen, wer die Verschlechterung ihrer Lage mit verschuldet hat.

Es ist ernsthaft zu untersuchen, warum die kleinlichste Erfassung aller Arbeitskräfte zentral betrieben wird, obwohl es doch kaum Arbeitsplätze gibt. Warum die Mobilität aller Erwerbslosen von Kiel bis München, von Aachen bis Frankfurt/Oder verlangt wird, wo es heute kaum Arbeitsplätze zu besetzen gibt? Warum können sämtliche Erwerbslosen zur Leiharbeit verdonnert und überall eingesetzt werden? Warum die zentrale Datenerfassung sämtlicher Arbeitskräfte?

Wenn es auch hart klingt, aber das gab es zu Beginn des Ersten Weltkriegs und vor dem Zweiten in Zeiten der Kriegswirtschaft. Bevor man diesen Gedanken als völlig abwegig abtut, wäre eine sachliche Prüfung angebracht.

Wie auch immer man dies sieht, klar ist eines: Die Vorschläge der Hartz-Kommission sind gerichtet gegen die Beschäftigten, ihre Arbeitsverhältnisse und ihre Gewerkschaften.

An diesen Vorschlägen gibt es nichts mit zu gestalten. Es gibt nur eine Antwort: Die Hartz-Vorschläge müssen vom Tisch. Sie dürfen nicht umgesetzt werden.
Wer soll es verhindern, wenn nicht wir?

Es gilt, in den VK über die Hartz-Vorschläge zu sprechen und die Belegschaften darüber aufzuklären.

Ganz entscheidend sind Resolutionen der VKL/VK an den Vorstand der IG Metall mit der Aufforderung, die Vorschläge der Hartz-Kommission rundweg abzulehnen und den Kampf dagegen zu organisieren.

Kolleginnen und Kollegen,

es geht um unsere Existenz und die unserer Organisation. Nutzt die Zeit bis zu den Lesungen im Bundestag im März 2003. Lasst mir eure Erklärungen und Resolutionen zukommen, damit ich sie weiter verbreiten kann und weitere VK in den Kampf einbezogen werden. Jederzeit bin ich bereit, in euren VKL und VK, auf euren Sitzungen über die Vorschläge der Hartz-Kommission zu referieren.

Mit kollegialen Grüßen
Heinz Klee

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