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Arbeit muss sich lohnen!" Dieser ökonomischen Binsenweisheit, die gleichermaßen für Arbeitgeber und -nehmer gilt, sind die aktuell diskutierten Konzepte für Niedriglohnsubventionen gewidmet. Belebt wurde diese Diskussion durch das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit sowie insbesondere durch dessen wissenschaftliches "Benchmarking Committee".
Ausgangspunkt aller Reformkonzepte ist der "Keil", den Sozialabgaben zwischen Arbeitskosten und Nettoentgelte schieben. Dieser senkt die Attraktivität einer Beschäftigung sowohl für (potentielle) Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber. Entsprechend werden mit einer Verkleinerung dieses "Keils" beschäftigungspolitische Hoffnungen verbunden. Dabei konzentrieren sich die Konzepte allerdings auf Geringverdiener. Für eine solche Konzentration erscheinen drei Begründungen naheliegend:
Bei Geringverdienern ist der "Keil" relativ klein. Daher ist dessen Beseitigung hier mit einem geringeren Mitteleinsatz verbunden als bei höher entlohnten Tätigkeiten.
Der Abstand zwischen Sozialleistungen und Erwerbseinkommen ist bei (potentiellen) Geringverdienern weniger ausgeprägt als bei höher entlohnten Arbeitskräften. Daher könnte die Attraktivität einer Beschäftigung hier besonders beeinträchtigt sein und entsprechend ein besonderer Bedarf für eine Abhilfe bestehen.
Bei einer Bezuschussung speziell niedriger Entgelte liegt die Vermutung nahe, dass in sozialpolitisch erwünschter Weise vorrangig einkommensschwache Personen begünstigt werden. Anders als die "klassische" aktive Arbeitsmarktpolitik richten sich die Niedriglohnsubventionen nicht nur an spezielle "Problemgruppen" unter den Arbeitslosen, sondern sollen bei geringen Entgelten generell gewährt werden. Damit sollen Verdrängungseffekte, also der Austausch nicht bezuschusster durch subventionierte Arbeitskräfte, möglichst vermieden werden.
Ebenfalls in Abgrenzung zur aktiven Arbeitsmarktpolitik bisherigen Zuschnitts sollen die Subventionen nicht nur befristet, sondern bei geringer Entlohnung dauerhaft gewährt werden. Dies soll "Drehtüreffekte", also den Austausch zuvor bezuschusster Arbeitnehmer durch neue, wiederum subventionierte Arbeitskräfte, möglichst vermeiden.
1. Bereits Anfang 1998 hatte die SPD-Bundestagsfraktion vorgeschlagen, die Sozialabgaben von Arbeitgebern und -nehmern bei geringen Stundenlöhnen zu bezuschussen. Danach sollen die Sozialabgaben bei Stundenlöhnen von bis zu 10 DM voll erstattet werden. Bei höheren Stundenlöhnen soll der Zuschuss linear so vermindert werden, dass er bei 18 DM ganz entfällt. Der maximale Zuschuss in Höhe von etwa 700 DM monatlich wird bei einer Vollzeitbeschäftigung mit einem Stundenlohn von 10 DM erreicht.
2. Aufbauend auf Überlegungen der Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung hat das Benchmarking Committee im letzten Jahr ein Modell gestaffelter Zuschüsse zu den Sozialabgaben von Arbeitgebern und -nehmern diskutiert. Eine volle Erstattung der Sozialabgaben soll danach bei Vollzeitbeschäftigungen je nach Variante mit Bruttolöhnen von bis zu 1.250 DM bzw. 1.500 DM monatlich erfolgen. Der bezuschusste Anteil soll dann linear so vermindert werden, dass er beim Doppelten der Beträge ausläuft. Bei Teilzeitbeschäftigungen mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 35 Stunden sollen die Grenzen anteilig reduziert werden. Je nach Variante wird der maximale Zuschuss in Höhe von etwa 500 DM bzw. 600 DM monatlich bei einer Vollzeitbeschäftigung mit einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 1.250 DM bzw. 1.500 DM erreicht. Gleichzeitig ist ein gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 8 DM oder 9 DM je Arbeitsstunde vorgesehen. Damit soll auch eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Zuschüsse erschwert werden, die andernfalls bei Teilzeitbeschäftigungen durch eine angebliche Erhöhung der Arbeitszeit möglich wäre.
3. Nach dem Anfang 1999 vorgelegten Mainzer Modell aus der sozialdemokratisch geführten rheinland-pfälzischen Landesregierung sollen ausschließlich die Arbeitnehmerbeiträge bezuschusst werden. Eine volle Erstattung ist bei Bruttolöhnen in Höhe von 630 DM monatlich (Geringfügigkeitsgrenze) vorgesehen. Der Zuschuss soll linear so vermindert werden, dass er beim Zweieinhalbfachen des Betrages (1.575 DM monatlich) entfällt. Bei Ehepaaren soll der Zuschuss vom gemeinsamen Bruttolohn beider Partner abhängen ("Splittinglösung"): Die Arbeitnehmerbeiträge werden dann bei einem gemeinsamen Bruttolohn zwischen 630 DM und 1.260 DM monatlich voll erstattet, und bis zu einem gemeinsamen Bruttoentgelt in Höhe von 3.150 DM monatlich teilweise. Den maximalen Zuschuss in Höhe von 130 DM monatlich erhalten Unverheiratete bis zu einem Monatsentgelt in Höhe von 630 DM; Ehepaare können hingegen bei einem gemeinsamen Entgelt in Höhe von 1.260 DM monatlich höchstens 260 DM monatlich erhalten.
4. Überlegungen von Bündnis 90/Die Grünen hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Mitte 1999 aufgegriffen, um es unter der Bezeichnung Teilzeitmodell einer wissenschaftlichen Analyse zugänglich zu machen. Dabei entspricht das Teilzeitmodell dem Mainzer Modell, jedoch ohne die besonderen Regelungen für Ehepaare. Ergänzend zur Bezuschussung der Sozialabgaben sieht das Mainzer Modell einen degressiven Zuschlag zum Kindergeld in Höhe von maximal 150 DM monatlich je Kind für wohngeldberechtigte Geringverdiener vor. Dies soll der besonderen Lage von Eltern Rechnung tragen, bei denen ein besonders geringer Abstand zwischen Sozialleistungen und Erwerbseinkommen vermutet wird. Auch im Zusammenhang mit dem Modell der gestaffelten Zuschüsse des Benchmarking Committees wird ein solcher Zuschlag erwogen.
Die Vorschläge für eine Subventionierung von Sozialabgaben unterscheiden sich insbesondere in drei Punkten:
Die Diskussion um die Niedriglohnsubventionen wurde im letzten Jahr intensiv durch empirische Analysen wissenschaftlich begleitet. Auch hierfür war das Benchmarking Committee impulsgebend. Mangels eigener methodischer Kapazitäten stützte es sich dabei auf Untersuchungen verschiedener Forschungsinstitute und des Autors.
Trotz aller Unterschiede im Detail lassen sich die Ergebnisse der Untersuchungen wie folgt zusammenfassen:
Während auf der Basis eigener Analysen für das Modell der gestaffelten Zuschüsse in seiner großzügigeren Variante zusätzlich etwa 140.000 Beschäftigte prognostiziert werden können,[1] rechnet das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) mit etwa 290.000. [2] Der Zuschussbedarf für bestehende Beschäftigungsverhältnisse wird übereinstimmend in mehreren Untersuchungen auf etwa 19 bis 20 Mrd. DM jährlich veranschlagt. Nach eigenen Berechnungen ergeben sich für diesen Personenkreis Steuermehreinnahmen und Minderausgaben für Sozialleistungen in Höhe von zusammen etwa 8 Mrd. DM, so dass netto 11 Mrd. DM jährlich verbleiben. Unter Berücksichtigung der Anpassungen auf dem Arbeitsmarkt ergeben sich somit 10 Mrd. DM jährlich bzw. 70.000 DM je zusätzlich Beschäftigtem. Das IZA hingegen rechnet mit lediglich 5.400 DM jährlich je zusätzlich Beschäftigtem.
Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat das SPD-Konzept untersucht, dabei allerdings abweichend unterstellt, die gesamte Förderung erfolge zugunsten der Arbeitgeber. Das ZEW prognostiziert auf Basis seiner empirischen Analyse 50.000 zusätzliche Beschäftigte und schätzt den effektiven Finanzbedarf überschlägig auf 7 Mrd. DM jährlich.[3] Dies entspricht 140.000 DM je zusätzlich Beschäftigtem. Es veranschlagt den Beschäftigungseffekt "freihändig" auf das Doppelte.
Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass gemessen an Finanzbedarf und Beschäftigungswirkungen das Modell der gestaffelten Zuschüsse dem SPD-Konzept überlegen ist. Beide dürften dabei einer linearen Senkung der Sozialabgaben überlegen sein. Sowohl das IZA als auch der Autor prognostizieren für das Mainzer Modell und das Teilzeitmodell allenfalls sehr geringe Beschäftigungswirkungen.[4]
Nach einer eigenen Untersuchung ist der Zuschlag zum Kindergeld beschäftigungspolitisch kontraproduktiv.[5] Durch den Zuschlag wird zwar für Geringverdiener die Erwerbstätigkeit eines Elternteils gegenüber der Nicht-Erwerbstätigkeit beider Elternteile attraktiver, gleichzeitig sinkt jedoch auch die Attraktivität einer Erwerbstätigkeit beider Elternteile.
Damit dürften insgesamt die prognostizierten Beschäftigungswirkungen hinter den Erwartungen der Protagonisten der entsprechenden Konzepte zurückbleiben. Die geringen arbeitsmarktpolitischen Wirkungen dürften auch daraus resultieren, dass bei einem Teil der potentiellen Empfänger der Zuschuss ohnehin durch die Anrechnung auf Sozialleistungen aufgezehrt würde. Vorteilhaft wäre die Bezuschussung jedoch insbesondere für Doppelverdiener-Ehepaare, die bei Erwerbstätigkeit eines Partners keine Sozialleistungen beanspruchen können und bei denen der andere Partner einen niedrigen Stundenlohn erhält oder teilzeitbeschäftigt ist. Letzteres gilt insbesondere für zuverdienende Ehefrauen.
Angesichts der prognostizierten geringen beschäftigungspolitischen Chancen bei hohem Finanzbedarf stellt sich die Frage nach einer verteilungspolitischen Rechtfertigung der Konzepte von Niedriglohnsubventionen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat hierzu eine entsprechende Untersuchung des Modells der gestaffelten Zuschüsse vorgelegt.[6] Danach fließen die Zuschüsse für bereits Beschäftigte ("Mitnahmeeffekte") zu etwa zwei Drittel in unterdurchschnittlich situierte und zu etwa einem Drittel in überdurchschnittlich wohlhabende Haushalte. Die verteilungspolitisch unerwünschte Begünstigung letzterer Haushalte resultiert aus der Bemessung der Zuschüsse anhand der individuellen Einnahmen aus lediglich einer Quelle, nämlich des sozialversicherungspflichtigen Bruttolohns.
Zur Vermeidung dieser verteilungspolitischen Konsequenzen erscheint die Einführung einer Bedürftigkeitsprüfung naheliegend. Damit würden jedoch Verheiratete mit gut verdienendem Ehepartner von der Förderung weitgehend ausgeschlossen. Dies würde vermutlich die arbeitsmarktpolitische Wirksamkeit deutlich einschränken. Als Indiz hierfür können auch verschiedene empirische Untersuchungen gelten, in denen eine Senkung der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf die Sozialhilfe analysiert wurde.[7]
Insgesamt trüben die skizzierten empirischen Untersuchungen die Hoffnung auf beschäftigungspolitische Wunder durch unterschiedliche Konzepte einer Niedriglohnsubvention. Auch gibt es Hinweise auf verteilungspolitisch problematische Konsequenzen. Im Vergleich zu ebenfalls in der Debatte vertretenen Vorschlägen zu einer linearen Senkung der Beitragssätze zur Sozialversicherung erscheint es jedoch möglich, mit den hier vorgestellten Modellen hinsichtlich des Finanzbedarfs und der Beschäftigungssicherung bessere Ergebnisse zu erzielen. Die Prognosen sollten Anlass geben, die Suche nach einer geeigneteren Ausgestaltung fortzusetzen und angesichts bestehender Prognoseunsicherheiten unterschiedliche Lohnsubventionen vor einer flächendeckenden Einführung in befristeten und regional begrenzten Modellversuchen zu erproben. Entsprechend schlägt das Benchmarking Committee in seinem Bericht vom November 1999 vor, das Mainzer Modell und ein bislang nicht untersuchtes Konzept aus dem Saarland zu erproben.[8] Dies wurde im vierten Spitzengespräch des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit am 12. Dezember 1999 vereinbart. Voraussichtlich werden dabei die Zuschüsse allerdings nicht nur aufgrund des Modellcharakters befristet, sondern zudem auch auf (zusätzliche) Neueinstellungen konzentriert. Beides steht der ursprünglichen Intention der neuen Konzepte für Niedriglohnsubventionen entgegen. Daher ist nur mit einer beschränkten Aussagekraft der Ergebnisse zu rechnen. Ohnehin bleibt auch darüber hinaus Raum für die Entwicklung geeigneter beschäftigungspolitischer Konzepte.
* Dr. Bruno Kaltenborn ist freiberuflicher Politikberater in Bonn; Hauptarbeitsgebiete: Sozial-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik.
Eine ausführliche Fassung (17 Seiten) mit Quellenangaben enthält der IAB-Werkstattbericht Nr. 19, 6. Dezember 1999, Nürnberg; Bezug zum Preis von 2 DM zzgl. Porto beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Regensburger Straße 104, 90327 Nürnberg.
1) Kaltenborn, Bruno: Arbeitsmarkteffekte subventionierter
Sozialabgaben, Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Bd. 228,
September 1999, Nürnberg.
2) Riphahn, Regina T. / Zimmermann, Klaus F.: Schaffung
von Arbeitsplätzen für Geringqualifizierte, unveröffentlichte
Gutachterliche Stellungnahme im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit
und Sozialordnung, IZA, 24. Juni 1999, Bonn.
3) Buslei, Hermann / Steiner, Viktor: Beschäftigungseffekte
von Lohnsubventionen im Niedriglohnbereich, Schriftenreihe des ZEW, Bd. 42,
November 1999, Baden-Baden.
4) Thalmaier, Anja / Zimmermann, Klaus F.: Schaffung von Arbeitsplätzen für Geringqualifizierte II, unveröffentlichte 2. Gutachterliche Stellungnahme im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, IZA, 26. Juli 1999, Bonn; Kaltenborn, Bruno: Fiskalische Effekte und Beschäftigungswirkungen einer degressiven Bezuschussung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, Gutachten im Auftrag des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, IAB-Werkstattbericht Nr. 14, 26. August 1999, Nürnberg.
5) Kaltenborn, Bruno, "Arbeitsmarkteffekte...", a.a.O.
6) Schupp, Jürgen u.a.: "Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen im Niedriglohnbereich: Wenig zielgerichtet und teuer", DIW-Wochenbericht, Jg. 66, H. 27, 8. Juli 1999, S. 499-509.
7) Buslei, Hermann / Steiner, Viktor: "Beschäftigungseffekte...", a.a.O.; Dreger, Christian u.a.: "Was bringt ein Kombilohn?", Eine ökonometrische Analyse der Arbeitsangebotsreaktionen von Sozialhilfeempfängern und der fiskalischen Effekte für Sozialhilfeträger, Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Jg. 31, 1998, Nr. 4, S. 705-714; Kaltenborn, Bruno: Reformkonzepte für die Sozialhilfe: Finanzbedarf und Arbeitsmarkteffekte, April 2000, Baden-Baden.
8) Fels, Gerhard u.a.: Möglichkeiten zur Verbesserung der Beschäftigungschancen gering qualifizierter Arbeitnehmer, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Bericht der Wissenschaftlergruppe Arbeitsgruppe Benchmarking des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit vom Nov. 1999/Jan. 2000, Berlin.
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