letzte Änderung am 14. August 2002

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Attac AG "Arbeit in Würde ist möglich"

Betr.: Stellungnahme zu den Vorschlägen der Hartz-Kommission

Nun soll auch die dritte Säule des Sozialversicherungssystems privatisiert werden. Die Vorschläge, die Ende Juli von der sog. Hartz-Kommission in der Form von "13 Modulen zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Reform der BA" veröffentlicht wurden, stoßen in weiten Teile auf Kritik bis Ablehnung. Attac hat es sich zur Aufgabe gesetzt, bundesweit und international auf die verheerenden Folgen der neoliberalen Globalisierung aufmerksam zu machen. Die Privatisierung des Risikos Erwerbslosigkeit und die damit verbundene Ausweitung unsicherer Arbeits- und Lebensverhältnisse ist eine solche Folge. Das auch von der Bundesanstalt für Arbeit festgestellte Fehlen von 5,8 Millionen Arbeitsplätzen in der Bundesrepublik wird durch die Vorschläge der Kommission nicht behoben, sondern bestenfalls kaschiert. An die Stelle der dauerhaften Erwerbslosigkeit tritt jetzt nämlich ein System des "Heuerns und Feuerns". Die Folge wird sein, daß die Armut in der BRD weiter zunimmt.

Insbesondere machen wir darauf aufmerksam:

  1. Die geplante Ausweitung von MiniJobs und Leiharbeit stellen einen gravierenden Schritt in Richtung Etablierung eines Niedriglohnsektors dar. Dies kann auch nicht dadurch schöngeredet werden, solche Maßnahmen würden sich ja auf Arbeitslose beschränken. Monatlich werden Tausende von Beschäftigten entlassen, die dann gezwungen wären, solche Beschäftigungsverhältnisse anzunehmen, sonst werden ihnen die Leistungen gekürzt. Die Vorschläge der Kommission machen das Tor weit auf für die Ersetzung bestehender unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse durch befristete Jobs; der heute noch bestehende gesetzliche Druck, nach einer Anfangszeit die Befristung aufzuheben, wird ausgehebelt.
  2. Mit der Schaffung globaler Produktionsketten ist ein globaler Konkurrenzdruck entstanden, der von den Arbeitgeberverbänden dazu genutzt wird, in großem Stil Lohnsenkungen durchzusetzen. Dabei kommt der Schaffung eines Niedriglohnsektors (insbesondere im Bereich gering qualifizierte Beschäftigung) eine herausragende Bedeutung zu. Im Rahmen der EU ist er ausdrücklich Bestandteil der Wirtschaftspolitischen Orientierungen; dort heißt es schwarz auf weiß, daß gerade die unteren Löhne und Gehälter "um 20 bis 30 Prozent gesenkt werden" müssen. Die Stellungnahmen der Arbeitsgeberverbände zu den Vorschlägen der Hartz-Kommission betreffen auch in erster Linie die Frage, inwieweit sie geeignet sind, dieser Zielmarke entgegenzukommen.
  3. Die angestrebte Umgestaltung der Bundesanstalt für Arbeit sieht vor, daß die Beschäftigten nicht mehr nach BAT entlohnt werden. Ihre Umwandlung in eine "Serviceagentur Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" erweist sich als eine Umwandlung in ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen, unabhängig von der Frage der Eigentümerschaft. Dem entspricht auch, daß Dienstpostenbeschreibungen und Dienstortbindung nicht mehr der Beteiligung der Beschäftigten bzw. der Personalvertretungen unterliegt. Wie bei Post und Bahn können die Beschäftigten künftig "flexibel" bundesweit eingesetzt werden. Darüberhinaus sollen mindestens 30.000 Arbeitsplätze bei der BA abgebaut werden.
  4. Die BA verwandelt sich aber nicht nur in eine nach privatwirtschaftlichen Kriterien geführte Vermittlungsagentur; sie wird gleichzeitig zum privaten Arbeitgeber oder beauftragt schon bestehende Leiharbeitsfirmen mit der Umsetzung der Personal Service Agenturen (PSA), zu denen dann die Erwerbslosen vermittelt werden. Die funktionale Einheit von Vermittlungsstelle und Arbeitgeber beinhaltet gegenüber den Erwerbslosen ein starkes Moment des Zwangs, das das Recht auf freie Berufswahl massiv einschränkt.
  5. Privatisiert wird aber auch der Schutz vor den Folgen der Erwerbslosigkeit. Das ganze Konzept der Kommission geht von dem Ansatz aus, daß Erwerbslose selbst schuld an ihrer Situation seien, wenn sie nicht bereit sind, zu jedem Preis Arbeit anzunehmen. Die Kommission zementiert die neoliberale Glaubenslehre, Arbeit sei genügend vorhanden, die Arbeitsuchenden seien nur nicht ausreichend an den Arbeitsmarkt angepaßt. Nicht nur die Zahlen aus Ostdeutschland widerlegen diese Behauptung, auch die Hartz-Kommission selbst gibt zu, daß sie mit der drastischen Infragestellung des Rechts auf Leistungsbezugs die Arbeitslosenzahlen höchstens halbieren kann. Die faktische Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und die drastische Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien stellt eine Privatisierung des Risikos Erwerbslosigkeit dar.
  6. Attac verweist auch darauf, daß es die angeblich "zu hohen Soziallasten" nicht gäbe, würden die öffentlichen Haushalte nicht durch Steuergeschenke an Kapitalbesitzer geplündert. Allein die Aufhebung der Steuer auf Gewinne aus Unternehmensveräußerungen reißt ein Loch derselben Größenordnung wie es durch die Einsparungen auf Kosten der Erwerbslosen und BA-Beschäftigten gefüllt werden soll (ca. 27 Mrd.).

Attac besteht darauf, daß Wirtschaft und Politik eine Verantwortung für die Schaffung existenzsichernder, tariflich und sozial abgesicherter und unbefristeter Arbeitsplätze tragen. Attac lehnt deshalb die Vorschläge der Hartz-Kommission ab; sie taugen nicht zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit.

Im Rahmen der bundesweiten Aktionstag am 14.9. wird die AG Arbeit von Attac zusammen mit dem Runden Tisch der Erwerbslosen und Sozialhilfebeziehenden, mit Gewerkschaften und Beschäftigungsinitiativen am Friesenplatz ab 11h eine Kundgebung durchführen: "Gemeinsam arbeiten, gemeinsam sich wehren – Hände weg von der Arbeitslosenhilfe!"

11.8.2002

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