Hartz IV – Vorbereitungstraining

„So, Frau Waldbauer, jetzt spielen Sie wieder den Arbeitslosen.“
„Aber der Herr Meyer-Wenck schlägt immer so hart zu...“
„Das macht nichts. Jeder kommt einmal dran. – Haben Sie alles kapiert bis jetzt? Fassen Sie doch bitte noch mal zusammen.“
„Also, im rechten Schreibtischschub liegt die chemische Keule, unterm Tisch hängt der Baseballschläger und für schwerere Fälle haben wir links im Schreibtisch die 45er Magnum...“
„Genau.“
„Aber was passiert jetzt eigentlich, wenn der Arbeitslose – entgegen unseren Erwartungen - nur höflich fragt, ob er eine Arbeit haben kann?“
„In solchen Fällen müssen’s besonders vorsichtig sein. Nach Inkrafttreten von Hartz IV sind die Leute so aggressiv, dass eine höfliche Anfrage nach Arbeitsvermittlung mit Sicherheit nur eine Provokation oder eine Tarnung ist.“
„Und wenn der Arbeitslose nur ganz allgemein etwas wissen will oder mit seinem Antrag nicht zurecht kommt?“
„Dann müssen’s erst recht vorsichtig sein. Fas habe ich Ihnen doch im theoretischen Teil schon erklärt. Dann will er sie nämlich nur in ein ablenkendes, zermürbendes Gespräch vermitteln mit dem Ziel der Störung des Betriebsablaufes unserer Behörde. Psychologische Kriegsführung nennt
man so etwas.“
„Und... – wenn er nur nach der Uhrzeit fragen will?“
„Dann hat der Arbeitslose garantiert eine Bombe bei sich. Sicherheitsstufe 1, roten Knopf drücken und umgehend den Raum verlassen.“
„Kann man eigentlich davon ausgehen, dass der Arbeitslose überhaupt nichts wollen darf, wenn er am Service Point steht?“
„Jawohl. Nur ein Arbeitsloser, der überhaupt nichts will und nichts sagt, ist mit Hartz IV kompatibel. Der hat dann verstanden, worum es geht und ihn können Sie abfertigen.“
„Aber wenn einer überhaupt nichts sagt und nichts will und keine Arbeit vermittelt kriegt, warum kommt er denn überhaupt noch zu uns?“
„Das ist nur eine vorübergehende Erscheinung, Frau Waldbauer, weil die Leute es so gewöhnt sind. Das wird bald weniger werden und irgendwann hört es ganz auf.“
„Und was machen wir dann, wenn überhaupt keiner mehr kommt?“
„Das Licht aus.“

Satire aus Der Deutsche Einheit(z)-Textdienst von Werner Lutz 8/04