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Updated: 18.12.2012 15:51
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»Lohnstruktur nach unten öffnen«

Hartz-Reformen und »Kampf gegen Lohndumping« widersprechen sich

Statt auf eine Ausweitung des Entsendegesetzes orientiert die Regierung beim »Kampf gegen Lohndumping« auf das Zurückdrängen illegaler Beschäftigung. Andererseits fördert sie Beschäftigungsformen, die das Unterlaufen jeglicher Minimalentgelte ermöglichen - wie etwa die »Ich-AG«.

Bei der Bundesagentur für Arbeit weiß man derzeit nicht so genau, wie viele Ich-AGs in den einzelnen Branchen der deutschen Wirtschaft aktiv sind. Schuld daran, heißt es beim »Datenzentrum« der Arbeitsmarktverwaltungsstelle, seien »technische Probleme«.

Es ist im Augenblick also nicht zu überprüfen, ob die Bauwirtschaft, wie Gewerkschaften und Arbeitgeber immer wieder behaupten, eine »Spitzenposition« bei den staatlich geförderten Kleinstunternehmen einnimmt. »Ein Großteil der in den Jahren 1995 bis 2004 entlassenen rund 800 000 Bauarbeiter mischt als Ich-AG wieder munter mit«, heißt es etwa in einer neueren Analyse des
Mitteilungsblattes der Bau-Berufsgenossenschaft Rheinland-Pfalz. Auch andere Indizien sprechen für diese These: Seit über zehn Jahren schrumpft die Zahl der Baubeschäftigten dahin - während
die Zahl der Betriebe nahezu konstant geblieben ist.

Die Sozialpartner in der Bauwirtschaft betonen unisono, die Einführung der tariflichen Bau-Mindestlöhne für Hilfs- bzw. Facharbeiter 1998 bzw. 2003 sei eine gute Sache gewesen und funktioniere auch - soweit es sich um reguläre Beschäftigung handelt. Aber wer könnte einem Ich-AG-»Unternehmer« vorschreiben, zu welchem Preis er seine Dienste zu verkaufen hat?

Mittlerweile, hat jüngst Karl Robl, Geschäftsführer des Zentralverbandes des deutschen Baugewerbes, festgestellt, schließen sich die Ich-Unternehmer der Branche zu Gruppen zusammen, die auch differenzierte Aufträge übernehmen können - nur eben nicht als Arbeitnehmer, sondern
als lose kooperierendes Netz von »Selbstständigen«. So wird die Arbeit zwar gemacht - Sozialbeiträge aber nicht gezahlt. Und oft, so Robl in einem Branchenmagazin, leiden auch Qualität und Arbeitssicherheit massiv unter dieser Organisationsform.

Die Diskussion der vergangenen Tage über effektive Maßnahmen gegen »Lohndumping« - und eine mögliche Ausweitung des Bau-Entsendegesetzes und der tariflichen Mindestlöhne auf andere Branchen - mag überfällig sein. Dass sie aber auch eine paradoxe Seite hat, meint Michael Knoche, Sprecher der Baugewerkschaft IG BAU: »Modelle wie die Ich-AGs«, sagt er, »laden förmlich dazu
ein, geregelte Lohnniveaus zu unterbieten - und das mit staatlicher Förderung.«

Kritiker sehen in dieser Situation ein selbstgeschaffenes Dilemma der rot-grünen Arbeitsmarktpolitik. Denn einerseits war und ist erklärtes Ziel der Hartz-Reformen die »Öffnung der Lohnstrukturen nach unten«, wie Michael Hüther, Chef des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln, kürzlich anlässlich der »Lohndumping«-Debatte gesagt hat. Andererseits soll jetzt gerade dies bekämpft werden. Die Billiglohn-Konkurrenz kommt nicht nur auf den Baustellen durchaus auch aus dem Inland.

Artikel von Velten Schäfer, erschienen in ND vom 13.4.2005 - wir danken der Redaktion für die Freigabe!


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