letzte Änderung am 09. Jan. 2003 | |
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Das Aufschlagen einer gewöhnlichen bürgerlichen Tageszeitung verdirbt schon am frühen Morgen den Genuß des Kaffes . Laufend apellieren Leute wie Roland Berger oder andere Vertreter der Industrie direkt an den Arbeitslosen, doch die " Hängematte" zu verlassen. Dem der es noch zustande bringt, seine Ware Arbeitskraft täglich in eine Fabrik oder in ein Büro zu schleppen, wird geschmeichelt aber auch gedroht. Die Schmeichelei besteht darin, ihm zu sagen, er müsse froh und dankbar sein sich abwerkeln zu dürfen. Dem wird gleich eine Drohung hinterhergeschickt, er müsse sich im Interesse der Gesamtheit jegliches Anspruchsdenken abschminken. Auffällig ist dabei folgendes, dass neben dem Kanzler immer direkter die Bourgeoisie selbst in den Gazetten diese Weisheiten zum Besten gibt. Der Chef des BDI Rogowski, der Boß der größten Unternehmensberatungsfirma Berger oder ein Herr Lejuene erscheinen mit Interviews beinahe täglich, nicht nur im Handelsblatt, sondern in allerlei Boulevardzeitungen.
Die Mär von den angeblich faulen Arbeitslosen ist in der Tat ein alter Hut. Neu ist allerdings der Ton, dem sie ausgesetzt sind. Neu ist auch die direkte Einführung der rechtlosen " Sklavenarbeit" die sie beglücken soll. Das ganze nennt sich Schaffung eines Niedriglohnsektors für Leiharbeit. Vater des Gedankens und praktischer Initiator, war der VW-Manager Peter Hartz. Seine Kommission war der Wahlkampfschlager von Gerd Schröder. Ob das die SPD Anhänger unter dranbleiben Gerd verstanden haben wollten, bleibt zu fragen. Neu ist das, daß sogenannte Spezialistentum um sich greift und die politisch parlamentarische Kaste ganz offen die "Experten" handeln läßt. Diese Expertengremien bringen die Bourgeoisie direkt in den politischen Alltagsrummel. Auch die Rürup Kommission soll die entscheidenden Weichenstellungen für soziale Grausamkeiten im Bereich Rente und Gesundheit durchsetzen. Auch hier mischt die Bourgeoisie direkt den Brei. Wie dieser Brei zubereitet werden soll, deutete die SZ am 3.1.03 an. Ein Mitglied der Kommission will den Krankenversicherten zumuten, pro Jahr 900 Euro selbst für Behandlungen und Medikamente auszugeben. Jener Herr vom Bundesverband der deutschen Industrie verriet das laut Zeitungsbericht vertraulich einem ihm bekannten Journalisten. Auffällig ist das die Bourgeoisie offensichtlich nicht mehr über das nötige Vertrauen in die politische Kaste und das parlamentarische Getriebe verfügt. Ein Peter Harz wirft nun dem Kanzler vor, er habe das Hauptstück seines Konzepts herausgebrochen, indem er den Gewerkschaften eine tarifliche Absicherung der Leiharbeit zusicherte. Umgehend stellten Clement und Schröder dies richtig. Schröder machte in einem Interview in der Zeit deutlich: "Das es jetzt schon Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen gebe" Weiter verwies Schröder auf die Vernunft der deutschen Gewerkschaften und im übrigen müssen Tarife für Leiharbeiter nicht mit den Löhnen und Gehältern der Stammbelegschaft übereinstimmen. Schröder erklärte in dem Zeit Interview wörtlich:"Dreißig Prozent weniger dürfe das schon sein" Was er nicht erwähnte ist, dass die Regierung die Leistungen für Arbeitslose gerade wieder drastisch kürzte und somit die Vermittlung in Niedriglohnjobs vorantreibt. Das von den Unternehmern so sehr beklagte Kündigungsschutzgesetz gilt nicht für die Leiharbeit. Trotzdem bemäkeln die Besitzenden hierzulande lautstark wie nie, die "Reformunfähigkeit" der politischen Kaste und fordern weitere Gremien bestehend aus Fachleuten.
Es ist in Deutschland nichts Neues in Krisensituationen nach scheinbar neutralen Fachausschüssen zu rufen. Selbstverständlich werden jene am besten mit Vertretern der Großindustrie und der Bankenwelt besetzt. Dahinter verbirgt sich folgendes Problem: Die deutsche Industrie hat enorme Kapitalverwertungsprobleme, die Kapazitäten sind nicht ausgelastet, da keine Kaufkraft für die erzeugten Produkte vorhanden ist. Die Märkte werden immer enger und die Konkurrenz schärfer. Diese" Probleme" der Kapitalverwertung sind nicht jedem " Volksvertreter" eingängig. Auch vermag er nicht jede soziale Grausamkeit an seine potentiellen Wähler zu vermitteln. Er sucht vor allem, wenn er gewerkschaftlich verankert ist nach einem faulen Kompromiß, Zu diesem Kompromiß ist das Kapital jedoch immer weniger bereit. Deshalb die Kampagne gegen Verbände und Gewerkschaften, die sich nicht bedingungslos der nationalen Aufgabe unter der Führung eines politisch aktiven Bürgertums verschreiben wollen. In der deutschen Geschichte ist das nichts Neues. Wenn keine Übereinstimmung unter den Parteien erzielt werden konnte, wurden Kabinette von Fachleuten (wie das berühmte Kabinett Cuno im Jahre 1923) gebildet, die angeblich über den politischen Parteien und deren Streitigkeiten stehen. Dieses Zerrbild einer bürgerlich parlamentarischen Republik wurde in den zwanziger Jahren zum Ideal der Reaktionäre, denn es erlaubte ihnen, ihre antidemokratische Politik unter dem Deckmantel des Experten zu verbergen.
Die Experten begreifen sich als Speerspitze einer neuen APO. Von den gutverdienenden Spießbürgern wird Rabatz gemacht. Es muß Schluß gemacht werden mit den egomanischen Sonderinteressen, predigt an jeder Straßenecke der Besitzbürger. Jedes Kaffeehaus gibt diesen Wortschwall wieder. Der Spießer hat die Meinungsführerschaft, inspiriert von den Gazetten und den immer dreister werdenden Auftritten der Industriebosse in den Medien. Kommissionen und nochmals Kommissionen, so schalt es uns entgegen. Die Fachleute sind angeblich gefragt und nicht mehr soziale Forderungen. Der Ruf nach Expertengremien die das Volk führen sollen, sei angesagt. Das Bürgertum will das politische Alltagsgeschäft selbst übernehmen. Die politisch parlamentarische Kaste steht dieser Tendenz mit gemischten Gefühlen gegenüber. Jene sehen sich nicht gern in ihrer Bedeutung reduziert, finden aber auch gefallen an den Experten, denn die Experten können unter Umständen im Wahlkreis nach dem Motto benützt werden: "Ich kann nicht anders, die Experten raten uns dazu".
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