letzte Änderung am 13. Nov. 2002 | |
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Hiho,
heute war die Anhörung des Bundestagsausschusses Wirtschaft+Arbeit zur Arbeitsmarktreform etc.
In der ersten Runde wurden 90 Min. Vertreter (+ Kollegin Engelen-Kefer) der Verbände und Zeitarbeitsfirmen, in der zweiten Runde wieder 90 Min. Vertreter von wissenschaftlichen Einrichtungen und des Arbeitsamts von den Abgeordneten befragt.
Auffällig war, dass sich einfach alle positiv auf Hartz bezogen, insbesondere, wenn sie was an den gesetzentwürfen zu kritisieren hatten. Dann war das Hartz-Papier immer die positive Referenz.
Für uns zunächst am wichtigsten, dass die Vertreter (+ Kollegin Engelen-Kefer) von DGB und ver.di die Gesetzesänderungen und das Hartz-Konzept ausdrücklich begrüßten. Kollege Schmitthenner von der IGM war zwar da, wurde aber nix gefragt. IG BAU war da, weiß nicht mehr, ob die was gesagt haben. Vor allem Kollege Sommer hat mehrfach ausdrücklich unterstrichen, wie positiv er/der DGB zu den Veränderungen steht, mit denen endlich "Bewegung in den Arbeitsmarkt" kommen würden. Allerdings könnten nur Arbeitsplätze vermittelt werden, die es gebe, deswegen müssten die öffentliche Investitionen der Kommunen, vor allem in Ostdeutschland deutlich gesteigert werden. Kollege Sommer erklärte ausdrücklich seine Bereitschaft, die Umsetzung der Pläne durch den Abschluss von Tarifverträge für Zeitarbeitsfirmen zu unterstützen. Diese sollten Einstiegstarife für Arbeitslose beinhalten. Zu diesem Zweck hätten die DGB-Gewerkschaften bereits eine Tarifgemeinschaft gebildet, die dann mit den Zeitarbeitsfirmen verhandeln könne. Auf eine Frage der Grünen erklärte er, gleicher Lohn solle per Gesetz festgelegt werden, Ausnahmen "wie z. B. Tarifverträge für verleifreihe Zeiten in PSAen" sollten dann die Ausnahemn regeln. Wenn Betriebsräte und Gewerkschaften die Instrumente als bedrohung erlebten würden diese nicht umgesetzt werden können...
Kollegin Engelen-Kefer begrüßte ausdrücklich die Einrichtung von Jobcentern und die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, weil dadurch die Sozialhilfeempfänger näher an den ersten Arbeitsmarkt geführt würden. Dabei sei sicher auch eine Anpassung der Bezugshöhen notwendig, aber bitte nicht zu heftig, "wir hoffen, dass das noch einmal überdacht werden kann".
Auf die SPD-Frage nach der Möglichkeit leistungsbezogener Gehaltskomponenten für Arbeitsamtbeschäftigte antwortete Zahn (ver.di), das sei möglich und wünschenswert, zählte aber Probleme auf: da gebe es Angestellte und Beamte, die unterschiedlich entlohnt würden, man müsse erst ein transparentes Bewertungssystem aufbauen und eine Arbeitnehmerbeteiligung z. B. in Form paritätischer Kommissionen gebildet werden...
SPD-Frage, was von der Möglichkeit, bereits ab 48-jährige ohne sachliche Begründung befristet einzustellen erklärte Kollegin Engelen-Keefer, in der BRD sei ein besonderes Problem der hohe Anteil von Langzeiterwerbslosen... Für die und für ältere müssten zusätzliche Chancen auf Einstellung geschaffen werden, aber die Erfahrungen mit der bisherigen Regelung für 58-jährige, grundlos unbefristet eingestellt werden zu können zeigten, dass damit keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern sich nur deren Arbeitsbedingungen verschlechterten.
Das war eine der wenigen Bemerkungen zu Arbeitsbedingungen überhaupt, denn insgesamt war die gesamte Ausschusssitzung ein gigantischer Höhepunkt an Erwerbsarbeitszentrierung: Entscheidende Frage war immer, ob Arbeitsplätze geschaffen werden oder bedroht werden, es ging nie um's Leben der Leut' und was die da arbeiten sollen.
Interessant waren die Ausführungen von "Start Zeitarbeit NRW GmbH" und "Internationale adeco Gruppe", die sich beide (vor allem und mit starken Worten letztere) für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit einsetzten. adeco: Man wolle weg vom Image des Billiganbieters und hin zum Flexibilitätsanbieter. Die Auftraggebenden Firmen wären nicht zufrieden an unmotivierten Angestellten und motiviert seien die eben dann, wenn sie auch richtig bezahlt würden. Man brauche allerdings eine Übergangsfrist von einem Jahr, ab dem der gleiche Lohn... dann ab dem ersten Tag gelten sollte, diese Frist brauche man, um die Auftraggeber vorzubereiten und zu überzeugen.
Der Vertreter der mittelständischen Zeitarbeitsfirmen argumentierte dagegen, adeco sei als großer Akteur eine Minderheit und könne sich eine strategische Neuausrichtung leisten, sein Verband befürchte 75.000 bis 100.000 Stellenverluste in Zeitarbeit durch gleichen Lohn..." Derselbe Vertreter sprach sich für einen gesetzlichen Mindestlohn aus, weil es in der BRD zu viele Mindestlöhne in Tarifform gebe und man brauche einen einheitlichen Standard.
Kritik am Gesetzentwurf kam natürlich von CDU/FDP/Arbeitgebern und die war in bestimmter Weise auch überzeugender (dass es eben keine 2 Mio Arbeitsplätze geben würde...) die Kritik argumentierte immer mit dem unverwässerten Hartz für grundsätzlichere Reformen und gegen Überregulierung und fragte an einzelnen Punkten durchaus informiert nach den Details: Warum Kinderbetreuung keien haushaltsnahe Dienstleistung sei; dass zweifelhaft sei, ob der Steueranreiz zur Legalisierung von Schwarzarbeit im Haushalt groß genug sei; ob die Ich-AG nicht vor allem zu Mitnahmeeffekten führe, weil die Arbeitslosen mal ein, zwei Jahre die Subventionen abgreifen und dann wieder erwerbslos sich melden würden; das Handwerk kritisierte die Ich-AG als zu unqualifiziert...
Die VertreterInnen der Grünen gingen ebenfalls völlig selbstverständlich davon aus, dass "das" Problem der überregulierte Arbeitsmarkt sei...
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