letzte Änderung am 11. Febr. 2003

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Antrag an die Delegiertenversammlung der IG Metall Bremen am 17. Februar 2003

Verfasser: Arbeitskreis Erwerbslose in der IG Metall Bremen-Nord
Antragsteller:Fritz Bettelhäuser, Dorothee Fetzer

Die Delegiertenversammlung möge folgende Stellungnahme zur Regierungspolitik beschließen:

Stellungnahme zur Regierungspolitik - Gesetzgeberische Umsetzung des Hartz-Papiers -

Die Bundesregierung unter Schröder/SPD und Fischer/Grüne setzte eine Kommission ein unter dem Titel "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt", deren Sprecher ein gewisser Dr. Peter Hartz war. Der Auftrag war klar formuliert, die Kommission hatte nur noch die richtigen Worte zu finden. "Die Arbeit der Kommission orientiert sich am Leitbild der Bundesregierung für eine Arbeitsförderung mit schlankem Aufgabenzuschnitt und moderner Unternehmensorganisation" (Bericht der Kommission S.15). Inhaltliche Schwerpunkte waren der neue Aufgabenzuschnitt des Arbeitsamtes, der organisatorische Umbau der Bundesanstalt für Arbeit und die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe.

Die Regierung war vor der Bundestagswahl 2002 im Zugzwang, weil sie weder das in der Koalitionsvereinbarung formulierte oberste Ziel, noch ihre Wahlversprechen halten konnte, nämlich die Erwerbslosigkeit zu senken. "Der Abbau der Arbeitslosigkeit ist das oberste Ziel der neuen Bundesregierung. Hierin liegt der Schlüssel zur Lösung der wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Probleme in der Bundesrepublik Deutschland" (Koalitionsvereinbarung Oktober 1998). Damals waren ca. 4,4 Millionen Menschen bei den Arbeitsämtern arbeitslos gemeldet. Im September 2002 waren es immer noch 4,2 Millionen.

Anstatt sich zu ihrer Aufgabe und Verantwortung als gewähltes Parlament bzw. als Regierung zu bekennen, wird die Politik in sog. Expertenkommissionen gemacht, deren Vorschläge 1 zu 1 umgesetzt werden. So steckt hinter den Ergebnissen der arbeitsmarktpolitischen Kommission, personifiziert als "Hartz"-Kommission, die Zerschlagung der bestehenden Regelungen im Sozialversicherungsfall Arbeitslosigkeit.

Als nächster Schritt ist der Abbau des gesamten Sozialsystems in Vorbereitung. Daran arbeitet eine Kommission unter dem Namen eines gewissen Professor Rürup.

Kern dieser "Reformen" ist der schleichende Abschied der Arbeitgeber aus der Beitragsparität. Unter der Politik der Senkung der Lohnnebenkosten wird nur die Senkung der Kosten für die Unternehmen verstanden. Die sog. "Riester"-Rente bedeutet z.B. 4 % mehr Belastung für die Arbeitnehmer/-innen und spült deren Vermögen in private Kapitalgesellschaften.

Das seit über 100 Jahren bewährte System der Beitragsparität wird so von der SPD-/Grünen- Regierung ausgehöhlt. Für uns stellt sich die Frage, wofür das "Sozial" im Parteinamen steht.

Die Vorschläge der beauftragten "Hartz"-Kommission gehen zu Lasten der Arbeitnehmer/-innen und zum Vorteil der Arbeitgeber. Für uns sind keine grundlegend neuen Maßnahmen zu erkennen. Schaut man in die Geschichte, stellt man fest, dass verschärfte Arbeitspflicht, Subventionierungen von Unternehmen, Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen und Senkung der Löhne und Gehälter zu keinem Abbau der Arbeitslosigkeit geführt haben. Es ist auch nicht neu, dass sich der Staat durch Leistungskürzungen bei Erwerbslosen sanieren will. Diese Maßnahmen haben deshalb nichts zum Vorteil der Arbeitnehmer/-innen gebracht und werden auch nichts bringen.

Das Lesen des Regierungspapiers machte uns Schwierigkeiten. Die Kommission wählte eine Sprache, die nichts mit unserer Umgangssprache zu tun hat. Es entstand bei uns der Eindruck, dass die betroffenen Erwerbslosen und Beschäftigten aus der politischen Diskussion um die Maßnahmen bewußt heraus gehalten werden sollten. Für wen wird diese Verschleierungspolitik gemacht?

Die Politik der Bundesregierung erzeugt aufgrund des zunehmenden Drucks auf die Mitarbeiter/-innen des Arbeitsamtes auf der einen Seite und auf die Erwerbslosen auf der anderen Seite eine noch nicht da gewesene Zukunftsangst. Diese macht auch vor den Betrieben nicht halt, denn abgesicherte und geschützte Arbeitsverhältnisse werden zu Gunsten von Leih- und Zeitarbeit wie von scheinselbständigen ICH-AG's usw. weiter abgebaut. "Jobs" – mal hier, mal da - ersetzen normale Arbeitsplätze. Wir werden zu Job-Nomaden. Die Folge dieser verschärften Flexibilität ist die Zerstörung der sozialen Bindungen. Dabei werden Gemeinsamkeiten aufgelöst und die Vereinzelung nimmt zu. Eine langfristige Lebensplanung ist nicht mehr möglich.

Mit den Kürzungsvorschlägen der Kommission und der Umsetzung durch die Bundesregierung wird Erwerbslosen die Existenzgrundlage entzogen und die finanzielle Absicherung während Erwerbslosigkeit wird privatisiert. Die verschärfte Anrechnung von Vermögen bei der Arbeitslosenhilfe z.B. führt jetzt schon dazu, daß diejenigen, die für ihren Lebensabend gespart haben, ihre Absicherung zugunsten von Banken, Kapitalgesellschaften und wohlhabenden Personen aufgeben müssen. Sie sind auf die Unterstützung der Familie angewiesen.

Nach dem Willen der Kommission soll "die Bundesanstalt für Arbeit aus einer Behördenorganisation in einen Dienstleister mit privatwirtschaftlichen Führungsstrukturen überführt" werden. Wir fragen uns, worin die Dienstleistungsqualität bestehen soll, wenn mehr als 7 Millionen Arbeitsplätze fehlen. Oder soll das Arbeitsamt über kurz oder lang in eine Aktiengesellschaft überführt und umgewandelt werden?

Wir lehnen deshalb die Vorschläge der Kommission und deren politische Umsetzung mit aller Entschiedenheit ab. Sie bekämpfen die Erwerbslosen und deren Familien und verschlechtern die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten.

Sie schwächen auch die gewerkschaftlichen Positionen und Organisationen. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Gewerkschaften den unternehmerischen Forderungen Tür und Tor öffnen und damit bedeutungslos werden.

Wir fordern zusammen mit anderen Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen

 

Baustein 1: Service für Kunden / Job-Center oder: bürokratischer Erlebnisraum

Der Kommission schwebt eine schöne neue Welt statt Arbeits- und Sozialamt vor. Laufereien zwischen den Ämtern und Verschiebungen zwischen verschiedenen Leistungsträgern sollen durch die Ansiedlung unter einem Dach vermieden werden. Aber auch das schönste JobCenter kann das Problem der fehlenden Arbeitsplätze nicht lösen. Nicht der vom Job-Center finanzierte Anzug oder Werkzeugkasten ist das Problem, sondern der fehlende Arbeitsplatz.

Künftig befinden sich im Job-Center als ,,one-step-center" eine "clearing-Stelle" als Anlaufspunkt, danach ein "front-office", dessen Kundenstrommanagement nach dem Prinzip ,,one-face-to-the-customer" die Kundensteuerung organisiert. Ein verbessertes Matching ergibt sich durch Job-Familien und Profiling. Dieses wiederum ist unterteilt in ein Eingangs- und ein Tiefenprofiling, bei dem neben harten Kriterien (wie Fakten zur Jobhistorie) auch weiche Faktoren (wie Motivation und soft skills) ermittelt werden. Es gibt Fallmanager, branchensegmentierte Aktionsbudgets, IT-Services und operatives Controlling.

Wir dagegen wollen nur eine unbürokratische Auszahlung der Entgeltersatzleistungen, wenn der Versicherungsfall ,,Arbeitslosigkeit" eingetreten ist. Wir wollen keine Täterprofilerstellung (= Profiling), sondern sind von uns aus bereit, die notwendigen Daten für die Arbeitsvermittlung anzugeben, sofern es sich um Arbeitsplätze mit tariflicher Bezahlung und gewerkschaftlich geregelter Arbeitszeit handelt.

Alle weiteren Daten sind unserer Meinung nach für eine erfolgreiche Arbeitsvermittlung nicht nötig. Personenbezogene und psychologische Daten dienen nur dazu, gläserne Menschen aus den Erwerbslosen zu machen.

Die Einführung einer Signaturkarte lehnen wir deshalb auch aus Gründen des Datenschutzes ab. Schon jetzt melden sich pro Monat ca. 600.000 Menschen bei den Arbeitsämtern. Mit der Signaturkarte werden die Daten von jedem erwerbstätigen Menschen in der Bundesrepublik erfasst.

,,Vater" Staat hat bekommt damit eine umfassende Datenbank, um Bürger/-innen zu kontrollieren.

 

Baustein 2: familienfreundliche Quickvermittlung oder: schnelle Vermittlung in keine Arbeit

In Anbetracht von 320.000 offenen Stellen bundesweit stellt sich für uns die Frage, wie die ca. 4,2 Millionen bei den Arbeitsämtern gemeldeten Erwerbslosen vermittelt werden sollen. Abgesehen davon, dass bei einer erfolgreichen Vermittlung bei diesem Verhältnis noch beinahe vier Millionen Erwerbslose übrig bleiben, ist die Qualität dieser Stellen zu hinterfragen. Bei ihnen handelt es sich im Wesentlichen um außergewöhnliche Spezialistenstellen oder um Arbeitsplätze, deren Bedingungen nach den Vorschriften des SGB III unzumutbar sind und deswegen (zu recht) nicht besetzt werden.

Eine Vermittlungsoffensive kann nur dann Sinn machen, wenn genügend Arbeitsplätze vorhanden sind. Dabei kann es unserer Meinung nach nicht darum gehen, Menschen auf irgendwelche Stellen zuzuweisen oder zuzuschneidern, sondern umgekehrt, Arbeitsplätze müssen menschengerecht und existenzsichernd ausgestaltet sein.

Da Millionen Arbeitsplätze fehlen, führt die Auflage der Quick-Vermittlung im Wesentlichen dazu, dass Vermittlungsbemühungen und Stellensuche rein quantitativ statt qualitativ erfolgen. Nach außen wird der Eindruck erzeugt, dass etwas Sinnvolles getan wird: Erwerbslose müssen sich massenhaft bewerben - meist ins Blaue hinein, unabhängig davon, ob die Firmen Einstellungen vornehmen wollen. Kommen sie ihrer Bewerbungspflicht nicht nach, erhalten sie kein Geld mehr vom Arbeitsamt. Es geht kaum noch darum, dass Bewerbungen überhaupt erfolgreich sind, allein die Anzahl zählt. Die Arbeitsamtsbeschäftigten wiederum müssen Vermittlungsbemühungen nachweisen oder um ihren Arbeitsplatz fürchten. Sie sind einer internen Kontrolle unterworfen. Mit einer Bonusregelung, sollen ihre Bemühungen belohnt werden. Diese Kopfgeldregelung führt wiederum zu verstärktem Druck auf Erwerbslose.

Wer seine Kündigung erhält, muß sich sofort beim Arbeitsamt melden. Jeder verzögerte Tag wird mit einer Geldstrafe belegt. Dieses Strafgeld, das bis zu 1.500 € betragen kann, wird. vom monatlichen Arbeitslosengeld einbehalten. Statt die Arbeitnehmer/-innen zu bestrafen, weil z.B. der Arbeitgeber seiner Informationspflicht über die Sofortmeldung nicht nachgekommen ist, fordern wir ein Strafgeld für Unternehmen, die entlassen und die Arbeitsämter nicht umgehend darüber informieren.

Die Regelung des § 140 SGB III ist ersatzlos zu streichen.

 

Baustein 3: Zumutbarkeit 1 Freiwilligkeit oder: Volk in Hütten

Für uns stellt sich die Frage, wie die neuen Regelungen der Zumutbarkeit einer Arbeit mit Freiwilligkeit zu vereinbaren sind. Zumutbar - d.h. bei Ablehnung droht die Streichung der Arbeitsamtsleistung - sind Arbeiten bei geringerem Lohn und unterqualifizierter Tätigkeit. Umzüge quer durch das gesamte Bundesgebiet werden für Erwerbslose zum Muß. Nur bei familiären Bindungen kann davon eine Ausnahme gemacht werden.

Staatlich erzwungene bundesweite Flexibilität und Mobilität stehen im Widerspruch zu Freiwilligkeit und eigenständiger Lebensplanung. Wie soll unter diesen Voraussetzungen eine langfristige Zukunftsplanung möglich sein? Wie sollen soziale Bindungen aufgebaut und gepflegt werden? Wie sollen familiäre Strukturen entwickelt werden angesichts von modernem Nomadentum? Wie kann Lebensqualität entstehen, wenn Hausen in Containerdörfern rund um Großbetriebe und Großbaustellen Normalität wird?

Wir sprechen uns nicht dagegen aus, dass Menschen, die flexibel und mobil sein wollen, dies tun können. Wir wenden uns dagegen, dass Menschen unter der Drohung des Entzugs der Lebensgrundlage gezwungen sind, der Arbeit hinterher zu ziehen. Arbeitsplätze müssen da entstehen, wo die Menschen leben.

Erwerbslose, die z.B. eine zumutbare Arbeit ablehnen, erhalten eine Sperre der Arbeitsamtsleistung. Wer sich nicht unverzüglich bei einem Arbeitgeber meldet, erhält zunächst drei, dann sechs Wochen Sperrzeit. Nach insgesamt 21 Wochen Sperrzeit ist der Anspruch gegenüber dem Arbeitsamt erloschen. Nur wer einen wichtigen Grund hat, bleibt verschont. Eine neue Regelung legt dem Arbeitslosen den Nachweis darüber auf. Wie soll aber z.B. nachgewiesen werden, wenn der Arbeitgeber einen vereinbarten Termin nicht einhält? Wie soll z.B. nachgewiesen werden, dass eine telefonische Terminabsprache nicht möglich war? Wie soll eine Bewerbung nachgewiesen werden, wenn der Arbeitgeber nicht reagiert?

Schon die bisherige Regelung hat gezeigt, dass beinahe die Hälfte der Sperrzeiten zu Unrecht verhängt wurden. Nun die Beweislast zuungunsten der Erwerbslosen umzukehren ist zynisch und hat mit Freiwilligkeit und Arbeitswilligkeit nichts zu tun. Die Umkehrung der Beweispflicht muß zurückgenommen werden.

Wir fordern die Kontrolle der Arbeitgeber. Nicht die Erwerbslosen, sondern sie müssen in die Pflicht genommen werden. Die Arbeitsämter müssen für die Kontrolle der Qualität der Arbeitsplätze verantwortlich sein. Das Prinzip ,,Arbeit um jeden Preis" lehnen wir ab.

 

Baustein 4: jugendliche Arbeitslose oder: Lehrgeld zahlen wie im Mittelalter

Zu Beginn des Jahres 2003 fehlen etwa 75.000 Ausbildungsplätze. Statt darüber nachzudenken, wie Omas und Opas, Tanten und Onkel das Lehrgeld wie in früheren Zeiten zusammenkratzen, sollten die Unternehmen als Verantwortliche in die Pflicht genommen werden. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, für die Unternehmen ihre Fach- und Arbeitskräfte auszubilden. Die Forderung ,,Wer nicht ausbildet, muß zahlen!" muß endlich umgesetzt werden.

Die Einführung einer "Ausbildungs- und Beschäftigungsverpflichtung für Jugendliche", die Bundesminister Clement plant lehnen wir ab, denn sie setzt ebenfalls nicht bei den Ursachen, sondern bei den Folgen an. Die Schuldzuweisung wird wieder einmal umgekehrt. Nicht die Unternehmer, die zuwenig Ausbildungs- und Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, werden verpflichtet, sondern diejenigen, die davon abhängig sind.

Statt Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz finden, in Maßnahmen oder so genannten ,,Nachwuchskräftepools" zusammenzupferchen, fordern wir das Recht auf eine qualifizierte Ausbildung für alle Jugendlichen - auch wenn sie in sog. strukturarmen Gegenden wohnen oder nicht die von den Unternehmen geforderte Olympiareife besitzen. Dabei muß auch die Qualität des Schulsystems, insbesondere der Haupt- und Berufsschule auf den Prüfstand.

Da wir nicht mehr in einer Zeit leben, in der man sich einmal in seinem Leben für einen Beruf entscheidet und diesen bis Ende des Erwerbslebens ausübt, halten wir Orientierungsphasen für wichtig. Diese sollen sich nicht nur auf berufliches Ausprobieren beschränken, sondern auch Selbstfindung und Persönlichkeitsentwicklung außerhalb von Betätigung ermöglichen. Es macht keinen Sinn, Jugendliche einer Beschäftigungs- und Betätigungspflicht zu unterwerfen. Mit Zwang und Druck wird keine Motivation erzeugt. Was nützen Maßnahmen, bei denen weder die Teilnehmer/-innen noch das betreuende Personal motiviert sind. Das ist eine Vergeudung öffentlicher Gelder bzw. der Finanzen des Arbeitsamtes.

 

Baustein 5: Förderung älterer Arbeitnehmer oder: altes Eisen ist billiger

Nach wie vor gehören Erwerbslose, die 50 Jahre und älter sind, zu den Problemgruppen. Bei den Arbeitsämtern gelten Menschen über 40 schon als schwer vermittelbar. Schon unter Arbeitsminister Blüm gab es diverse Programme zur Förderung der Erwerbsquote Älterer. Der Erfolg ist ausgeblieben. Im Gegenteil, der Anteil der Älteren an den Belegschaften nimmt ständig ab.

Die angeblich neuen Regelungen knüpfen an diese alten Muster an und lösen die Probleme der älteren Erwerbslosen nicht.

Statt Wiederauflage von Programmen, die ältere Arbeitnehmer/-innen billiger machen und die keinen Erfolg bringen, fordern wir eine betriebliche Beschäftigungsquote für ältere Menschen gemessen an ihrem demographischen Anteil.

Für ältere gesundheitlich eingeschränkte Kolleginnen und Kollegen müssen entsprechende Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Sie dürfen nicht mit einer finanziellen Einbuße verbunden sein.

Auch ältere Erwerbslose haben ein Recht auf einen unbefristeten Arbeitsplatz. Deshalb ist die Regelung im Teilzeit- und Befristungsgesetz ersatzlos zu streichen, nach der über 52-jährige bis zur Rente ohne Einschränkungen befristet beschäftigt werden können.

Die Arbeitgeber dürfen nicht von der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung freigestellt werden, wenn sie einen älteren Menschen beschäftigen. Diese Regelung belastet wieder die Arbeitnehmer/-innen einseitig und bedeutet eine weitere Auflösung der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherungen.

Anstelle der Verlängerung der Lebensarbeitszeit fordern wir die Wiedereinführung der generellen Möglichkeit, mit 60 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen zu können.

 

Baustein 6: Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe oder: staatliches Raubrittertum

Erwerbslosigkeit wird aufgrund der zunehmenden Deregulierung der Erwerbsarbeit immer häufiger zum Bestandteil der Lebensläufe. Zeiten von Erwerbsarbeit, Qualifizierung und Erwerbslosigkeit wechseln einander ab. Deshalb ist es unerlässlich, dass sich Erwerbslosigkeit nicht nachteilig für die Betroffenen auswirkt. Auch in Zeiten der Erwerbslosigkeit ist eine ausreichende Existenzsicherung nötig. Die bisherigen Leistungen sind aufgrund der veränderten Erwerbs- und Lebensbedingungen, wie auch aufgrund der erfolgten Einsparungen und Kürzungen längst nicht mehr armutssicher. Der Sozialhilfe kommt inzwischen eine Grundsicherungsfunktion während der Erwerbslosigkeit aber mit steigender Tendenz auch bei einer Beschäftigung zu.

Durch die bestehenden staatlichen Regelungen und den Vorschlägen der ,,Hartz"-Kommission wird das gesellschaftliche Risiko der Erwerbslosigkeit auf Privatpersonen verlagert. Je nach Haushaltslage greift der Staat tiefer in die Taschen der Betroffenen und ihrer Familien.

Eine moderne Sicherung im Fall von Erwerbslosigkeit hat für alle Betroffenen in einer Höhe zu erfolgen, die über der Armutsgrenze liegt.

Die Bedürftigkeitsprüfung hat zu entfallen, da sie diejenigen bestraft, die für später vorsorgen und sparsam leben. Dabei wird auch vor dem Einkommen und Vermögen von Verwandten nicht zurückgeschreckt.

Die Sicherung ist ohne Zwang zur Erwerbsarbeit zu zahlen, da dadurch Druck auf die bestehenden Arbeitsverhältnisse ausgeübt wird, indem Erwerbslose als Billigkonkurrenz missbraucht werden.

Alle anderen Veränderungsansätze bei den Arbeitsamtsleistungen und der Sozialhilfe bestrafen die Opfer, statt diejenigen, die die Arbeitslosigkeit verursachen. Erwerbslose und ihre Familien haben in der Vergangenheit durch ständige Leistungskürzungen überdurchschnittlich zur Haushaltssanierung beigetragen. Auch wurden Leistungen gekürzt, mit dem Argument, dass dadurch der Anreiz zur Arbeit steige. Auf der anderen Seite werden die Unternehmen durch Steuergeschenke, Subventionen und Lohnkostenzuschüsse entlastet. Bis heute sind sie die Arbeitsplätze schuldig geblieben.

Darum fordern wir die sofortige Rücknahme aller Einschnitte und Kürzungen bei Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Wir fordern, dass die Sozialhilfe endlich entsprechend dem zugrunde liegenden Statistikmodell angepasst wird. Weitere Einschnitte, etwa beim Arbeitslosengeld, lehnen wir entschieden ab.

Das Arbeitslosengeld II muss das Lebensstandardprinzip berücksichtigen, sich am vorherigen Arbeitsentgelt orientieren und armutssicher ausgestaltet sein, d.h. es muss eine Grundsicherung enthalten.

 

Baustein 7: Kein Nachschub aus Nürnberg oder: wie finanzieren wir unseren eigenen Rausschmiß?

Die von der "Hartz"-Kommission vorgesehenen Beschäftigungsbilanzen gehen hinter die Verpflichtungen der Arbeitgeber gegenüber den Betriebsräten nach dem Betriebsverfassungsgesetz zurück. Dort besteht die zwingende Verpflichtung der Arbeitgeber, die Betriebsräte über die Personalplanung (§ 92 BetrVG), den Qualifizierungsbedarf (§ 96 BetrVG) und die Fremdvergabe von Arbeit (§ 80 Abs. 2 BetrVG) zu informieren und unter Vorlage von Unterlagen zu unterrichten.

Wir fordern deshalb, dass die Arbeitgeber verpflichtet werden, ihre Personalplanung, ihren Qualifizierungsbedarf und die Fremdvergabe von Arbeit gegenüber den Arbeitsämtern offen zu legen. Den Betriebsräten wird Zugriff auf diese Daten eingeräumt.

Die von der Kommission vorgeschlagene Rückerstattung von Beiträgen bei steigender Beitragsquote widerspricht dem Gedanken der solidarischen Finanzierung unseres Versicherungssystems. Zudem werden Unternehmen, die sich in einer Aufschwungphase befinden, bevorzugt. Unternehmen, die vom Markt gedrängt werden, wie z.B. in der Bauindustrie oder von Auftragseinbrüchen betroffen sind, werden noch bestraft.

Die Unternehmen sollen durch Berater/-innen der Arbeitsämter bei ihrer Personal-, Auftragsvergabe- und Qualifizierungspolitik unterstützt werden. Hier werden die Arbeitsämter an die Stelle von Unternehmensberatern gesetzt. Dies bedeutet die Subventionierung der Unternehmensberatungskosten zu Lasten der Arbeitslosenversicherung. Denn Unternehmensberatung bedeutet letztendlich immer die Entlassung oder eine erhöhte Belastung (psychisch und finanziell) der Beschäftigten. Es kann nicht sein, dass Arbeitnehmer/-innen mit ihren Beiträgen die eigene Entlassung oder Verschlechterung der Gesundheit finanzieren.

 

Baustein 8: Aufbau von Personal-Service-Agenturen (PSA) oder: staatlich organisierte Versklavung

Durch die PSA, die nach dem Prinzip der Leiharbeit arbeiten sollen, werden keine neuen Arbeitsplätze geschaffen.

Leiharbeit wird von den Unternehmen eingesetzt, um unproduktive Beschäftigungszeiten zu vermeiden und den Kündigungsschutz zu umgehen. Leiharbeit ersetzt ausscheidende Stammbeschäftigte und senkt das Arbeitszeitvolumen.

Leiharbeit ist unmenschlich. Der Verkauf von Menschen ist Sklaverei. Leiharbeiter müssen flexibel und bundesweit mobil sein. Das Recht auf Wohnung, Familie und freie Berufswahl wird eingeschränkt. Soziale, kulturelle, familiäre und gesellschaftliche Beziehungen werden zerstört.

Die PSA dient dazu, die Schutzmechanismen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) abzuschaffen. So wird das Verbot der Leiharbeit im Baugewerbe, das Synchronisationsverbot, das Verbot der befristeten Einstellung, das Wiedereinstellungsverbot und die Begrenzung der Verleihdauer aufgehoben. Der Wechsel von einem sozial geordneten Stammarbeitsplatz in ein nomadisierendes Sklavenarbeitsverhältnis kann damit ohne Einschränkung und ohne zeitliche Verzögerung stattfinden. Durch die Verschärfung der Zumutbarkeit wird dieser Wechsel staatlich organisiert (Arbeitsaufnahme in der PSA und in einem Verleihbetrieb sind nach dem SGB III zumutbar und die Ablehnung einer Arbeitsaufnahme mit einer Sanktion bedroht).

Die Ansiedelung der PSA bei privaten Leiharbeitsfirmen führt zu einer Vermischung der Aufgaben zwischen PSA und privatem Verleih. Der Datenschutz kann so auch nicht mehr gewährleistet werden. Private Vermittler mit PSA erhalten einen Wettbewerbsvorteil, da sie für Vermittlungen aus der PSA Honorare vom Arbeitsamt verlangen können.

Die Nettoentlohnung in der PSA soll für einen erwerbslosen Arbeitnehmer in den ersten sechs Wochen in Höhe des Arbeitslosengeldes zulässig sein. Dieses ist ein klarer Verstoss gegen den Gleichheitsgrundsatz und die zu erwartende Richtlinie der Europäischen Union, die die gleiche Bezahlung von Leiharbeitnehmern wie die Stammarbeiter in den Entleihbetrieben vom ersten Tag der Beschäftigung vorsieht. Verstösse gegen die Zumutbarkeitsanordnung des SGB III sind vorprogrammiert, da die Aufwendungen (Werbungskosten) vom tatsächlich gezahltem Nettolohn abzuziehen sind und dann mit dem vorher gezahltem Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe zu vergleichen sind. In den ersten sechs Monaten der Arbeitslosigkeit ist eine Vermittlung in Höhe des Arbeitslosengeldes unzulässig.

Tarifverträge für Verleihfirmen und PSA dürfen nicht von den bestehenden Flächentarifverträgen der jeweiligen Branche verschlechternd abweichen. Die Entlohnung hat sich an der EU-Richtlinie und dem Prinzip des "equal pay" zu orientieren und ist vom ersten Tag der Beschäftigung an zu gewähren. Einstiegstarife für Erwerbslose sind generell abzulehnen, da es nicht angehen kann, das die Verweigerung der Arbeitgeber, einen Menschen zu beschäftigen, auch noch belohnt wird.

Durch die Möglichkeit vom "equal pay"-Prinzip durch Tarifverträge abzuweichen hat die Bundesregierung ihre Verantwortung hinsichtlich der in den Leihfirmen gezahlten Billiglöhnen und schlechten Arbeitsbedingungen auf die Gewerkschaften übertragen. Angesichts der Konkurrenz der "christlichen" Gewerkschaften und der eigenen Konkurrenz der im DGB organisierten Gewerkschaften, besteht die Gefahr, dass die Tarifverträge zu Billigtarifverträgen werden. Für die schlechten Löhne und Arbeitsbedingungen werden die Gewerkschaften verantwortlich gemacht und nicht die Bundesregierung bzw. Politiker und Unternehmer. Der Vertrauens- und Imageverlust wird eine weitere Schwächung der Gewerkschaften nach sich ziehen.

Die Gewerkschaften haben bei Tarifverhandlungen, in denen Einstiegstarife für Erwerbslose verhandelt werden sollen, Erwerbslose in die Tarifkommissionen zu berufen. Eine Stellvertretungspolitik wird grundsätzlich abgelehnt und ist mit dem Demokratieprinzip der Gewerkschaften nicht zu vereinbaren.

Die Bezahlung der Gewerkschaftssekretäre, die die Tarife für Leiharbeiter bzw. für die PSA verhandeln, hat sich an den dort erzielten Ergebnissen zu orientieren.

 

Baustein 9: Neue Beschäftigung und Abbau von Schwarzarbeit durch Ich- und Familien-AG sowie Mini-Jobs oder: wie die Scheinselbständigkeit und Kinderarbeit wieder legalisiert wird

Ich-AG’s fördern die Scheinselbständigkeit im Billiglohnsektor und führen zum Abbau von Stammarbeitsplätzen sowie besser bezahlten (Schein)Selbständigen.

Ich-AG’s konkurrieren untereinander und unterlaufen Tarifverträge. Die Gewerkschaften haben keinen Zugriff auf diesen Beschäftigungssektor, da sie "Selbständige" nicht organisieren (können). Die Solidarität als Prinzip der Verbesserung von Arbeitsbedingungen wird ausgeschaltet, es gilt, dass jeder sich selbst der Nächste ist.

Von einem einzigen Unternehmen abhängige Ich-AG’s müssen nach dem Prinzip des "Job-Sharings" für ständige Arbeit bzw. Präsenz sorgen. Im Krankheitsfalle sind sie zwar "freiwillig" versichert, müssen aber Geld für Ersatz ausgeben oder Familienmitglieder zur Auftragserfüllung heranziehen. Wird damit Kinderarbeit wieder eingeführt?

Geringes Einkommen kann zum Ausstieg aus der Versicherung führen, wenn Renten- und Krankenversicherungsbeiträge nicht bezahlt werden können. Damit steigt das Risiko der Verarmung und Verelendung.

Die soziale Sicherung gegen Arbeitslosigkeit geht nach drei Jahren verloren, mit der Folge, dass dann eine gescheiterte ICH-AG ohne soziale Absicherung dasteht. Die Folgen einer gescheiterten Wirtschaftspolitik werden auf die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft übertragen. Der hohe Verwaltungsaufwand und die geringe Kapitalaussstattung der Ich-AG führen eher zu mehr Schwarzarbeit als zu weniger (statistische Meldungen, steuerrechtliche Vorgaben, Zahlungsverkehr, schlechte Zahlungsmoral von Auftragsgebern). Einzelinsolvenzen werden eine hohe Zuwachsrate erleben.

Auch Mini-Jobs führen nicht zu mehr Beschäftigung, sondern haben lediglich eine steuersenkende Funktion für die Auftraggeber. Durch die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze wird die Sozialversicherung weiter belastet und geschwächt. Durch die Einrichtung einer Gleitzone werden Teilzeitbeschäftigte aus der Sozialversicherung gedrängt. Die Mini-Jobs werden Vollarbeitsplätze abbauen.

Allerdings werden sich Ich-AG und Mini-Jobs bei der Statistik der Arbeitslosenzahlen auswirken, da sie sich zur statistischen Bereinigung eignen.

Auch hier werden die Unternehmer durch die geringeren Abgaben zur Sozialversicherung und Steuer weiter finanziell entlastet.

 

Baustein 10: Personal, Organisation und Steuerung oder: die Abrichtung zum marktkonformen Mitarbeiter

Die privatwirtschaftliche Abrichtung der Mitarbeiter/-innen der Arbeitsämter eignet sich nicht dafür, um volkswirtschaftliche Probleme zu lösen. Die Motivation zu marktwirtschaftlicher Ethik führt nämlich nicht zu mehr Arbeitsplätzen, sondern zu mehr Frustration, wenn neue Konzepte (umsonst) erlernt werden und keine Erfolge erlebt werden können.

Die Qualifizierung der Mitarbeiter für die bessere Vermittlung von Erwerbslosen ist zu begrüssen. Die Qualifizierung hätte jedoch vor einer gesetzlichen Änderung der Arbeitsorganisation geschehen müssen. Der unqualifizierte Umgang mit den neuen gesetzlichen Vorgaben und der neuen Arbeitsstruktur kann nur negative Auswirkungen auf die Beschäftigten der Arbeitsämter und der Erwerbslosen selbst haben.

Die Organisation der Arbeitsämter wie ein Privatunternehmen kann die bestehende Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht beheben. So bleibt die Umorganisation blinder Aktionismus und kostet unnötig Beitragsgelder.

Bonussysteme für die Vermittlung von Erwerbslosen führen zu unnötiger Konkurrenz und "Rosinenpickerei". Die leistungsfähigen Erwerbslosen werden zuerst einer Vermittlung zugeführt, um die Planzahlen und Vorgaben zu erfüllen bzw. um die Prämien zu "kassieren". Erwerbslose mit "Vermittlungshemmnissen" werden in Maßnahmen oder an Dritte abgeschoben. Der Druck, der auf den Beschäftigten der Arbeitsämter lastet wird an die Erwerbslosen weitergegeben.

Da die Umorganisation der Arbeitsämter die Verringerung er Erwerbslosigkeit herbeiführen soll, ist mit einer Aufstockung des Personals nicht zu rechnen. Eher das Gegenteil dürfte der Fall sein. Die dadurch entstehende Arbeitsplatzangst führt zu weiterer Verschlechterung des Arbeitsklimas und zu noch größerem Druck auf die Erwerbslosen.

Das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Erwerbslosen wird durch die beabsichtigte Vernetzung der beteiligten Strukturen völlig abgeschafft. Einheitliche Computersysteme wären für die Bearbeitung von Fällen, Anträgen, Maßnahmen durchaus wünschenswert. Dies darf aber nicht zu einem gläsernen Erwerbslosen führen, der sich der marktwirtschaftlichen Verwertbarkeit zu offenbaren hat.

Die neue Struktur der Arbeitsämter führt zu einer Auflösung der Drittelparität und damit der Selbstverwaltung. Die Verwaltungsausschüsse haben nur noch Informationsrechte. Die Festlegungen und Bestimmungen werden in den Steuerungsgruppen beschlossen und festgelegt, wie z.B. bei den PSA.

Ebenso ist die verbindliche Wirkung von Rundbriefen oder Geschäftsanweisungen für die Beschäftigten und speziell für Beamte aufgrund der neuen Struktur juristisch zweifelhaft. Die dadurch entstehende Unsicherheit wirkt sich auf die Vermittlung und das Verhalten gegenüber den Erwerbslosen aus.

Bevor die organisatorische und strukturelle Umorganisation der Arbeitsämter sinnvoll erscheint, müssen die Beschäftigten umfassend qualifiziert und von den Fallzahlen entlastet werden. Außerdem muss die technologische Veränderung abgeschlossen sein. Nur dann ist ein zielgerichteter Einsatz möglich.

Die Umorganisation der Arbeitsämter hat sich nicht an den marktwirtschaftlichen Wünschen der Arbeitgeber und Unternehmen zu orientieren sondern an den notwendigen Bedürfnissen der Erwerbslosen und der Beschäftigten der Arbeitsämter.

Die Abrichtung der Beschäftigten zu willfährigen Handlangern der Unternehmen ist abzulehnen.

 

Baustein 11: Kompetenz-Center oder: beitragsfinanzierte Unternehmensberatung

Die Umgestaltung der Landesarbeitsämter zu Erfüllungsgehilfen der Unternehmen bei der Unternehmenssanierung ist abzulehnen. Dieses schon deshalb, weil die Finanzierung der Unterstützung aus den Beiträgen der Arbeitslosenversicherung bezahlt werden soll.

Wirtschaftsförderung, Unternehmensberatung, Marktforschung, Absatzanalysen etc. wurden bisher überwiegend durch die Unternehmen selbst bzw. aus Steuermitteln finanziert. Dieses muss auch so bleiben. Eine erweiterte Subventionierung aus den Beitragsmitteln der Arbeitslosenversicherung ist nicht erstrebenswert.

Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung gehen immer zu Lasten der Beschäftigten. Sei es durch eine höhere Arbeitsbelastung oder durch finanzielle Einschnitte. Teilzeit, Kurzarbeit, Zeitkonten, etc. dienen der Arbeitsverdichtung und der höheren Flexibilisierung, die neben psychischen und finanziellen Mehrbelastungen auch familiäre, soziale und kulturelle Einschnitte für die Beschäftigten mit sich bringen.

Wachstum ist nicht durch einen erhöhten Verwaltungsaufwand zu erreichen.

Der Glaube an die Wiederherstellung der Vollbeschäftigung ist Phantasie und Träumerei und führt als Ausgangspunkt für Maßnahmen in die falsche Richtung bzw. zu sinnentleerten Handlungen.

Die aus Beiträgen der Arbeitslosenversicherung subventionierte Unterstützung der Unternehmer ist eine Verschwendung von Beitragsgeldern. Sie führt zu weiteren Gewinnmitnahmen der Unternehmer, aber nicht zu mehr Arbeitsplätzen.

 

Baustein 12: Finanzierung von Maßnahmen zum Abbau der Arbeitslosigkeit oder: wie Erwerbslose für ihre Ausbeutung noch Geld bezahlen

Der von der "Hartz"-Kommission propagierte Abbau der Arbeitslosigkeit in Höhe von zwei Millionen innerhalb von drei Jahren ist eine Illusion. Das zur Verfügung stehende Arbeitszeitvolumen in Deutschland ist seit den 70er Jahren rückläufig. Die Verringerung des Arbeitsvolumens hat die Erwerbslosigkeit nur deshalb noch nicht über die fünf Millionen Grenze steigen lassen, weil durch die Instrumente der Teilzeit und Arbeitszeitverkürzung die Arbeitszeit innerhalb der Beschäftigten überwiegend zu deren Nachteil umverteilt worden ist.

Wirksame Beschäftigungseffekte sind nur durch einen massiven Abbau der Überstunden und eine weitere Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich zu erreichen. Diese Maßnahmen müssen durch den Gesetzgeber verordnet werden. Die 35-Stunden-Woche in Frankreich hat nachweislich zu positiven Wirkungen im Bereich der Beschäftigung geführt.

Der Job-Floater ist eine Subventionierung von Unternehmen mit Billigkrediten auf Kosten der Steuerzahler. Wenn die Liquidität eines Unternehmens so schwach ist, das eine ordnungsgemäße Kreditaufnahme nicht möglich ist, kann die Vergabe von Billiggeld die Stabilität nicht verbessern. Im Gegenteil, es werden unsichere Arbeitsplätze geschaffen. Bei Insolvenz gehen die Kredite und damit Volksvermögen verloren.

Billiglöhne in der PSA werden zur Konkurrenz von normalen Arbeitsverhältnissen. Fast die Hälfte aller Verleihphasen liegen unter drei Monaten. Diese dürften so weit wie möglich mit Erwerbslosen besetzt werden, die für Arbeitslosengeld arbeiten müssen. Zwangsarbeit im Billiglohn kann nicht die Alternative zur Erwerbslosigkeit sein.

Die Vergabe von Bildungsgutscheinen ist von der Gunst der Sachbearbeiter im Arbeitsamt abhängig. Arbeitgeber fordern potentielle Bewerber auf, erst bestimmte Qualifizierungen zu machen (z.B. Schweißerscheine, Computerführerscheine, Softwareeinführung), bevor sie eingestellt werden. Qualifizierungsaufgaben der Unternehmen werden auf die Erwerbslosen bzw. auf die Arbeitslosenkasse abgewälzt. Modulausbildung verhindert ganzheitliche Ausbildung in den Betrieben. Zudem ist die Vergabe der Gutscheine von der Haushaltslage abhängig.

Die Arbeitsämter geben den Trägern von Eingliederungsmaßnahmen eine Vermittlungs- bzw. Eingliederungsquote von 70 Prozent vor. Diese Quote ist bei der Arbeit mit Problemgruppen niemals erreichbar. Die Träger werden keine Zuschüsse mehr bekommen und müssen ihre Arbeit einstellen. Zielvorgaben führen somit zu Entlassungen bei den Trägern.

Die Haushaltsmittel der Arbeitsämter werden zusammengestrichen. Maßnahmen und Zuschüsse können nicht mehr gezahlt werden. Wer zu Beginn des Haushaltsjahres eine Maßnahme beginnt oder einen Zuschuss z.B. für die Ich-AG beantragt hat Glück und bekommt die Zusage. Am Ende des Haushaltsjahres sind die Mittel leider verbraucht und blockiert die Offensive. Träger werden gezwungen von den Teilnehmern Gebühren zu erheben, Ich-AG’s werden Kredite aufnehmen müssen, usw.

Die finanzielle Zielvorgabe, ohne Bundeszuschüsse auszukommen führt zu einer verstärkten Eigenfinanzierung, Verschuldung und privaten Insolvenzen.

Die Maßnahmen zum Abbau der Erwerbslosigkeit sind ein einziges Instrumentarium zur Subventionierung von Unternehmen und zur finanziellen Belastung der Erwerbslosen. Wer Arbeit haben möchte, muss dem Unternehmer das Geld für die Beschäftigung mitbringen.

Ausbeutung muss bezahlt werden, allerdings immer mehr von den Ausgebeuteten selber.

 

Baustein 13: Profis der Nation und Masterplan oder: die Gleichschaltung für den Neo-Liberalismus

Die neuen Strategien und Konzepte sollen durch die ganze Gesellschaft getragen werden. Alle gesellschaftlich wichtigen Personengruppen sollen für das Ziel, die Erwerbslosigkeit in den nächsten drei Jahren um zwei Millionen zu reduzieren, zusammengeführt und zielgerichtet motiviert werden.

Beginnend in Wolfsburg wird mit Mega-Shows die "Superintelligenz" des Konzepts von wahlschwangeren Politikern und mediensüchtigen Promotern dargeboten. Viel Glanz wird vor den Medien verbreitet, die mithelfen sollen, die Gesellschaft auf die unausweichlichen und schmerzlichen Veränderungen vorzubereiten, die durch das Konzept und die Gesetzgebung stattfinden "müssen".

Der vom Minister für Wirtschaft und Arbeit vorgelegte Masterplan sieht eine durchgreifende Deregulierung der Arbeitsbeziehungen vor. Der Abbau von Schutzrechten der Arbeitnehmer, wie z. B. Jugendschutz, Unfallverhütung, Kündigungsschutz, ist nur ein kleiner Teil der Vorstellungen. Die Umwelt hat sich der Marktwirtschaft ohne Wenn und Aber unterzuordnen. Hemmende Vorschriften für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit, wie Meisterbrief oder Kammerprivilegien sollen gestrichen werden. Die Kräfte der Marktwirtschaft sollen ihre Fesseln abstreifen und sich ungehemmt entfalten können.

Dass diese Entwicklung den Qualitätsvorteil des Standortes "Deutschland" unterläuft und damit dem Qualitätsstandard anderer Länder angleicht, scheint der Bundesregierung egal zu sein. Sie gibt damit einen erheblichen Wettbewerbsvorteil auf. Die Gleichschaltung der Gesellschaft im Interesse des Kapitals und des Marktes ist nicht im Interesse der Menschen und der Erwerbslosen.

Die neo-liberale Logik der "Hartz"-Vorschläge führt einzig und allein zu einer Umverteilung des Volksvermögens zugunsten der Unternehmen. Die Unterordnung der Gesellschaft unter eine veränderte Moral und Ethik, die sich allein an marktwirtschaftlichen Kriterien wie Konsum, Produktion, Konkurrenz, Produktivität, Leistung und Verdrängung ausrichtet, lässt die bisher geltende Ausrichtung an menschlichen, ideellen oder religiösen Zielen abtreten. "Jeder ist sich selbst der Nächste, egal um welchen Preis!" ist das neue Motto. Die Umkehrung der gesellschaftlichen Werte auf die alleinige Blickrichtung der privatwirtschaftlichen Produktionsweise beschleunigt den Verfall des Zusammenlebens der Menschen untereinander.

Alle sollen mithelfen, die Gewinne und Profite der Unternehmer und Kapitalisten in Wirtschaft und Finanzwelt zu mehren und zu steigern. Was abfällt sind Billiglöhne, schlechte Arbeitsbedingungen, zerstörte soziale Beziehungen, kultureller Niedergang, nomadisierende Arbeitssklaven und zu Konsummaschinen abgerichtete Menschen.

Diese Politik und Entwicklung lehnen wir als für die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen kontraproduktiv ab.

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