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Updated: 18.12.2012 15:51
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Alg II macht obdachlos – Zusammenstellung von Pressemitteilungen von Mieterforen im Ruhrgebiet


PRESSEMITTEILUNG, Witten, 09.07.2004

IWA und Mieterverein wollen neue Wohnkosten-Regeln durchsetzen - Wer arbeitslos ist, darf nicht auch noch seine Wohnung verlieren

Bürgerantrag zur Umsetzung von Hartz IV in Witten

Die Interessengemeinschaft Wittener Arbeitsloser (IWA) und der MieterInnenverein haben sich in einem gemeinsamen Bürgerantrag an den Rat der Stadt Witten gewandt. Die Politiker sollen noch bei der letzten Ratssitzung in diesem Jahr beschließen, dass durch die Umsetzung der Arbeitsmarkt„reformen„ niemand aus seiner Wohnung gedrängt wird.

Ab 1.1.2005 fällt die bisherige Arbeitslosen- und Sozialhilfe weg und wird durch das Arbeitslosengeld II (für Erwerbsfähige) und Sozialgeld (für nicht erwerbsfähige Angehörige in der "Bedarfsgemeinschaft") oder die Restsozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch XII (Nicht Erwerbsfähige) ersetzt. Damit rutschen die bisherigen BezieherInnen von Arbeitslosenhilfe auf weniger als das Sozialhilfeniveau herunter. Und das betrifft auch die Kosten der Wohnung.

Diese werden nur in begrenzter Höhe übernommen. Neben einer Grundpauschale (345 Euro bei 1 Person) erhalten die BezieherInnen von ALG II noch die Kosten der Wohnung, Nebenkosten und Heizung erstattet, jedoch nur in "angemessner Höhe". Nur für einen Zeitraum von 6 Monaten werden höhere Wohnkosten geduldet, wenn eine Kostensenkung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Danach wird die Bezahlung der Wohnkosten "in der Regel" auf den "angemessenen Betrag" gekürzt. (§ 22 SGB II) Jeder Umzug muss vom Job-Center genehmigt werden. Was nun "angemessen" ist, wird im Gesetz nicht geregelt. Das Arbeitsministerium plant auch keine Verordnung zu dieser Frage. Damit legen die kommunalen Träger der Wohnkosten - Stadt, Kreis - die "Angemessenheit" fest. Es ist davon auszugehen, dass sie die bisherigen Sozialhilfesätze anwenden. In Witten galten in der Sozialhilfe bislang für angemessen: 1 Personen-Haushalt: bis 48 qm 5,11 Euro/qm Grundmiete; 2 Personen-Haushalt: bis 62 qm 4,87 Euro/qm - 3 Personen-Haushalt bis 74 qm 4,73 Euro/qm usw. Wer über diesen Werten lag, dem wurde der Zuschuss gekürzt. Meistens ist die Wohnung zu groß. Viele Menschen mit Arbeitslosenhilfe haben heute größere oder teurere Wohnungen. Sie müssen mit Kürzungen rechnen, wenn keine erträglicheren Grenzen gefunden werden. Das preiswerte Marktsegment wird wegen dieser und anderer Hartz IV-Regelungen schnell "dicht" sein. Aber auch, wer keine billigere Wohnung findet kann Kürzungen erhalten.

Mit dem Bürgerantrag wollen wir erreichen, dass es ab 1.1.2005 NICHT zu Mieterverdrängungen, persönlichen Tragödien und vermehrter Obdachlosigkeit kommt. Stadt und Kreis können und müssen andere Werte festlegen und die Arbeitslosen vor Vertreibungen schützen. Die Kosten dafür sollten nach der Aufstockung durch den Bundesrat gedeckt sein. Einzelheiten dazu sich aber noch nicht bekannt.

Mit freundlichen Grüßen, Knut Unger

Pressemitteilung Mieterforum Ruhr vom 17.06.2004

Hartz IV: Clement verweigert Verordnung zum Schutz der arbeitslosen Mieter.

Wohnkostenregelung für Sozialhilfeempfänger wird auf alle Arbeitslosen
übertragen - Einigung mit Städten auf dem Rücken der Betroffenen?

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat uns mit Schreiben vom 15. Juni mitgeteilt, dass es keinen Bedarf sieht, "von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung zu den angemessenen Kosten und der Unterkunft und Heizung gem. § 27 SGB II Gebrauch zu machen".

Mieterforum Ruhr befürchtet:
"Damit wird es in den Kommunen zu einem Hauen und Stechen über die Frage kommen, wie viele Arbeitslose man zu Umzügen in billigere Wohnungen zwingen will und ob es diese Wohnungen überhaupt gibt. " "Die sich angeblich abzeichnende Einigung zwischen Städtetag und Clement
ist eine Rechnung ohne die Betroffenen."

Mieterforum Ruhr hatte Minister Clement auf die drohende Verdrängung arbeitsloser Mieter durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe hingewiesen und neben einem kompletten Kostenersatz für die Kommunen Schutzbestimmungen für die Wohnraumversorgung der ALG
II-BezieherInnen gefordert. Das Ministerium weist in seinem Antwortschreiben alle Kritikpunkte und Befürchtungen zurück. Die "Angemessenheit" der Unterkunftskosten nach dem neuen SGB II orientiere sich an der bisherigen Praxis der Kommunen bei der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten für Sozialhilfeempfänger gem. BSHG. Angemessen seien Wohnungen, deren Größe sich an den Bestimmungen des Wohnungsbindungesetzes "orientieren" (z.B. 45 q, für einen 1-Personen-Haushalt) und deren Mieten im unteren Bereich der Mietspiegel lägen. Auch durch Ausdehnung der Bestimmungen auf die Arbeitslosen komme es nicht zu Verdrängungen, da die Arbeitslosen ihre Wohnkosten bereits dem niedrigen Einkommen angepasst hätten. Außerdem seien Einzelfallregelungen möglich. Es komme auch nicht zu einer Konzentration von
LeistungsbezieherInnen in bestimmten Wohngebieten, da billiger Wohnraum in
Sozialwohnungen und reichen Stadtvierteln gestreut vorkomme.

"Diese Aussagen gehen an der Realität völlig vorbei", kommentiert Knut Unger vom Mieterforum Ruhr. "Erstens sind bereits zahlreiche SozialhilfeempfängerInnen durch kommunale Maßnahmen aus ihren bisherigen Wohnungen verdrängt worden. Die Rechtsprechung zum BSHG hat sich zum
Nachteil der MieterInnen entwickelt. LeistungsbezieherInnen müssen mit Wohnraum am unteren Rande der Skala vorlieb nehmen, wenn das Sozialamt das verlangt. Es gibt zahlreiche unterschiedliche kommunale Regelungen. Manchmal liegen die maximalen Wohnflächen unterhalb der Regelungen des WoBindG und die Höchstmieten erlauben manchmal nicht mal die Anmietung einer Sozialwohnung. Im Grunde können die Kommunen ziemlich willkürlich bestimmen, welche Standards sie den Sozialhilfeempfängern zumuten wollen oder - angesichts ihrer Haushaltslage - müssen. Mit Mühe wurden in einigen Städten Reglungen gefunden, die gerade noch hinnehmbar sind. Jeder weiß, dass wir bereits heute ein massives Problem mit der Konzentration von
Sozialhilfeempfängern in bestimmten Sozialbausiedlungen haben. Es ist unbegreiflich, wie das Sozialministerium das ignorieren kann."

Wenn die bisherigen kommunalen BSHG-Regelung auf die bisherigen Arbeitslosenhilfeempfänger übertragen werden, bedeute das, dass auf einen Schlag eine riesige Gruppe - oft 100 % der bisherigen Betroffenen - in die Amtswillkür der verarmten Sozialämter überführt werde. Ein großer Teil der Arbeitslosenhilfeempfänger bewohne Wohnungen, die zwar sicher nicht luxuriös seien, deren Mieten aber sehr wohl über den niedrigen Grenzwerten der Ämter lägen. Wenn diese Menschen nun nach einem halben Jahr Gnadenfrist Aufforderungen zur Senkung ihrer Unterkunftskosten erhielten, "werden wir ein Chaos bekommen wie es die Sozialverwaltungen noch nicht erlebt haben."

"Einige werden spuren und damit aus ihren nachbarschaftlichen Bindungen gerissen. Andere werden vergeblich suchen oder sich schlicht weigern, diesen Zumutungen Folge zu leisten. Die Folgen sind Leistungskürzungen, die schnell auch zur Gefährdung der Wohnung überhaupt führen können oder gar das Ausweichen in illegale Beschäftigung. Auf jeden Fall wird es Widersprüche
und Klagen hageln, die die Sozialämter dann mehr beschäftigen werden als die Integration in den Arbeitsmarkt."

Vor allem aber stünden in vielen Städten Wohnungen zu den bisherigen Limits überhaupt nicht ausreichend zur Verfügung. "Die Umsetzung ist z.b. in Witten oder Bochum schlicht und einfach nicht möglich", sagt Knut Unger. "Denn die bisherigen Obergrenzen bewegen sich am unteren Rand dessen, was für die jetzige Zahl der Betroffenen unter Inkaufnahme von Härten und
Diskriminierungen noch möglich ist."

"Zwar ist es den Städten freigestellt, ihre bisherigen Regelungen den neuen Bedingungen anzupassen und die Arbeitslosen wenigstens in Sachen Wohnungsversorgung in Ruhe zu lassen. Dann aber stellt sich erneut die Frage, wer diese Selbstverpflichtung auf soziale Selbstverständlichkeiten bezahlt. Wir gehen davon aus, dass den Verhandlungen über den Kostenersatz für die Unterkunftskosten der Kommunen die bisherigen BSHG-Erfahrungswerte
zu Grunde liegen. Und das wird wahrscheinlich zu wenig sein."

Mieterforum Ruhr fordert daher den Erlass einer Verordnung zum SGB II, die zweierlei regelt:

1. Die bisherige Wohnung der Dauerarbeitslosen muss geschützt sein. Die Wohnkosten müssen im Regelfall immer komplett ersetzt werden. "Verdrängungen von Arbeitslosen aus ihrer Wohnung wären unserer Auffassung weder mit dem Grundgesetz noch mit den internationalen
Menschenrechtsverpflichtungen der Bundesrepublik vereinbar. Darauf werden wir wenn nötig zurückkommen."

2. Bei dem Umzug in eine neue Wohnung können lokale Obergrenzen festgesetzt werden, die sich an einer für die Zahl der arbeitslosen Wohnungssuchenden ausreichenden Anzahl an Wohnungen orientiert, die tatsächlich für die Arbeitslosen zur Verfügung stehen. Diese statistischen Werte können im Zuge wissenschaftlicher Erhebungen zu Mietspiegeln ermittelt werden, was bedeutet, dass die Anzahl und die Miethöhen bei Neuvermietung ermittelt und in ein Verhältnis zu den arbeitslosen Wohnungssuchenden gesetzt werden müssen. Zusätzlich muss überprüft werden, dass das so ermittelte Wohnungsangebot räumlich nicht konzentriert ist. Diese Erhebungen
müssen im Unterschied zu den jetzigen Mietspiegelbestimmungen gesetzlich vorgeschrieben werden. Die angemessenen Wohnungsgrößen müssen verbindlich an die Mindeststandards
des WoBindG gebunden werden.

Nur auf der Grundlage einer derartigen Verordnung wären dann auch die Kommunen in der Lage, die tatsächlich anfallenden Wohnkosten zu ermitteln. Auf die Deckung dieser Kosten müssten die Kommunen einen einklagbaren Anspruch haben , "einschließlich der Zinskosten für die Vorfinanzierung bis zum Wirksamwerden der Revision."

Pressemitteilung Mieterforum Ruhr
Bochum, 13. Mai 2004

Arbeitslosen-Slums durch Hartz IV?
Brief an Clement: Mietervereine fordern Schutz für arbeitslose BewohnerInnen

Mieterforum Ruhr hat in einem Offenen Brief Wirtschaftsminister Clement aufgefordert, die Arbeitsmarkt-Reform umgehend nachzubessern. Durch Verordnungen müsse die Verdrängung arbeitsloser MieterInnen aus ihren Wohnungen verhindert werden. Wegen der massiven Folgen für die Wohnsicherheit und die Soziale Stadt sei die Umsetzung von Hartz IV ansonsten nicht zu verantworten.

Bislang ist trotz mehrfacher Versicherung, die Kommunen würden entlastet, nicht klar, wie die gewaltige Finanzierungslücken gedeckt werden sollen. In Clements Heimatstadt Bochum wird z.B. mit 40 Mio. Euro Mehrbelastung pro Jahr gerechnet.

Nach § 27 SGB II ist der Erlass einer Rechtsverordnung zu den angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung vorgesehen. Unsere Wissens liegt eine solche Rechtsver-ordnung bislang nicht einmal im Entwurf vor. Es scheint erhebliche Abstimmungsprobleme zu geben, weil in der Rechtsprechung eine Pauschalierung der Wohnkosten umstritten ist. Eine Pauschalierung wäre in der Tat sachfremd, da Mieten und Nebenkosten je nach Lage und Ort stark variieren.

Sicher ist, dass alle bisherigen Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen vom jetzigen System der freien Wohnungswahl (mit Anspruch auf Wohngeld) in ein System der Abhängigkeit von kommunalen Leistungen überführt werden. Sicher ist auch, dass die durchschnittlichen Wohnkosten der bisherigen Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen deutlich höher sind als die der bisherigen SozialhilfebezieherInnen.

Sollte es nicht zu einer kompletten Erstattung der tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten kommen, müssen wir eine Weitergabe des Kostendrucks an die Erwerbslosen befürchten. Niedrige Kostengrenzen werden außerdem dazu führen, dass sich die Dauerarbeitslosen mehr und mehr in den billigsten und schlechtesten Wohnquartieren konzentrieren. Die Folgen wären das genaue Gegenteil von Integration.

Nach den bisherigen Regelungen (für Sozialhilfeempfänger/innen) in Bochum kann zum Beispiel ein 80-qm-Haushalt höchstens eine Wohnung bis Baujahr 1969 in normaler Lage anmieten, die dann aber nicht wärmege-dämmt ist und keinen Balkon haben darf. Selbst wenn es bei den jetzigen Kostengrenzen bliebe, würde die durch Hartz IV stark erhöhte Anzahl der von kommunalen Zah-lungen abhängigen Haushalte in die schlechtesten Wohngebiete abgedrängt.

Wir unterstützen die Position der Kommunalverbände, dass Hartz IV nicht umsetzbar ist, wenn die versprochene Entlastung der Kommunen nicht eintritt. Eine Sicherheit für die betroffene Wohnbevölkerung besteht nur dann, wenn für jede Kommune garantiert ist, dass ihre spezifischen und tatsächlichen Kosten der Unterbringung zeitnah gedeckt werden. Es ist schwer vorstellbar, wie dies über einen nachträglichen Finanzausgleich oder eine Nachberechnungsklausel erreicht werden kann. Auch für Vorfinanzierungen fehlt vielen Kommunen das Geld.

Es ist unbedingt erforderlich, dass durch eine Rechtsverordnung garantiert wird, dass kein Arbeitsloser aufgrund der Wohnkosten aus seiner Wohnung verdrängt wird. Auch bei der Neuanmietung einer Wohnung dürfen keine Kostenpauschalen eingeführt werden, die die Arbeitlosen in ‚Ghettos’ drängen.

Mieterforum Ruhr c/o Mieterverein Bochum e. V. Brückstr. 58 44787 Bochum
Mieterforum Ruhr ist ein Zusammenschluss von DMB-Mietervereinen im Ruhrgebiet mit insgesamt über 35.000 Mitgliedern.


Hartz IV aufschieben: Zehntausenden Mietern droht Vertreibung

Pressemitteilung Mieterforum Ruhr
Bochum, 22. April 2004

Mieterforum Ruhr (35.000 Mitglieder im Ruhrgebiet) hat sich der Forderung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes angeschlossen, den Start des Arbeitslosengeldes II zu verschieben. Angesichts zahlreicher Unklarheiten wäre es unverantwortlich, die Reform zum 1. Januar 2005 in
Kraft treten zu lassen.

Bis heute gibt es keine Rechtsverordnung für die Angemessenheit der Unterkunftskosten der Erwerbslosen. Bei der Finanzierung durch die Kommunen besteht eine Milliardenlücke. Wir müssen befürchten, dass der Druck an die erwerbslosen Mieter weitergegeben wird.

Ohne gesetzlichen Schutz und verbindliche Finanzierungsregelungen droht zehntausenden Mietern in unserem Organisationsgebiet die amtliche Vertreibungen aus ihren bisherigen Wohnungen in Arbeitslosen-Ghettos.

Mieterforum Ruhr c/o Mieterverein Bochum e. V. Brückstr. 58 44787 Bochum


Hartz IV bedroht Recht auf Wohnen und soziale Stadt

Habitat Netz e.V. & AG Habitat im Forum Umwelt und Entwicklung
PRESSEMITTEILUNG 26.04.2004

Die Umsetzung der Hartz IV-Gesetze führt nicht nur organisatorisch zu massiven Problemen und bedroht die Kommunen mit einem finanziellen Super-GAU. Bewohnerorganisationen warnen auch vor den Folgen der Unterkunftskostenregelung für die Wohnsicherheit der betroffenen
Erwerbslosen und für die soziale Integration.

Die Abwälzung der Unterkunftskosten für die Bedarfsgemeinschaften nach SGB II auf die Kommunen plus der Streichung des Wohngeldes für die BezieherInnen von Leistungen nach SGB II und SGB XII führen zu einer Mehrbelastung der Kommunen in Milliardenhöhe. Bislang ist trotz
verschiedener Ankündigungen durch Minister Clement nicht klar, wie die gewaltige Finanzierungslücke von mindestens 5 Mrd. Euro gedeckt werden soll.

Sollten die tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten der Kommunen nicht komplett gedeckt werden, befürchten wir eine Weitergabe des Kostendrucks an die Erwerbslosen.

Bei 80 bis 110 Mio. Euro Mehraufwand z.B. in Dortmund ist aber nicht vorstellbar, wie das funktionieren soll. Da müssten schon Tausende direkt auf die Straße befördert werden.

Selbst wenn eine finanzielle Nachbesserung in letzter Minute gefunden würde, ist die Wohnsicherheit der LeistungsbezieherInnnen in Gefahr. Die Festsetzung von niedrigen Obergrenzen für die Übernahme der Unterkunftskosten der BezieherInnen von Sozialhilfe hat schon in der Vergangenheit zu Verdrängungen geführt. Durch die Hartz-Reformen erhöht sich die Zahl der Menschen, die direkt von den Mietzahlungen der Kommune angewiesen sind, in manchen Städten um 60 % und mehr. Die durchschnittlichen Wohnkosten der bisherigen Arbeitslosenhilfe-BezieherInnen liegen deutlich höher als die der bisherigen SozialhilfebezieherInnen.

Nach § 27 SGB II ist der Erlass einer Rechtsverordnung zu den angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung vorgesehen. Nach unserem Informationsstand liegt eine solche Rechtsverordnung bislang nicht einmal im Entwurf vor.

Damit stehen alle erwerbslosen Menschen vor der Frage, ob sie zusätzlich zu der verzweifelten Suche nach einem Arbeitsplatz auch noch die Bürde eines kostensenkenden Umzugs aus ihrer angestammten Umgebung tragen müssen. Niedrige Kostengrenzen werden dazu führen, dass sich die Dauerarbeitslosen mehr und mehr in den billigsten und schlechtesten Wohnquartieren konzentrieren. Die Folgen wären das genaue Gegenteil einer Förderung der Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt.


Hartz IV bedroht tausende Mieter in Witten

MieterInnenverein Witten u. Umgeb. e.V.
Pressemitteilung, Witten, den 26.04.04

Der EN-Ruhr-Kreis schätzt die zusätzliche Kostenbelastung der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf knapp 18 Mio. Euro im Jahr. Nach Einschätzungen des Wittener Sozialamtes werden davon etwa 40 % auf Witten entfallen. Dies geht aus der Beantwortung einer
Rats-Anfrage der PDS hervor, die dem MieterInnenverein Witten vorliegt.

Mit großem Abstand der größte Faktor bei dieser Kostensteigerung ist die Abwälzung der kompletten Unterkunftskosten für alle bisherigen EmpfängerInnen von Sozial- und Arbeitslo-senhilfe auf die Kommunen. Ohne Nachbesserung des Gesetzgebers kommen auf Witten und den Kreis unlösbare Haushaltsprobleme zu.

Die Schätzungen beruhen auf den bisherigen Zahlen der SozialhilfemepfängerInnen (in Witten bislang 4818 Personen) und der ArbeitslosenhilfeempfängerInnen, die zukünftig das auf Sozialhilfeniveau abgesenkte "Arbeitslosengeld II" beziehen sollen (2.595 Personen in Witten, Februar 2004). Hinzu kommen ihre Haushaltengehörigen, die nach dem neuen Gesetz "Sozialgeld" beziehen werden. Im ganzen EN-Ruhr-Kreis wird mit über 20.000 anspruchsberechtigten Personen gerechnet.

In Witten werden damit mindestens etwa 5000 Arbeitslose und ihre Angehörigen auch im Wohnbereich vor eine völlig neue Situation gestellt: Bislang konnten sie ihre Wohnung nach eigenen Prioritäten auswählen und hatten sehr häufig Anspruch auf Wohngeld. In Zukunft sind sie komplett von der Übernahme der Kosten durch die Stadt abhängig. Die Stadt schätzt, dass die Wohnkosten der bisherigen Arbeitslosenhilfe- um 10 bis 20 % höher liegen als die der SozialhilfeempfängerInnen. Das heißt: Würden die bisherigen Kostenobergrenzen für die Übernahme der Unterkunftskosten durch das Sozialamt auf die ALG II-BezieherInen übertragen, müssten Tausende von Menschen mit Umzugsaufforderungen rechnen.

"Darüber hinaus stellt es einen besonderen sozialen Sprengstoff dar, wenn Arbeitslosenhil-febeziehende künftig auf angemessenen Wohnraum verwiesen werden müssen und mög-licherweise Tausende von Menschen im Ennepe-Ruhr-Kreis die Wohnung wechseln müssen," heißt es dazu in einem Arbeitspapier des Ennepe-Ruhr-Kreises vom 18.3.2004.

Bislang freilich liegt die zu dieser Frage erforderliche Rechtsverordnung nicht einmal im Entwurf vor.

Der MieterInnenverein Witten unterstützt die Forderung der Kommunalverbände nach einer Entlastung von den tatsächlich anfallenden Mehrkosten. Gegenwärtig ist die Hartz IV-Reform auch wegen der gewaltigen Finanzierungslücke von 5 Mrd. Euro nicht umsetzbar. Unabhängig davon müssen die Erwerbslosen vor Verdrängung durch die Ämter geschützt werden.

"Sonst haben wir in unseren Städten sehr bald Arbeitslosenghettos", befürchtet der MieterInnenverein.

i.A. Knut Unger


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