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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Rhein-Main-Bündnis gegen Sozialabbau und Billiglöhne Thesen zum gesetzlichen Mindestlohn 1) Kern der Hartz-Gesetze ist die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe. Das sowie die Verschlechterungen beim Arbeitslosengeld I, die Festlegung des neuen Arbeitslosengelds II unter das bisherige Sozialhilfeniveau, der Ausbau öffentlicher Zwangsdienste und die Zumutbarkeit von Löhnen, die bis zu einem Drittel unter Tarif liegen, dient nicht nur dazu, Sozialausgaben beim Staat oder bei der Sozialversicherung einzusparen. Es dient wesentlich dazu, Löhne abzubauen. 2) Die Sozialhilfe definiert das offizielle Existenzminimum
und damit eine Art Mindestlohn. Das Arbeitslosengeld II ist nur eine andere
Form von Sozialhilfe. 3) Der Mindestlohn Sozialhilfe hemmt den Fall der Löhne
nach unten, ebenso wie Tarifverträge, die in ihrem Geltungsbereich
ebenfalls Mindestlöhne definieren. Deshalb ist die Sozialhilfe auch
für Beschäftigte von entscheidender Bedeutung. 4) Das Kapital und seine politischen Parteien versuchen,
Beschäftigte und Arbeitslose zu spalten, um Sozialabbau und Lohnsenkungen
durchzusetzen. 5) Die vorherrschende Haltung der Gewerkschaftsführungen fördert die Spaltung. Die DGB-Führung ist für die Verabschiedung der Agenda 2010 mitverantwortlich. Sie hat die Hartz-Gesetze lange Zeit in erster Linie als Chance für Arbeitslose verkauft. Sie hat den gemeinsamen Widerstand von Beschäftigten und Arbeitslosen gegen die Agenda, wenn überhaupt, nur halbherzig organisiert. Sie hat auch über die gemeinsamen Interessen und über Lohndumping als Zweck des Sozialabbaus kaum aufgeklärt. Erst unter dem Druck von unten (1.11.) und erst nach der Verabschiedung der Agenda hat die DGB-Führung die Demonstrationen vom 3.4.2004 organisiert. 6) Aus all dem folgt, dass Bündnisse gegen Sozialabbau und Billiglöhne angesichts der vorherrschenden Spaltung in erster Linie die gemeinsamen Interessen der LohnarbeiterInnen betonen müssen, seien sie beschäftigt oder arbeitslos. Diese gemeinsamen Interessen müssen in gemeinsamen Forderungen zum Ausdruck kommen. 7) Um dem Lohndumping Schranken nach unten zu setzen, ist ein gesetzlicher Mindestlohn notwendig, der das Existenzminimum eines Erwerbstätigen deckt. Die Sozialhilfe definiert offiziell das Existenzminimum. Sie ist deshalb trotz der Kürzungen der letzten Jahre der wichtigste Maßstab, um festzustellen, ob Löhne dem Existenzminimum entsprechen. Sie kann aber nur Ausgangspunkt für unsere Forderungen sein, nicht Endpunkt. 8) Die Pfändungsfreigrenze ist ein Anhaltspunkt für
die Höhe eines Mindestlohns, der dem Existenzminimum entspricht.
Sie beträgt z.Zt. 930€. Sie wurde im Jahr 2001 etwas oberhalb
des damaligen Sozialhilfeniveaus eines Erwerbstätigen festgesetzt
(870€). 9) In einem Mindestlohn von zehn Euro wären keinerlei Lebenshaltungskosten für ein Kind enthalten, also den Ersatz der Arbeitskraft. Das wäre erst bei 12€ der Fall. Denn der Sozialhilfebedarf eines Kindes beläuft sich je nach Alter auf etwa 3-400€. Davon sind nur 154€ durch Kindergeld gedeckt. So betrachtet sind 10€ brutto sehr bescheiden. 10) Der Mindestlohn in Deutschland muss auf der Basis des Existenzminimums in Deutschland festgesetzt werden, nicht auf der Basis eines durchschnittlichen Existenzminimums in der EU. Das Existenzminimum ist in jedem Land verschieden. In Frankreich z.B. beträgt der Mindestlohn 1154 € mtl. brutto auf der Basis einer 35-Stundenwoche. Das sind 7,61€ brutto pro Stunde. 11) Gegenwärtig gelten für 2,8 Millionen Beschäftigte
Tariflöhne unterhalb von 6 € die Stunde. Die Agenda 2010 hält
es für zumutbar, dass Arbeitslose zu Löhnen von bis zu einem
Drittel unterhalb der Tariflöhne arbeiten, also z.B. für 4 €
die Stunde bis hin zu rd. 2€. Der niedrigste Tariflohn in Deutschland
ist 2,74€. Aber auch Löhne oberhalb von 6€ die Stunde liegen
noch unterhalb des Sozialhilfe-Existenzminimums. 12) Arbeitgeberpräsident Hundt, Kanzler Schröder und viele Gewerkschaftsführer führen gegen gesetzliche Mindestlöhne das demagogische Argument an, sie seien ein Verstoß gegen die Tarifautonomie. Wir sehen das anders: Wir verteidigen die Tarifautonomie. z.B. gegen das Lohndumping der Hartz-Gesetze und gegen alle Vorstöße des Staates, tariflich vereinbarte Bedingungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Wir verteidigen sie aber nicht gegen gesetzliche Regelungen, die uns vor Dumpinglöhnen schützen. Im Gegenteil kämpfen wir für solche Gesetze. Wenn Gewerkschaften sich gegen gesetzliche Mindestlöhne aussprechen, die oberhalb der Sozialhilfe liegen, fallen sie den unteren Schichten der Arbeiter und Angestellten sowie den Arbeitslosen in den Rücken, die sich gegen Lohndumping wehren. 13) Die Arbeitgeberverbände sind faktisch ebenfalls
für eine Art Mindestlohn. Das Kapital will nämlich möglichst
niedrige Löhne zahlen und durch Lohnzuschüsse aus Steuermitteln
bis zu einem bestimmten "Mindestlohn" aufgestockt bekommen ("negative
Einkommensteuer"). Das Kapital strebt massive Lohnsubventionen aus
Lohn- und Mehrwertsteuern an. 14) Einen gesetzlichen Mindestlohn zu fordern, bedeutet nicht, dessen Festlegung der Regierung oder dem Parlament zu überlassen. Regierung und Bundestag, die die Lohndumping-Agenda beschlossen haben, wollen sie natürlich nicht über einen existenzsichernden Mindestlohn wieder außer Kraft setzen. Der Gesetzgeber wird ohne massiven Druck von Beschäftigten und Arbeitslosen nicht bereit sein, einen ausreichenden Mindestlohn zu beschließen. 15) Der gesetzliche Mindestlohn muss lohnsteuerfrei sein. Seine Einführung würde außerdem die Einnahmen der Sozialversicherung erheblich erhöhen und damit der Krise der Sozialversicherung entgegenwirken. 16) Ein gesetzlicher Mindestlohn von wenigstens zehn Euro fördert auch den Kampf für Arbeitszeitverkürzung. Denn je niedriger die Löhne sind, desto geringer ist das Interesse an Arbeitszeitverkürzung. 17) Die Forderung nach einem Mindestlohn von wenigstens zehn Euro muss wesentlicher Bestandteil des Kampfs gegen die Lohndumping-Agenda sein. Auf dieser Basis ist ein Bündnis zwischen beschäftigten und arbeitslosen Lohnabhängigen möglich. Frankfurt, den 01.09. 2004 Anhang:
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