letzte Änderung am 13. Febr. 2003 | |
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Eine Fertigungsmitarbeiterin in der Dauernachtschicht bei Opel Eisenach (der Name ist der Redaktion bekannt) erzählte "Opel hat im vorigen Jahr das zehnjährige Bestehen gefeiert. Ungefähr so lange bin ich auch dabei, und ich spüre das in meinen Knochen. Die Medien berichteten damals euphorisch über das modernste Autowerk Europas. Dass wir die Versuchskaninchen für neue Fertigungsmethoden von General Motors waren, die jetzt in anderen Opelwerken zum Teil durchgepeitscht werden, darüber wurde nichts berichtet. Heute sind wir absolut verschlissen durch die massive Belastung am Band. Viele Kollegen haben Beschwerden an der Wirbelsäule, leiden unter Rücken- und Gelenkschmerzen. Die Zahl der Schwerbehinderten ist sprunghaft angestiegen. Das Unternehmen tut nichts, es habe finanzielle Schwierigkeiten, könne deshalb nichts in Technik investieren, die uns die Arbeit erleichtern würde. Dass es solche Technik gibt, konnten wir im neuen Rüsselsheimer Werk bewundern, da gingen uns die Augen über. Der Hartzsche Geist fängt auch bei uns schon an zu wirken. Man verlangt die totale Flexibilität von den Kollegen. Als es im vorigen Jahr nicht so doll mit den Aufträgen war, wurden mehrfach Schichten unbezahlt abgesagt, bzw. es wurde ein Korridor eingeführt, bei dem wir das Grundgehalt erhielten, aber jederzeit auch am Wochenende und in der Nacht antreten durften Seit etlichen Jahren gilt ein Einstellungsstopp, selbst Fluktuation wird nicht mehr ausgeglichen. Die Folge: Katastrophaler Personalrückstand. Wenn gar nichts mehr geht, werden Leiharbeiter für 5,80 Euro die Stunde rangeholt. Sie bekommen die mieseste Arbeit aufgedrückt. Dass sie Arbeiter zweiter Klasse sind drückt sich auch in ihrer Arbeitskleidung aus. Werden sie krank, entlässt sie die Leiharbeiterfirma sofort. Dass Leiharbeit massiv ausgeweitet werden soll, macht mir einfach nur Angst."
"Als Gewerkschafter muss man sich den Vorwurf gefallen lassen, das immerhin zwei Gewerkschafter in dieser Hartz.-Kommission gesessen haben. Mit welcher Konzeption sind wir da reingegangen und was haben wir dort vertreten? Es besteht durch Hartz die große Gefahr für die noch vorhandenen Arbeitsplätze, dass die Leute entlassen werden und später als Leiharbeiter zu schlechteren Bedingungen wieder beschäftigt werden."
"Von Beruf bin ich Netzwerkspezialist. Bis Ende des vergangenen Jahres war ich in einer Strukturanpassungsmaßname Ost tätig. Als ich zum 31.12 2002 die Kündigung bekam, bin ich am 19. Dezember zum Arbeitsamt gegangen. Dieser Tag wird mir lange im Gedächtnis bleiben. Noch bevor ich mein Anliegen vortragen konnte, sagte die Arbeitsamtsmitarbeiterin zu mir: "Sie gehen in Rente." Sie drückte mir zwei Zettel in die Hand, auf denen stand, dass ich den Paragrafen 428 in Anspruch nehmen könne, keine weitere Förderung mehr bekomme und nicht mehr der Vermittlung zur Verfügung stehen müsse. Meinem Einwand, dass ich ungefähr eine monatliche Rente von 600 Euro zu erwarten habe und noch arbeiten will, begegnete sie mit der Frage: "Sie wollen also jetzt noch das Arbeitslosengeld voll in Anspruch nehmen, noch Werbungskosten verursachen, obwohl Sie wissen, dass wir keine Stelle für Sie haben? Als Netzwerkspezialist ist Ihnen doch ganz genau bekannt, dass in der IT-Branche nur noch Leute bis 35 Jahre gesucht werden." Ich fragte: "Wenn mich doch noch jemand nehmen sollte, gibt es da irgendeine Fördermöglichkeit?" Sie darauf: "Wenn Sie wirklich noch jemand nimmt, werden wir zusehen, dass wir noch Geld beibringen. Aber ich suche für Sie keine Arbeitsstelle mehr raus. Den Suchlauf spare ich mir." Im Mai soll ich mich wieder melden. Am Abend stellte ich den Fernseher an, sah in den Nachrichten den Erfurter Kaisersaal und in ihm eine Menge hochbezahlter in Arbeit stehender Rentner, die den 70. Geburtstag des Herrn Vogel feiern. Da habe ich mir gedacht: Als Informatiker gehöre ich ab 36 Jahren schon zum alten Eisen, aber Ministerpräsident kann ich vielleicht noch werden."
"Zunehmend mehr vom Arbeitsamt geförderte Kollegen kommen zu uns in die Rechtsberatung, die zwei Arbeitsverträge von ihrem Arbeitgeber bekommen. In dem einen Arbeitsvertrag, da stehen, sagen wir 2000 Euro drin, das ist der, den sie beim Arbeitsamt abgeben müssen. Und dann haben sie noch anderen, den "richtigen" Arbeitsvertrag, in dem stehen, sagen wir, 1000 Euro. Das, was sie tatsächlich kriegen. Es müssen endlich Mittel und Wege gefunden werden, solchen Betrug zu verhindern. Und es muss endlich auch langfristig dazu kommen, dass man den Praktiken solcher Arbeitgeber, die regelmäßig nach Auslaufen der Förderung die Leute wieder auf die Straße setzen, ahnden kann. Doch dazu bietet Hartz nichts an."
"Ich arbeite im Bewachungsbereich. Da werden Löhne und Gehälter von 800 bis oder 900 Euro gezahlt. Das aber auch nur, wenn wir im Monat 240 bis 270 Stunden arbeiten. Deutschland brauche einen größeren Billiglohnsektor, so heißt es, damit Arbeitsplätze geschaffen werden können. Die Vorschläge der Hartz- Kommission sind dafür symptomatisch. Branchen wie die der Bewachung, des Reinigungs- und des Transportgewerbes beispielweise, wo Beschäftigte mit Stundenlöhnen unter fünf Euro abgespeist werden, sichern niemanden die Lebensgrundlage. Trotz Arbeit kann man so kaum die Miete begleichen, bei Krankheit denkt man mehr an das Portemonnaie als an den Arzt, Bildung, Kunst und Kultur wird zum Privileg, Altersvorsorge wird zur Alterssorge. Die Lohnunterschiede zu den alten Bundesländern betragen nicht selten 40 oder mehr Prozent. Deshalb haben wir uns zu einer Bürgerinitiative gegen Billiglohn zusammengeschlossen, um Druck auf Wirtschaftsverbände und Parteien auszuüben. Wir wollen Arbeitsplätze, die ein Einkommen zum Auskommen ermöglichen. Ein gesetzlicher Mindestlohn wie auch ein Verbandsklagerecht zur Einhaltung der Arbeitnehmerrechte sind die wichtigsten Interessen unserer Initiative."
"Das Hartz- Konzept ist ein Preissenkungsprogramm für die Ware Arbeitskraft. Das wird deutlich an der neuen Finanzierung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Es wird klar an dem jetzt noch mal verstärkten Druck, Tätigkeiten anzunehmen, die unter dem Ausgangsqualifikationsniveau liegen und die schlechter bezahlt werden. Hartz will die Stabilität des Normalarbeitsverhältnisses sichern und dafür andere Beschäftigungsverhältnisse weitestgehend flexibilisieren. Ein betriebliches Muster von Stamm- und Randbelegschaft soll auf die Gesellschaft übertragen werden. Was kann man dagegen tun? Man kann die gewerkschaftliche Organisierung vorantreiben und existenzsichernde Einkommensverhältnisse durchsetzen. Doch wenn wir ehrlich sind, gelingt uns das in vielen Bereichen immer weniger. Die Tarifbindung geht zurück und wir haben auch in tariflich geregelten Bereichen an den unteren Rändern Vereinbarungen getroffen, die nicht existenzsichernd sind. In Südthüringen in der Spielzeugindustrie arbeiten Kollegen für 3,50 Euro die Stunde, im Bewachungsgewerbe liegen die Tarife nur knapp über 4 Euro. Wie problematisch die Situation im Niedriglohnsektor ist, zeigt die Tatsache, dass Ende 2001 in Thüringen 1200 Kollegen, die vollzeitbeschäftigt waren, noch zusätzlich Sozialhilfe bezogen. Ihr Einkommen war so gering, dass sie noch Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt hatten. Das ist nur die Spitze des Eisberges. Viele Betroffene, die Ansprüche hätten, melden sich aus Scham oder Unwissen nicht. Ich bringe den Vorschlag einer Mindestlohnregelung als Angebot in die Debatte um mögliche Gegenstrategien ein. In neun westeuropäischen Ländern, von Portugal über Spanien, Frankreich, Großbritannien bis Luxemburg existieren gesetzliche Mindestlohnregellungen. Wir müssen das diskutieren auch im Hinblick auf die anstehende EU-Osterweiterung, wo ja möglicherweise noch mal neue Arbeitskräftepotenziale auf unseren Arbeitsmarkt strömen."
in Erfurt meldeten sich bei einer Veranstaltung von ver.di und IG Metall Menschen zu Wort, die die ersten Auswirkungen der Hartz-Gesetze schon zu spüren bekamen. Um eine Einschätzung und Bewertung des Gesamtkonzeptes ging es, um Kritik und mögliche Alternativen. Die Regeln des ersten und zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt und künftig auch Hartz 3 und 4 werden das Leben von vielen Millionen erwerbslosen und von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen prägen. Klar ist, es wird gespart werden an Leistungen. Wo mehr Arbeitsplätze herkommen sollen, bleibt dagegen unklar.
Horst Schmitthenner, Vorstandsmitglied der IG Metall, schätzte ein, dass die rot/grüne Regierung auch in ihrer zweiten Spielzeit alles dafür tut, um jener Ideologie zu frönen, die besagt: Wir können und wollen uns den Sozialstaat nicht mehr leisten. Es sei keine Rede mehr von einem Programm für mehr Beschäftigung und soziale Gerechtigkeit, im Mittelpunkt stehe die Umsetzung der Hartz- Vorschläge. Und die seien nun mal kein Programm für Arbeit, sondern - wie Hartz selbst sage - ein Programm für die Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Vorschläge, wie man zu mehr Arbeit kommt, fehlen, es geht um die Veränderung der Arbeitslosenstatistik. Bis zum Jahr 2005 soll die Arbeitslosigkeit halbiert werden, so versprach es die Hartz-Kommission. Das würde bedeuten, dass die Bundesrepublik Jahr für Jahr 750.000 Arbeitslose weniger hätte. Die Bundesregierung, die die Vorschläge eins zu eins umsetzen will, hat dieses Ziel nicht übernommen. In den offiziellen Prognosen ist nur noch von 200.000 Arbeitslosen weniger im Jahr 2003 die Rede. Für die Halbierung der Arbeitslosigkeit steht die Leitidee des Übergangs von einer aktiven zu einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik. Der und die Arbeitslose sollen sich selbst in den ersten Arbeitsmarkt reintegrieren, unterstützt durch die Informations- und Förderinstrumente der Job-Center. Die Vermittlung soll durch frühzeitige Betreuung und Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien beschleunigt werden. Ohne eine die Ausweitung des Angebotes an Arbeitsplätzen wird die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit verkürzt und soll damit um 450.000 bis zum Jahr 2005 gesenkt werden. Herzstück des Abbaus der Arbeitslosigkeit ist eine neue Form der integrationsorientierten Zeitarbeitsgesellschaft, die Personal.-Service-Agentur (PSA). Da der Anteil der Leiharbeit in Deutschland mit 0,7% weit unter dem europäischen Durchschnitt und den Verhältnissen in den USA liegt, will die Hartz- Kommission diese Lücke schließen, sie meint, man könne 780.000 Arbeitslose bis zum Jahr 2005 über Leiharbeit in Erwerbsarbeit bringen. (Inzwischen ist nur noch von 50.000 jährlich bundesweit die Rede). Hinzu kommt noch die Förderung von selbstständiger Beschäftigung durch die Ich- und Familien AG's und durch die Mini- , mittlerweile auch durch die Midi-Jobs. Zeitarbeit und neue Selbstständigkeit sollen Katalysatoren für eine Modernisierung des Produktionsmodells werden.
Der flexible Arbeiter im flexiblen Kapitalismus. Alle empirischen Untersuchungen belegen indes, Arbeitsabstinenz und Sozialmissbrauch bei Arbeitslosen sind die absoluten Ausnahmen. Arbeitslose wollen möglichst schnell in eine Arbeit vermittelt werden, das zeigt ganz aktuell die massive Nachfrage von etwa 100.000 Bewerbern nach den 5.000 Arbeitsplätzen bei VW. Die Erhöhung des finanziellen Drucks auf die Betroffenen wird kein einziges Problem lösen, sondern nur neue Probleme der Ausgrenzung und Demütigung von Arbeitslosen sowie die Vertiefung der gesellschaftlichen Spaltungen schaffen.
Schmitthenner erläuterte drei wesentliche Aspekte aus dem ersten und zweiten Gesetz, Leiharbeit, Leistungskürzungen und Niedriglohnsektor. In jedem Arbeitsamtsbezirk wird eine Personal-Service-Agentur geschaffen. Im Regelfall betraut die Bundesanstalt für Arbeit mit dieser Tätigkeit private Verleihunternehmen. Ab dem Jahr 2004 gilt für die Leiharbeit - so steht es im Gesetz- das Gleichbehandlungsgebot. Von diesem Gleichbehandlungsgebot kann abgewichen werden, wenn ein Tarifvertrag existiert. Das Gleichbehandlungsgebot gilt aber nicht für Leiharbeitnehmer, die zuvor arbeitslos gewesen sind. Dafür, dass das Gleichbehandlungsgebot ins Gesetz gekommen ist, mussten die Gewerkschaften folgende Kröte schlucken: Alle Schutzbestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes fallen für alle Leiharbeitnehmer weg. Zum Beispiel das Gebot, dass das Arbeitsverhältnis beim Verleihbetrieb nicht die gleiche Dauer haben darf wie im entleihenden Betrieb. Oder die Beschränkung der Überlassungsdauer von Leiharbeitnehmern bis zu zwei Jahren. Weggefallen ist auch das Wiedereinstellungsverbot. In Zukunft haben wir es in der Bundesrepublik mit einer gesetzlich unregulierten Leiharbeit zu tun. Die Gewerkschaften müssen bei der Aushandlung der Tarifverträge versuchen, einen Teil der weggefallen Schutzbestimmungen wieder in die Verträge reinzubringen, was sicher zu Lasten der Entlohnung gehen wird.
Die Leistungskürzungen sollen Arbeitslose gefügiger machen, jede Arbeit anzunehmen. Wenn man sich nicht unmittelbar nach Erhalt der Kündigung beim Arbeitsamt meldet, erhält man eine Sperrfrist, von 21 Wochen, wird also für diese Zeit aus der Arbeitslosenversicherung rausgeschmissen. Deutschland hat in Europa die härtesteten Zumutbarkeitskriterien, die es überhaupt gibt. Sie waren bisher schon so, dass nach einem halben Jahr Vermittlungstätigkeit eine Arbeit angenommen werden musste, für die lediglich noch galt, dass man bei dieser Arbeitsstelle das an Einkommen bekommen muss, was man an Arbeitslosengeld oder als Arbeitslosenhilfe erhalten hatte. Es galt kein Berufsschutz mehr. Zumutbar waren zweieinhalb Stunden Aufwand, die Arbeitsstelle und den Wohnort zu erreichen. Das ist jetzt noch einmal verschärft worden. Familiär Ungebundenen kann ab Beginn der Arbeitslosigkeit ein Umzug überall in die Bundesrepublik zugemutet werden, wenn Vermittlung in der Region nicht wahrscheinlich ist. Das gilt ab dem vierten Monat. Dese Zumutbarkeitsregeln sind kontraproduktiv, da es nicht an der Mobilität der Erwerbslosen fehlt, sondern an 6 bis 7 Millionen Arbeitsplätzen. Die Dynamisierung des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe, die jährliche Anpassung entsprechend der Einkommensentwicklung, entfallen. Erhalten wurde allerdings, dass die Arbeitslosenhilfe jährlich um 3 % gekürzt wird. Da Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammengelegt werden sollen, hilft diese Kürzung dann auch, beides auf einem niedrigen Niveau zusammenzubringen. Das gilt auch für Krankengeld und andere Leistungen. Im Falle von Weiterbildung und Unterhaltsgeld wird die Dauer des Arbeitslosengeldbezuges und der Arbeitslosenhilfe zur Hälfte angerechnet. Bezieher erhalten nur noch Unterhaltsgeld in der Höhe des Arbeitslosenhilfesatzes. Wo da die Anreizfunktionen für Qualifizierungsmaßnahmen noch her kommen sollen, bleibt das Geheimnis derer, die das beschlossen haben. Bei der Arbeitslosenhilfe ist allein für das Jahr 2003 ein Kürzungsvolumen von 2,5 Mrd. Euro vorgesehen. Davon ist ein Personenkreis von etwa 1,2 Millionen Menschen betroffen. Die Kürzungen werden durch geänderte Anrechungsvorschriften beim Existenzminimum des Partners möglich. Wenn die Kürzung des Existenzminimums und des zusätzlichen Freibetrages voll durchschlägt, dann beträgt die Kürzung der Arbeitslosenhilfe 271 Euro monatlich. Die Arbeitslosenhilfe hatte bisher eine Größenordnung von im Durchschnitt etwa 51 % des zuletzt bezogenen Nettoentgeltes.
Wichtigster Punkt bei der Umsetzung der geringfügigen Beschäftigung sind die sogenannten Minijobs bis zu einer Höhe von 400 Euro. Auf die zahlt der Arbeitgeber eine 25ige Pauschale, dafür wurde aber gleich geregelt, dass die 15- Stunden-Grenze nicht mehr gilt. Minijobs werden künftig auch als Nebenerwerbstätigkeit gemacht werden. Wie das zu mehr Beschäftigung und Arbeitsplätzen führen soll, ist nicht zu erkennen. Sicher werden viele sozialversicherungspflichtige Jobs in Nebenerwerbstätigkeiten umgewandelt werden. Nicht verändert worden ist die Sonderregelung für sogenannte haushaltsnahe Dienstleistungen, bei der eine 12 % Pauschale gilt, 5 % für die Rentenversicherung, 5 % für die Krankenversicherung und zwei % für die Lohnsteuer. Diese Regelungen forcieren nicht nur eine Ausweitung des Niedriglohnsektors, sie bedingen auch eine Schlechterstellung dieses Personenkreises im Alter. Die Bundesregierung hat Midi-Jobs eingeführt, ein Zugeständnis an die Opposition. Das sind Jobs mit 400 bis 800 Euro Entgelt. Das besondere daran ist, dass zwar der Arbeitgeber den vollen Sozialversicherungsanteil zahlen soll, der Arbeitnehmer aber gestaffelte Beiträge. Das beginnt mit 4 % ( was bedeutet das für die Altersversorgung?) und endet beim vollen Sozialversicherungsanteil.
Interessant ist, was bisher noch nicht von den Vorschlägen der Hartz- Kommission umgesetzt wurde.
Schmithenner resümierte, dass alles, was noch am ehesten dazu führen würde, Arbeitslose besser zu betreuen und schneller vermitteln zu können, bisher in den Gesetzen nicht umgesetzt worden ist. Übrig geblieben und verwirklicht werden Leistungskürzungen und die Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln. Notwendig wäre neben einer geänderten Arbeitsmarktpolitik eine auf mehr Beschäftigung gerichtete Finanz- Wirtschafts- und Strukturpolitik. Doch davon sei in der Politik von Rot/Grün nichts zu spüren. Arbeitsmarktpolitische Alternativen, die wirklich relevant für Arbeitsplätze sind, gebe es seit langem. Der Redner führte u. a, das Neuwieder Modell an, in dem in diesem kleinen Arbeitsamtsbezirk innerhalb einiger Jahre durch Abbau von Überstunden allein 1000 Beschäftigungsverhältnisse neu begründet worden waren. Er nannte auch den niedersächsischen Beschäftigungsförderungstarifvertrag, der Arbeitnehmer fördert, die befristet in Teilzeit gehen, wenn hierdurch Arbeitsplätze mit Arbeitslosen neu besetzt werden können. Von solchen schon erfolgreich ausprobierten Möglichkeiten zu mehr Beschäftigung zu kommen, fände man in den Hartz- Gesetzen nichts. Man kann sicher davon ausgehen, dass der Niedersachse Peter Hartz diesen Beschäftigungsförderungstarifvertrag seines Landes kennt und dass seine Kommission sich ganz bewusst dafür entschieden hat, auf solche Maßnahmen der Arbeitsumverteilung, die zusätzliche Arbeitsplätze schafft, zu verzichten. Das wäre angesichts der Forderung, auch im Osten die 35-Stunden-Woche einzuführen, eine allzu viel sinnvolle Hilfe gewesen.
Bevor steht uns noch die sog. Reform der Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit, die die soziale Selbstverwaltung im Prinzip beseitigen soll und dem Vorstand und dem Aufsichtsrat alle Rechte einräumen wird, so Schmithenner. Ein Riesenproblem sei auch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Gemeinsame Institutionen wie Job-Center, die das Nebeneinander von Arbeitsämtern und Sozialämtern aufheben, seien vernünftig, die Leistungskürzungen seien nicht vernünftig. Bei der Arbeitslosenhilfe gilt immer noch ein Recht, das aufgrund von Beitragszahlungen erworben wurde. Deswegen verbindet sich mit ihr immer noch der Anspruch auf Vermittlung gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie Fortbildung und Umschulung, ABM und dergleichen mehr. Zu fürchten ist, dass bei einer Zusammenlegung mit der Sozialhilfe auch eine Fürsorgeleistung mit entsprechend weniger Rechten herauskommt. Die Auseinandersetzung darum ist nicht beendet.
Axel, Troost von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik stellte die
Fragen der Finanzen in den Mittelpunkt, als den zentralen Punkt, an dem angesetzt
werden muss. Was er am bedrückendsten fände sei, dass im Deutschen
Bundestag eine Koalition aller Fraktionen in den Bereichen Wirtschaft und Soziales
existiere, die nur auf weitere Sparpolitik und weitere Steuersenkungen
setze und überhaupt nicht mehr versuche, Massenarbeitslosigkeit entschieden
zu bekämpfen. Im Bereich der Einkommenssteuer habe es mit der Erhöhung
des Grundfreibetrages, der Senkung des Eingangssteuersatzes einige sinnvolle
Maßnahmen gegeben. Viel Geld kosten würde indes der massive Abbau
des Spitzensteuersatzes von ehemals 53 % bis auf 42 % im Jahre 2005. Hauptproblem
seien massive Senkungen bei der Körperschaftssteuer und bei der Gewerbesteuer.
Alles zusammen ergibt allein in den Jahren 2002 und 2003 über 100 Mrd.
Euro weniger Steuereinnahmen. Dieses Geld fehlt für Investitionen. Dazu
kommt, dass die Gewerbesteuer nicht nur abgesenkt worden ist, sondern dass zusätzlich
die sog. Gewerbesteuerumlage, das, was die Kommunen ans Land abführen müssen,
von 20 auf 30 % erhöht worden ist. Das führt zu zunehmender sozialer
Ungerechtigkeit. Große Konzerne tragen fast überhaupt nichts mehr
zur Finanzierung des Staates bei. Die Folge: Kommunen, Länder und Bund
können zu großen Teilen keine handlungsfähige Finanzpolitik
mehr machen, öffentliche Investitionen finden kaum noch statt. Dies verschlechtert
nicht nur die soziale Situation, sondern verschärft auch unmittelbar die
Arbeitslosigkeit. Unter der rot/grünen Bundesregierung ist die Staatsverschuldung
zum Hauptübel der Gesellschaft erklärt worden, nicht die Arbeitslosigkeit.
Troost machte deutlich, dass man Staatsverschuldung nicht maßlos weiter
betreiben könne. Aber sich in Zeiten der Rezession lediglich an den Maastricht-Kriterien
festzuhalten, würde die Arbeitslosigkeit nur erhöhen. Verbunden damit
seien entsprechende Steuerausfälle und entsprechend höhere Ausgaben
bei der Bundesanstalt für Arbeit. Troost befasst sich seit 20 Jahren mit
Wirtschaftspolitik und deren Alternativen und zeigte sich sehr betroffen über
das Ausmaß der Verlogenheit von Politik, das er in dieser Form noch nie
erlebt habe. Er erläuterte das am Beispiel Vermögenssteuer und Zinsabgeltungssteuer.
Nach der Bundestagswahl haben einige Landes- SPD-Chefs die Wiedereinführung
der Vermögenssteuer gefordert. Es war absehbar, dass es dafür auch
mit den CDU-regierten Ländern eine Mehrheit gegeben hätte. Nur um
kurzfristig für die Hessen- und Niedersachsen-Wahl irgendwo handlungsfähig
und nicht Steuererhöhungspartei zu sein, hat Gerhard Schröder das
Ganze dann abgebogen und eine Zinsabgeltungssteuer eingeführt. Dabei wurde
unterstellt, es kämen dann auch 100 Mrd. Euro wieder zusätzlich aus
dem Ausland ins eigene Land zurück. Selbst wenn diese 100 Mrd. kämen,
meinte Troost, aber jeder sagt, das sei eine Lachnummer, werden wir Steuermindereinnahmen
verzeichnen. Diese Art von Politik und von Versprechungen hält gerade mal
zwei oder drei Monate. Und spätestens bei der nächsten Steuerschätzung
im Mai wird man sehen, dass es zum weiteren Absturz der Steuereinnahmen kommt.
Eine handlungsfähige Finanzpolitik einzufordern heißt aus der Sicht des Wirtschaftswissenschaftlers zunächst die weitere Absenkung des Spitzensteuersatzes auszusetzen, solange, bis wieder Spielraum gewonnen ist. Das heißt die Rücknahme der Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen, die Rücknahme von Teilen der Körperschaftssteuerreform und heißt insbesondere die Wiedererhebung der Vermögenssteuer mit Freibeträgen für Familien in Größenordnungen von 500.000 Euro. Das führt nach Berechnungen des DIW zu Mehreinnahmen von 16 Mrd. Euro pro Jahr. Das immer wieder angeführte Argument zu hoher Erhebungskosten sei schlicht und einfach falsch. Zahlen aus Nordrhein-Westfalen belegten, dass diese nur rund 5.5% betragen. Außerdem bedürfe es einer grundlegenden Reform der Kommunalfinanzen und der Gemeindesteuer. Auch hier müssen die Gebietskörperschaften wieder handlungsfähig gemacht werden, auch dazu gibt es Konzepte.
Dann müsse mit dem nun vorhandenen Geld Arbeitslosigkeit abgebaut werden. Das erfordere eine vernünftige Beschäftigungspolitik durch ein großangelegtes sozialökologisches Zukunftsinvestitionsprogramm. Der Deutsche Städtetag hat den kommunalen Investitionsbedarf für die kommenden 10 Jahre aufgelistet. Fast 700 Mrd. Euro. werden gebraucht. Die Aufgaben reichen von der Sanierung des gesamten Wasser/Abwassersystems bis zu Fragen der Energieeffizienz. Und dies ist nur der kommunale Teil, dazu kommen der Ausbau der Hochschulen und der Bedarf der Länder. Ein zweiter Schritt bedeute Erhalt und Ausbau des öffentlichen Dienstes, ein dritter beinhalte eine situationsgerechte Arbeitsmarktpolitik. Es mag ja sein, vermutete der Redner, dass in einigen westdeutschen Regionen, wenn die Arbeitsmärkte wieder boomen, etwas mit effizienterer Vermittlung zu bewegen ist. Aber in Regionen, wo der Arbeitsmarkt fast nicht vorhanden ist, wird längerfristig ausgerichtete öffentlich geförderte Beschäftigung gebraucht. Als Beispiel nannte er die gemeinwohlorientierten Förderprojekte in Mecklenburg-Vorpommern, die von der Bevölkerung akzeptiert und von den Beschäftigten auch als wohltuend empfunden werden. Viertens werde ein Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit und eines für weitere Maßnahmen der Arbeitszeitverkürzung gebraucht. Nur ein Konzept, das Beschäftigungspolitik und Strukturpolitik mit Arbeitsmarktpolitik kombiniert, habe eine Chance, Arbeitsplätze in relevanten Umfang zu schaffen. Nötig ist auch eine solidere Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme. Eindringlich legte Troost dar, dass es dort nicht um Ausgabenprobleme, sondern um Einnahmeprobleme durch hohe Arbeitslosigkeit geht. In dem Moment, wo man durch zusätzliche Beschäftigung und nicht durch eine Manipulation der Statistik zwei Millionen mehr Beschäftigte hätte, die in diese Systeme einzahlen würden, gäbe es weder bei der Renten- noch bei der Krankenkasse gäbe es weder bei der Renten- noch bei der Krankenkasse irgendein Problem. Gebraucht würde auch eine bedarfsorientierte Mindestsicherung, um Einkommensarmut zu vermeiden. Aus Sicht der Memogruppe könne neben weiteren Bundeszuschüssen für die Bundesanstalt für Arbeit auch eine Wertschöpfungsabgabe von Unternehmen zusätzlich zur Stärkung der Finanzen beitragen.
Frank Spieth, Vorsitzender des DGB Thüringen, äußerte Verständnis
für die Wähler, die geglaubt hatten, mit der SPD bei der letzten Bundestagswahl
eine schlechte aber immerhin akzeptablere Alternative zu wählen und die
sich jetzt endgültig enttäuscht abwenden. Er versprach: "Wenn die
sozialdemokratisch geführte Bundesregierung erneut Hand anlegt an die Rentenversicherung
und Hand anlegt an eine Gesundheitsreform, bei der das Gesundheitssystem im
Anschluss nicht mehr kenntlich ist, dann werden ich und viele andere Gewerkschafter,
nach mehr als 35 Jahren SPD-Mitgliedschaft öffentlich ihre Parteibücher
auf dem Anger verbrennen." Er analysierte die Arbeitsmarktsituation in Thüringen
seit der Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik 1999. Seitdem gingen die sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnisse im Freistaat von 844.000 auf 775.000 zurück.
Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist mittlerweile zur größten Gruppe
der Arbeitslosen geworden. Mit 60 % gibt es in Thüringen inzwischen mehr
Hilfeempfänger als Bezieher von Arbeitslosengeld. Existierten im Jahr 2000
noch 38.000 ABM, so sind es mittlerweile nur noch 15.000. Bei Strukturanpassungsmaßnahmen
ging die Zahl von 20.000 auf 5000 zurück. Dem Landesarbeitsamt wurden die
Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik gegenüber dem Vorjahr um über
26% gekürzt. Und von den 946 Euro, die für die Aktivitäten am
ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, sind schon 495 Euro vorgebunden.
An Eigenmitteln hat das Land früher umgerechnet 200 Mio. Euro zur Verfügung
gestellt, in diesem Jahr sind es 36 Mio. Euro. Spieth sagte wörtlich:
" Wir müssen mit den Verantwortlichen im Freistaat darüber diskutieren,
dass nicht nur der Mangel verwalten werden kann, sondern dass wir Mittel brauchen
für eine aktive Arbeitsmarktpolitik im Sinne des Dritten Systems. Wir haben
unheimlich viel Arbeit zu leisten. Sie wird nicht gemacht, weil sie nicht bezahlt
wird. Das ist Arbeit im Umweltbereich, im Jugendbereich, im Kulturbereich, im
Sportbereich, im sozialen Bereich, in der politischen Bildung. Wenn also kein
Geld da ist, aber nicht Mangel an Arbeit das Problem ist, dann müsse darüber
nachgedacht werden, wie wir mehr Geld in öffentliche Haushalte komme, um
tatsächlich eine Umkehr in der öffentlichen Beschäftigungspolitik
zu erreichen. Der DGB belegt mit einer Untersuchung des Marburger Wissenschaftlers
Kai Eicker-Wolf, dass so eine Summe zwischen 216 Mio. bis zu einer Mrd. Euro
in die Landeshaushaltskasse fließen könnte und erwartet durch die
Wiedereinsetzung der Vermögenssteuer und Investierung dieser Einnahmen
in Schule und Wissenschaft sowie durch die Konzentration auf die Finanzierung
von Infrastruktur etwa 4.000 bis 30.000 neue Arbeitsplätze für
Thüringen.
"Kahlschlag am Arbeitsmarkt. Meines Erachtens wird, getarnt durch die Hartz- Gesetze, etwas vorgenommen, was einer sozialstaatlichen Arbeitsmarktpolitik nicht mehr gerecht wird. Wer als Arbeitsmarktpolitiker ein bisschen Herz hat, dem muss dieses Herz bluten. Wir sind jetzt genau an dem Punkt, den wir den Konservativen über Jahre vorgeworfen haben: Wer Arbeitslosigkeit nicht bekämpfen kann, bekämpft logischerweise die Arbeitslosen. Es geht hier um Menschen, es geht nicht um den Kostenfaktor Arbeitslosigkeit, auch wenn das so in allen aktuellen Papieren der Bundesanstalt für Arbeit und in der Erklärung der Bundesregierung steht. Und hier im Osten geht es um Menschen, die wirklich größtenteils völlig unverschuldet in eine Situation gekommen sind, in der ihre Erwerbsbiografie keine akzeptablen Bedingungen mehr vorfindet. Auch das wird übersehen. Hartz und PersonalServiceAgenturen machen vielleicht in München, Stuttgart und Frankfurt am Main Sinn, aber nicht in Erfurt,
Bitterfeld und noch weniger in Altenburg und Artern. Das Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz der CDU-Regierung von vor zehn Jahren - wir Arbeitsmarktpolitiker nannten es immer Arbeitsförderungskonterkarierungsgesetz - ist ein Kinderspiel gegenüber den Dingen, die jetzt passieren. Wenn wir das Problem der Arbeitslosigkeit nur noch betriebswirtschaftlich betrachten und betriebswirtschaftlich lösen wollen, dann verkennen wir die sozialpolitische und wirtschaftspolitische Dimension. Arbeitsmarktpolitik muss Bestandteil einer verantwortlichen staatlichen Sozialpolitik sein. Sie auf Kostensätze zu reduzieren ist absolut nicht akzeptabel und für mich ein Verstoß gegen das Grundgesetz. All das führt nicht nur zu einem Dilemma bei den Arbeitslosen, es führt auch zu einem Dilemma bei den Mitarbeitern der Bundesanstalt für Arbeit. Sie werden Erfüllungsgehilfen einer Weisungslage, die sie nicht verdient haben. Ich finde es positiv, dass man die Zahl der Arbeitsvermittler erhöht hat. Mit 400 Arbeitslosen kann man besser arbeiten als mit 800 oder 1000. Aber wenn man den neuen Arbeitsvermittlern dann die Mittel nimmt, um den Arbeitslosen zu helfen, dann hat man nichts gekonnt. In Thüringen leben wir mit einer Haushaltskonsolidierung und seit Jahren nach dem Motto: Sparen und Gestalten. Das Gestalten sieht so aus, dass es demnächst keine ABM-Kräfte mehr geben wird, dass auch bei den Strukturanpassungsmaßnahmen alles wegbricht. Wen man die Zeitungen aufschlägt, kann man jeden Tag lesen, welche Jugendeinrichtungen geschlossen werden mussten, welche Kultureinrichtungen nicht mehr funktionieren, dass soziale Dienste reduziert werden müssen. Es ist soviel Arbeit da, im sozialen, kulturellen, sportlichen und Umweltbereich, und wir finanzieren sie nicht, weil die Haushaltskonsolidierung absolute Priorität hat. Wenn die Bundesanstalt für Arbeit keinen Bundeszuschuss mehr bekommt, bedeutet das, dass die Kann-Leistungen nicht mehr funktionieren werden. Arbeitslosengelder müssen gezahlt werden, aber Förderleistungen kann man reduzieren und das passiert auch. Es ist blanke Augenauswischerei, wenn in der Zeitung steht, der Eingliederungstitel der Arbeitsämter ist im Schnitt etwa 10 oder 20 Prozent niedriger als im Vorjahr. Das stimmt so nicht. Im Eingliederungstitel sind neuerdings enthalten die SAM-Förderung, die PSA-Finanzierung, die neuen Formen der Berufsorientierung. Auch die neuen Arbeitsvermittler werden daraus bezahlt. Wenn man heute mit Führungskräften von Arbeitsämtern redet, bestätigen die unisono, wenn sie 50 bis 60 % der Vorjahressummern haben, sind sie gut. Das bedeutet, es wird eine Halbierung geben bei der Weiterbildung, bei SAM soll nur noch ein Drittel möglich sein in manchen Arbeitsämtern, beim Eingliederungszuschuss auch nur noch etwa ein Drittel, und bei ABM werden wir in zwei Jahren fragen: ABM, war da mal was? Ich bin nach wie vor der Meinung, wir sollten Beschäftigung finanzieren und nicht Arbeitslosigkeit. Die Finanzierung von Beschäftigungsmaßnahmen ist unterm Strich kostenneutral, weil dann Steuereinnahmen hereinkommen, Beiträge fließen. Der Sozialstaat ist doch nicht krank wegen seines Systems, er ist krank wegen der Arbeitslosigkeit, weil keine Beiträge und Steuern mehr eingenommen werden. Das wird in der politischen Diskussion verdrängt. Bei den Arbeitsämtern dreht sich künftig alles um Sofortvermittlung. Sofortvermittlung heißt, es werden nur die vermittelt, die sofort in Arbeit können. Alle anderen kommen, um es hart auszudrücken, in die Handelsklasse B. Wer in der Sofortvermittlung nicht untergekommen ist, und in Thüringen dürfte da bei 10.000 offenen Stellen und über 200.000 Arbeitslosen nicht sehr viel passieren, kommt in die PersonalServiceAgentur. Die braucht aber auch Arbeitsstellen. Auch hier findet eine Bestenauslese statt. Der Rest geht wieder eine Stufe runter. Vielleicht hilft noch eine Weiterbildung. Die Klienten bekommt aber keine Weiterbildung, weil die jetzt nur noch organisiert wird für Maßnahmen, die mindestens 70% Verbleibsquote garantieren. Konsequenz ist: Bei denen, die schwach sind, geschieht nichts, denn die bleiben ja nicht im Arbeitsmarkt "kleben", die kommen ja wieder zurück. Also, wohin dann? ABM und SAM? Die haben wir kaum noch. Der Arbeitsvermittler ist da auch in einer hoffnungslosen Situation. In welche Richtung soll er beraten und vermitteln? Der Versuch mit der Ich- AG wird zumeist auch kläglich enden. Das Ende vom Lied ist, dass die Leute in den Job-Centern in Richtung Sozialgeld gedrängt werden. Wir erleben zurzeit eine große Koalition der Kaputtmacher. Und eine Frage an die Gewerkschaften: Ist es nicht auch ein Paradoxon, wenn es in dieser Zeit nicht gelingt, bei Tarifverhandlungen arbeitszeitverkürzende Maßnahmen durchzusetzen, sondern sich auf Arbeitszeitverlängerungen einzulassen?"
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