Resolution der Delegiertenversammlung der IG Metall in Dortmund
- Die Überwindung der seit Jahrzehnten andauernden Massenerwerbslosigkeit
ist von entscheidender Bedeutung für eine dauerhafte Stabilisierung unserer
sozialen Sicherungssysteme. Vorschläge, die Fortschritte zur Sicherung
vorhandener und Schaffung neuer Arbeitsplätze versprechen, verdienen
die volle Unterstützung der Gewerkschaften.
- Die Vorschläge der Hartz-Kommission, deren Umsetzung die Bundesregierung
bereits eingeleitet hat, versprechen insgesamt keine Fortschritte in diesem
Sinn. Sie fördern eher den Systemwechsel vom "Sozialstaat"
zum "Wettbewerbsstaat", der einseitig den Interessen der Arbeitgeber
und wirtschaftlich Starken verpflichtet ist und den Beschäftigungsabbau
der letzten Jahre wesentlich mitverursacht hat. Auf die Einforderung der Sozialpflichtigkeit
des Kapitals zur Bewältigung der Arbeitsmarktkrise verzichten sie gänzlich.
- Die beschäftigungspolitischen Vorschläge konzentrieren sich auf
die staatlich geförderte Ausweitung prekärer und niedrig entlohnter
Arbeit (Leiharbeit, Minijobs, "Ich-AG"), die reguläre Arbeitsplätze
zu verdrängen drohen. Zur Behebung des millionenfachen Mangels an regulären
Beschäftigungsverhältnissen tragen sie nichts bei.
- Statt das Kapital in die Pflicht zu nehmen, erhöhen sie den Druck auf
die Erwerbslosen zur Annahme unterwertiger und prekärer Beschäftigung
und verschärfen den Konkurrenzkampf zwischen den Beschäftigten um
ein weiterhin unzureichendes Arbeitsplatzangebot. Neue Zumutbarkeitsregelungen
und andere "aktivierende" Maßnahmen verwandeln die Arbeitslosenversicherung
und Arbeitsförderung noch mehr in eine Dienstleistung für Unternehmer.
- Die Ausweitung des Niedriglohnsektors und Rabatte für Betriebe je nach
Beschäftigungsbilanz bedrohen die Sozialversicherungen mit weiteren Einnahmeausfällen,
schaffen somit Sachzwänge für weitere Leistungskürzungen und
untergraben weiter den Grundsatz der paritätischen Beitragsfinanzierung.
- Die Ausweitung des Niedriglohnsektors (Minijobs in Privathaushalten, Aushilfen,
"Familien-AG") in Verbindung mit "familienfreundlicher Quick-Vermittlung"
und neuen Vorruhestandsregelungen ("Bridge-System" ) benachteiligen
erwerbstätige Frauen und entwerten somit alle rot-grünen Bekenntnisse
zur Gleichstellungspolitik.
- Die seit langem verletzte Verfassungspflicht der Unternehmen zum Bereitstellen
ausreichender Ausbildungsangebote soll gänzlich aufgehoben werden. Das
Grundrecht auf Ausbildung soll wieder ersetzt werden durch das Erkaufen einer
Ausbildung ("Ausbildungszeit-Wertpapier"), Länge und Qualität
der Ausbildung richten sich dann wieder nach dem Familienvermögen des/der
Auszubildenden.
Die Delegiertenversammlung fordert die Bundesregierung auf, die Umsetzung
dieses Gruselkatalogs sofort zu stoppen und mit den Gewerkschaften in einen
konstruktiven Dialog über deren Vorschläge zur Beschäftigungssicherung,
insbesondere durch Verstärkung der öffentlichen Investitionen, einzutreten.
Die Delegiertenversammlung fordert den Vorstand der IG Metall auf,
alles in seiner Macht stehende zu tun, um im genannten Sinn auf die Regierung
einzuwirken.
So beschlossen am 10.10.02