letzte Änderung am 10. Dez. 2002

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Attac AG Arbeit - Tagung vom 30.11.2002

Kommuniqué

Die AG Arbeit in Würde ist möglich hat sich auf ihrem Treffen am 30.11. in Berlin mit den Hartz-Vorschlägen und ihrer gesetzlichen Umsetzung befaßt.

Die Einleitung von Hinrich Garms hob die Wirkung der verabschiedeten und der geplanten Gesetze auf abhängig Beschäftigte, Erwerbslose und auf die Gesellschaft hervor. Es verwies auch darauf, daß die parlamentarische Opposition gegen die Vorschläge Ð vor allem im Bundesrat Ð im wesentlichen von Kräften vorgetragen wird, die dasselbe wollen wie Hartz, nur noch rabiater.

Dagegen mehren sich die Proteste, die den neoliberalen Kern der Vorschläge rundheraus ablehnen und fordern, daß die überwindung der Massenarbeitslosigkeit wieder als eine gesellschaftliche Aufgabe begriffen wird.

Dieter Hoch hat am Beispiel der Stadt Leipzig vorgestellt, wie die "Hilfe zur Arbeit" mißbraucht wird, um das Bundessozialhilfegesetz auszuhebeln, aber auch, welch fatale Konsequenzen die kommunale Politik, mittels Beschäftigungsgesellschaften Lohndumping zu betreiben, für die örtliche mittelständische Wirtschaft hat.

Die Hartz-Clement-Vorschläge stellen keinen Ansatz zur Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit dar. Sie leugnen die Tatsache, daß Arbeitsplätze fehlen und erklären die anhaltend hohe Zahl von Erwerbslosen allein zu einem Problem der Vermittelbarkeit. Mithin ist Erwerbslosigkeit eine individuelle Schuld, kein gesellschaftspolitisches Problem. Die Folgen einer verfehlten Steuerpolitik, Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik werden privatisiert.

Die Hartz-Clement-Vorschläge konzentrieren sich darauf, Erwerbslose dadurch aus der Statistik zu nehmen, daß ihre Schutzrechte abgebaut werden und ein Niedriglohnsektor geschaffen wird. Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld werden soweit gesenkt und ihr Zugang soweit erschwert, daß man mit Recht sagen kann: Die Hartz-Clement-Vorschläge zielen darauf ab, den Status der Erwerbslosigkeit als solchen abzuschaffen. Hier geht es nicht allein um eine graduelle Verschärfung von Zumutbarkeitsregelungen, sondern um einen radikalen Umbau der Arbeitslosenversicherung dergestalt, daß ihre soziale Auffangfunktion abgeschafft wird Ð und dies in Zeiten zunehmender Massenentlassungen.

Es wird auch eine großangelegte statistische Bereinigung geben, indem die Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit den Kriterien von Eurostat angeglichen werden. Dann wird die Politik auf ihre "Erfolge" bei der Beseitigung von Arbeitslosigkeit verweisen und damit erreichen, daß Arbeitslosigkeit kein Thema öffentlicher Debatte mehr ist. Tatsächlich wird die Arbeitslosigkeit dadurch nicht weniger, sie wird nur besser versteckt und die Armut wird dramatisch zunehmen.

In dieser Situation kommt es vor allem darauf an, durch die Bündelung aller Kräfte und durch geeignete Aktionen in der öffentlichkeit wahrnehmbar zu machen, daß es verbreitet Kritik am liberalen Kern der Hartz-Vorschläge gibt, und dem öffentlichen Diskurs damit eine andere Wendung zu geben.

Attac kann und sollte dabei eine wichtige Rolle spielen.

Die sehr prinzipielle Kritik, die die AG an den Hartz-Clement-Vorschlägen vorträgt, fordert natürlich eine Debatte über Alternativen heraus.

Dazu hat die AG ein Selbstverständnispapier entworfen, das ebenfalls auf der Homepage einsehbar ist. Es wird auf dem Ratschlag im Januar verteilt werden, wo die AG sich auch vorstellen wird.

Die Diskussion geht aber weiter. In Anlehnung an die zentrale Losung der globalisierungskritischen Bewegung "Die Welt ist keine Ware", und in Anlehnung an den Ansatz von Attac, daß es Güter des allgemeinen Bedarfs gibt, die nicht wie Waren gehandelt werden dürfen (Wasser, Bildung, Gesundheit usw.), sollte man auch die Losung ausgeben: "Arbeit ist keine Ware". Denn sie wird von Menschen geleistet, und deren physisches und geistiges Vermögen kann nicht nach Gutdünken ge- und verkauft werden, ohne den Menschen in den Zustand absoluter Lohnsklaverei zurückzustoßen.

In diesem Zusammenhang kam auch ein Diskussionsansatz auf, der für eine "nachhaltige Bewirtschaftung" der Arbeitskraft eintritt, im Gegensatz zu ihrer hemmungslosen Plünderung.

Von unmittelbarer Bedeutung auch für die praktische Arbeit ist der Aspekt, daß es einen unauflösbaren Zusammenhang zwischen der Infragestellung der Schutzrechte für Erwerbslose und der flächendeckenden Einrichtung eines Niedriglohnsektors gibt. Die zunehmende Prekarisierung der Arbeit ist eine unmittelbare Folge der globalisierten kapitalistischen Produktion; sie dominiert mittlerweile nicht mehr nur in Ländern des Südens, sondern verdrängt auch in den hochindustrialisierten Ländern das sog. Normalarbeitsverhältnis. In Deutschland wird einmal mehr dadurch der Flächentarif bedroht, und elementare gewerkschaftliche Rechte stehen auf dem Prüfstand.

Moratorium für die Hartz-Clement-Gesetze!

Die Zeit drängt, die Gesetze werden mit Hochdruck durch die Instanzen gedrückt. Die Arbeitsgruppen hält es für geboten, einen Offenen Brief an die Abgeordneten des Bundestags zu richten, um ihnen die Folgen einer Durchsetzung der Hartz-Clement-Vorschläge vor Augen zu halten. Die Parlamentarier geben selber zu, daß sie sich mit den Gesetzesvorlagen aus Zeitmangel nicht beschäftigen konnten. Dafür sind die Auswirkungen aber zu weitreichend, als daß das Parlament hier seine faktische Entmachtung hinnehmen darf.

Ein Moratorium würde die Möglichkeit schaffen, daß endlich auch diejenigen in die gesellschaftliche Debatte einbezogen werden, die davon betroffen sind.

An verschiedenen Orten bilden sich breite Anti-Hartz-Bündnisse - so in Berlin, Rhein-Main und an der Ruhr. Das Labournet ruft gegen Ende Januar/Anfang Februar zu einer bundesweiten Aktionskonferenz auf, zu der alle eingeladen sind, die die Hartz-Clement-Vorschläge ablehnen.

Die AG hält diesen Schritt für überfällig und bietet an, sich an der Vorbereitung der Konferenz mit zu beteiligen.

Informiert wurde auch über die Initiative, die vom Europäischen Sozialforum in Florenz ausgeht, im März kommenden Jahres, wenn der europäische Verfassungsentwurf vorgestellt wird, eine europaweite Versammlung für die sozialen Rechte in Brüssel durchzuführen. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) plant für den 23.3. eine Großdemonstration in Brüssel.

Die AG hat darüberhinaus über eine verbesserte Strukturierung ihrer Arbeit diskutiert.

Neben einer moderierten Mailingliste steht ab jetzt auch eine aktualisierte Homepage zur Verfügung: http://www.attac-netzwerk.de/arbeit-in-wuerde

Verbessert werden soll vor allem die Informationsarbeit (durch Kommuniqués, Protokolle etc.) und die Zusammenarbeit mit den bestehenden regionalen AGs Beschäftigungspolitik.

Die AG trifft sich das nächste Mal auf dem Ratschlag in Göttingen am 18./19.Januar. Sie wird dort eine Terminliste für ihre Treffen in 2003 beschließen, die auch veröffentlicht wird, damit andere hinzustoßen können. Die Treffn finden in Hannover statt (bei längerfristig feststehenden Terminen besteht die Aussicht, im DGB-Haus tagen zu können).

i.A.
Angela Klein
2.12.2002

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