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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Die
58-Regelung ist rechtlich weiterhin gültig
Die bereits vereinbarte Regelung für die knapp 400.000 Unterzeichner der sog. „58-Regelung“ soll durch Hartz IV ab dem 01.01.2005 nicht mehr gelten. Trotz vieler Proteste gegen diesen „Vertrauensbruch“ (DGB), fehlt bisher jedoch das Wesentlichste: Auch wenn die Regierung sich das so vorstellt, rechtlich ist der gewünschte Weg weder möglich noch zulässig. Armin Kammrad (verantwortlich im Sinne des Presserechts), 20.08.2004 Ich richte mich hier mit meinen Anmerkungen vor allen an die Betroffenen. Deshalb bitte ich meine Überlegungen möglichst zu verbreiten und bekannt zu machen. Warum also sind die bereits getroffenen Vereinbarungen der 58-Regelung rechtlich weiterhin gültig? Die Regierung hat die Zielsetzung von SGB II (§ 1), als Kernstück von Hartz IV, selbst als „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ festgelegt. All diejenigen, welche die 58-Regelung in Anspruch nahmen, haben mit der Agentur und mit definitiver Zustimmung der Regierung eine Reglung vereinbart, nach der sie keine Arbeit mehr suchen. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben von SGB II kann dieser Personenkreis deshalb davon auch nicht erfasst werden. Die Unterzeichner der 58-Regelung können nicht von einem Gesetz erfasst werden, dass definitiv die Grundsicherung von der Bereitschaft zur Arbeitssuche abhängig macht. Die Unterzeichner der 58-Regelung vereinbarten ja vielmehr keine Arbeit mehr zu suchen, was einschloss die Agentur auch vom Vermittlungsaufwand zu entlasten. Theoretisch denkbar wäre, dass die Betroffenen die Vereinbarung kündigen, d.h. dass sie erklären nun doch Arbeit suchen zu wollen. Stimmt dem die Agentur zu (was sicher ist), gelten dann tatsächlich die Regelungen von SGB III bzw. SGB II. Die Vereinbarung wäre mit gegenseitigem Einverständnis aufgehoben. Nachzahlungen aufgrund der, durch die ursprüngliche Vereinbarung entstandenen finanziellen Nachteile, wären dann allerdings ausgeschlossen, da der oder die Betroffene ja freiwillig einer Aufheben der bereits getroffenen Vertragsvereinbarung zustimmt. Doch warum sollte dies jemand tun? Auf der anderen Seite kann die staatliche Seite nicht diejenigen, welche sogar schriftlich erklärten haben keine Arbeit mehr zu suchen, per Zwangsfestlegung zu Arbeitssuchenden machen. Dies ist unmöglich, da die staatliche Seite dem Verzicht selbst zugestimmt hat. Da SGB II jegliche Grundsicherung von der Bereitschaft zur Arbeitssuche abhängig macht, ergibt sich daraus, dass der Personenkreis der 58-Regelung keinerlei Grundsicherung erhalten würde. Denn er hat ja sogar schriftlich erklärt keine Arbeit mehr zu suchen. Die fehlende Anwendbarkeit des Gesetzes zur „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ ergibt sich hauptsächlich daraus, dass es sich bei der 58-Regelung um einen rechtsgültigen Vertrag handelt. Er ist deshalb gültig, weil beide Seite ihm freiwillig zugestimmt haben. Entsprechend gelten auch die Grundsätze des Vertragsrechts. Es überrascht nicht, dass ein Vertreter der
Bundesagentur gegenüber dem SPIEGEL erklärte, dass sich die
von der 58-Regelung Betroffenen wieder melden müssen. Geschieht dies
nämlich nicht, muss sich umgekehrt die Bundesagentur einen Kündigungsgrund
einfallen lassen. Da die Agentur durch den Vertrag u.a. den Vorteil geringerer
Ausgaben hatte, ist der Vorteil für beide Seiten der 58-Regelung
als ausgewogen zu behandeln. Die älteren Arbeitslosen bekommen für
ihre Unterschrift bis zur Rente den vereinbarten Betrag. Von dieser Seite
aus lässt sich also keine Kündigung begründen. Sie wäre
zusätzlich noch an Fristen gebunden. Eine fristlose Kündigung,
was die plötzliche Änderung ist, könnte nur mit dem Verhalten
der Betroffenen begründet werden. Zusammengefasst ergibt sich also, dass für eine Kündigung der getroffenen Vereinbarung jeglicher sachliche Grund fehlt. Übrig bleibt eine Änderung in den politischen Entscheidungen. Hier muss sich die Politik allerdings nicht nur selbst an geltendes Recht halten, sondern ist darüber hinaus verpflichtet Rechtsschutz auch durch Eindeutigkeit in der Rechtsetzung zu gewährleisten. Was die 58-Regelung und die nun folgende Regelung zu deren grundlosen Aufhebung betrifft, handelt es sich dem Inhalt nach um eine durch die herrschende Politik geschaffene Kollision eigner Regelungen. Ohne deren Beseitigung besteht materieller Rechtsschutz für diejenigen, die bereits eine Regelung abgeschlossen haben. Schließlich liegt die Ursache für die Regelkollision nicht bei den älteren Arbeitslosen, sondern beim Gesetzgeber, der die 58-Regelung beschloss und selbst rechtsverbindlich einführte. Diese nun streichen zu wollen, ist auch dann ein Rechtsverstoß, wenn die rechtsetzende Politik selbst gegen ihr eignes Recht verstößt. Denn auch die Gesetze verabschiedende Politik ist an Gesetz unr Recht gebunden. Die Kollision von gesetzlichen Regelungen kann rechtlich korrekt durch eine Bereinigung für die Zukunft behoben werden. Wird z.B. die 58-Regelung gestrichen, gelten ab sofort die Regelungen von SGB III bzw. SGB II – allerdings nur für künftige ältere Arbeitslose. Ob der durch solche Streichung dann benachteiligte, künftig arbeitslos werdende Personenkreis erfolgreich auf Gleichbehandlung klagen könnte, ist zumindest zweifelhaft. Verfassungsrechtlich betrachtet, ist es allerdings unabdingbar die Kollision gesetzlicher Regelungen zu beseitigen. Dass insgesamt die Hartz-Gesetze Ausdruck eines morbiden Demokratie- und Rechtsverständnisses sind, beweist sich in diesem Punkt anschaulich in dem staatlichen Umgang mit eigenen Regelungen. Was können die Betroffenen konkret tun? Sie dürfen auf keinem Fall selbst die 58-Regelung kündigen und sich wieder „arbeitsbereit“ melden. Juristisch betrachtet müsste von Seiten der Agentur eine Kündigung der vereinbarten Regelung erfolgen. Am wahrscheinlichsten ist es, dass die Betroffenen die Fragebögen zum Arbeitslosengeld II mit der Mitteilungen zugeschickt bekommen, dass die 58-Regelung zum 31.12.2004 ausläuft und sie ab dem 01.01.2005 unter das SGB II fallen. Werden daraufhin die Fragebögen „ordnungsgemäß“ ausgefüllt und zurückgeschickt wird dies als freiwilliges Zurückmelden als Arbeitssuchende(r) gewertet. Die 58-Regelung ist mit allen finanziellen Nachteilen „im gegenseitigem Einverständnis“ aufgehoben. Es käme deshalb darauf an, der Vertragsauflösung
zu widersprechen – und die Fragebögen (erst mal) zur Seite
zu legen. Widerspruch hat zwar nicht unbedingt aufschiebende Wirkung,
wer jedoch bereits z.B. im September möglichst per Einschreiben einer
Vertragsaufhebung widerspricht, bekommt bis zum Dezember auf jedem Fall
weiterhin sein Geld. Erst danach wird es kritisch. Es kommt rechtlich also auf eine „stichhaltige“ Begründung an, warum die ursprüngliche Vereinbarungen zur 58-Regelung plötzlich nicht mehr gelten soll. Der lapidare Hinweis „gilt nicht mehr“, ist unzureichend. Er entspricht nicht der – gerichtlich wiederholt festgestellten – Rechtsbelehrungspflicht staatlicher Stellen. Diese muss in jedem Fall explizit darauf hinweisen, aufgrund welcher gesetzlichen Regelung die 58-Regelung nicht mehr gültig sein soll. Deshalb – möglichst freundlich aber bestimmt – bei unzureichender Begründung (per Einschreiben) darauf hinweisen, dass zum Ausfüllen der Fragebögen „leider“ die notwendige rechtliche Begründung fehlt, verbunden mit der Bitte, dies umgehend nachzuholen. Ergänzend kann noch darauf hingewiesen werden, dass im entscheidenden SGB II nichts davon steht, dass die 58-Regelung betroffen sei. Verzögerungen bei dem weiteren Verfahren (wie Ausfüllen der Fragebögen) geht so eindeutig zu Lasten der Agentur. Man hätte ja ausgefüllt, wenn die Agentur dem vorgetragenen Wunsch rechtzeitig und umgehend nachgekommen wäre – so wäre zumindest die von einer Mitwirkungspflicht gekennzeichnete „korrekte“ Haltung. Was ist jedoch, wenn – was wahrscheinlicher
ist – eine Begründung in dem Stil ergeht, wie z.B. „aufgrund
der Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom
xx.xx.xx mit Nr. xxx ist die 58-Regelung ab dem 01.01.2005 nicht mehr
gültig“? In diesem Fall bleibt nur ein Widerspruch z.B. in
folgender Art: Natürlich hat die jetzige Regierung jegliches Gefühl von Rechtstaat gegenüber Schwächeren verloren und versucht ohne Rücksicht auf Verluste alles, was geht, durchzudrücken. Trotzdem wäre es falsch sich nicht zu wehren. Im Übrigen steht jedem der Weg immer noch offen aufzugeben, nachdem er mit seinem Widerstand keinen Erfolg hatte. Sich zunächst einmal im oben erwähnten Sinne zu wehren, birgt keinerlei Risiko. Im Gegenteil: Die Streichung der 58-Regelung ist rechtlich so angreifbar, dass deren Erfolg tatsächlich auf einen anderen Rechtstaat hinausliefe. Wer sich nicht wehrt, lebt nicht nur verkehrt, sondern produziert auch jenen Pessimismus, unter welchen er dann leidet. Es gibt leider immer noch zu viele Menschen, welche mit dem asozialen und demokratiefeindlichen Charakter von Hartz IV ihren Kommpromis schließen. Diese Menschen einen Spiegel vorzuhalten, ist für den Erfolg des Kampfes gegen die Hartz-Gesetze von ebenso großer Bedeutung, wie die Verteidigung der eigenen Situation – beides hängt letztlich eng zusammen. |