letzte Änderung am 10. Dez. 2002

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Gemeinsame Erklärung

17.10.02

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Empfehlungen der Hartz-Kommission sollen in einen Gesetzentwurf einfließen, der dem Vernehmen nach schon Ende Oktober von der Bundesregierung beschlossen werden soll. Soweit uns diese Vorschläge bekannt geworden sind, enthalten sie aus arbeits- und sozialrechtlicher Sicht eine Reihe von sehr problematischen Regelungen, auf die wir mit der beiliegenden Erklärung aufmerksam machen möchten. Wir sind Berliner Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie GewerkschaftssekretärInnen, die überwiegend in der arbeitsrechtlichen Praxis tätig sind. Wir bitten Sie, die beigefügte Erklärung umgehend zu unterzeichnen und weitere Unterschriften, selbstverständlich auch im Kreis von Nicht-Juristen zu sammeln. Wir werden dann die Erklärung mit den gesammelten Unterschriften an die Regierungsfraktionen sowie an die Tages- und ggf. auch an die juristische Fachpresse weiterleiten. Überdies überlegen wir, zu einer kleinen Pressekonferenz einzuladen.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Betz, Marion Burghardt, Sonja Knaa, Wolfgang Schimmel und Henner Wolter
c/o RA Dr. Henner Wolter, Joachimstaler Straße 15, 10719 Berlin, Fax: 030-8839633


Gemeinsame Erklärung

- Menschenwürdige Arbeit schaffen. Hartz-Papier und Arbeitsrecht -

Wir begrüßen die Absicht der Bundesregierung, mit Vorrang die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dazu ist u. a. beabsichtigt, nach den Vorschlägen der Hartz-Kommission die Vermittlung von Arbeitslosen zu verbessern und zu beschleunigen. Dies verdient Unterstützung. Soweit die Kommissionsempfehlungen jedoch darauf hinauslaufen, den Druck auf die Arbeitslosen zu erhöhen und arbeitsrechtlichen Schutz abzubauen, fordern sie zu Kritik heraus.

Arbeitsplätze entstehen nicht, indem Arbeitslose durch "neue Zumutbarkeit" zu sozialem und beruflichem Abstieg und zur Aufnahme ungeschützter Arbeit genötigt werden. Alle Erfahrungen belegen: Die Menschen wollen arbeiten, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Sie müssen nicht erst durch Disziplinierung und Leistungskürzung dazu gezwungen werden. Unsere Gesellschaft leidet unter Arbeitslosigkeit, weil Arbeitsplätze fehlen. Um dies zu überwinden, ist eine Neuausrichtung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik geboten, die in gleicher Weise Arbeitsumverteilung und öffentliche Investitionen fördert und finanziert; das setzt allerdings die Abkehr von der herrschenden Sparpolitik voraus. Keinesfalls beruht die Arbeitslosigkeit darauf, dass die Menschen unwillig, bequem, unbeweglich und zu anspruchsvoll sind, oder weil arbeitsrechtlicher Schutz Neueinstellungen verhindert. Das Recht auf tarifvertragliches Entgelt und tarifliche Arbeitsbedingungen, frei zu sein von betrieblicher Willkür, nicht Sorge tragen zu müssen, jederzeit ohne Grund den Arbeitsplatz zu verlieren, starke Betriebs- und Personalräte an seiner Seite zu wissen – das ist kein Luxus, sondern gehört zu den sozialstaatlichen, demokratischen und menschenrechtlichen Grundlagen menschenwürdiger Arbeit.

Deshalb fordern wir:

Keinesfalls darf der Mindestschutz des geltenden Rechts, wie die maximale Dauer der Arbeitnehmerüberlassung oder die Beschränkungen befristeter Anstellung aufgegeben werden.

Die Unterzeichner/Unterzeichnerinnen appellieren an die Bundesregierung, unter Beachtung der vorstehenden Vorschläge einen Reformprozess einzuleiten, der die sozialen Belange der Arbeitnehmer/innen respektiert und arbeitsrechtliche Prinzipien, wie sie über Jahrzehnte aus guten Gründen entwickelt wurden, nicht antastet.

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