letzte Änderung am 12. März 2003 | |
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10.03.03
Die Kommission "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" (Hartz-Kommission) hat in ihrem Endbericht vom 16. August 2002 die aktuelle Debatte um die "Zusammenführung" von Arbeitslosen- und Sozialhilfe aufgegriffen und einen Vorschlag zur Einführung eines Arbeitslosengeld II sowie zur Einrichtung von Jobcentern präsentiert. Die Kommission begründet ihre Überlegungen u. a. damit, dass durch die von ihr vorgeschlagenen Neuerungen effizienteres staatliches Handeln (keine Doppelbearbeitung durch verschiedene Ämter) ebenso gewährleistet wäre wie weniger Bürokratie für die Betroffenen (Leistungen aus einer Hand). Ferner bestünden gemeinsame Aufgaben für Arbeitsämter, Sozialämter und weitere Institutionen, z. B. der Schuldnerberatung oder Jugendhilfe.
Die IG Metall hatte die Überlegungen der Kommission zu Job-Centern bereits in ihrer Stellungnahme vom 19. August 2002 begrüßt. Sie unterstützt deren zügige Umsetzung.
Die Einrichtung von Jobcentern muss es ermöglichen, Probleme von Arbeitslosen umfassend zu bearbeiten und hierdurch ihre Vermittlung in angemessene Arbeit zu vereinfachen sowie Leistungen aus einer Hand zu gewährleisten. Dies muss unter Federführung der Arbeitsämter unter Nutzung ihrer arbeitsmarktpolitischen Kompetenz auch für bisherige Sozialhilfebezieher geschehen.
Nach Auffassung der IG Metall ergeben sich folgende Anforderungen an die Jobcenter:
Die Einrichtung von Jobcentern und die Betreuung aller Personen, die dem Arbeitsmarkt zu Verfügung stehen, legen eine stärkere Vereinheitlichung des bisherigen Leistungsrechtes nahe. In diesem Zusammenhang wendet sich die IG Metall nicht grundsätzlich gegen die Überlegungen der Kommission zur Schaffung eines Arbeitslosengeld II (Alg II). Sie weist aber darauf hin, dass eine Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sozialstaatlichen Kriterien Rechnung tragen muss.
Die bereits durch das "Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" vorgenommenen massiven Kürzungen der Arbeitslosenhilfe widersprechen den Empfehlungen der Hartz-Kommission und werden sozialstaatlichen Kriterien nicht gerecht. Sie können daher von der IG Metall nicht akzeptiert werden.
Die derzeit im Rahmen der Gemeindefinanzreform erörterten Kürzungsvorschläge, die auf eine weit gehende Abschaffung der Arbeitslosenhilfe hinaus laufen, können erst recht keine Zustimmung durch die IG Metall finden: Sowohl in der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzierung als auch im BMWA werden Modelle diskutiert, die das Niveau des geplanten Alg II knapp oberhalb der heutigen Sozialhilfe ansiedeln. Für vormalige Arbeitslosengeldbezieher soll nach diesen Vorstellungen im ersten und zweiten Jahr ein degressiv gestaffelter Zuschlag gezahlt werden, der die Differenz der Haushaltseinkommen bei Bezug von Alg und Alg II zumindest teilweise ausgleichen soll und in der Höhe begrenzt ist. Die Anrechnung von Partnereinkommen soll nach den bisherigen (schärferen) Regeln der Sozialhilfe erfolgen. Unklar ist, ob Bezieherinnen und Bezieher von Alg II Ansprüche gegenüber der Gesetzlichen Rentenversicherung erwerben können. Im Ergebnis sind damit alle Arbeitslosen spätestens zwei Jahre nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes den Sozialhilfeempfängern nahezu gleich gestellt.
Im Folgenden weist die IG Metall auf die unterschiedlichen Aufgaben von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe hin (II. 2), die bei der Ausgestaltung des Alg II berücksichtigt werden müssen. Sie erinnert zudem an die bereits erfolgten Kürzungen der Arbeitslosenhilfe (II.3), die eine wesentliche Ursache für die Überschneidung beider Sicherungssysteme darstellen und verdeutlichen, dass kein Raum für weitere Leistungseinschnitte besteht. Auf dieser Basis legt die IG Metall eigene "Eckpunkte für ein Arbeitslosengeld II" (II.4) vor.
Arbeitslosen- und Sozialhilfe verfolgen unterschiedliche Ziele.
Mit der Arbeitslosenhilfe soll ein Beitrag zur Sicherung des Lebensstandards der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Falle ihrer Erwerbslosigkeit geleistet werden. Sie richtet sich nach dem vormaligen Einkommen (57 % bzw. 53 % vom pauschalierten Netto). Für Arbeitslosenhilfebezieher werden, anders als in der Sozialhilfe, für die Altersversorgung Beiträge an die Gesetzliche Rentenversicherung abgeführt.
Die Arbeitslosenhilfe erbringt zudem einen Beitrag zur Umverteilung zwischen den Regionen, da sie, anders als die Sozialhilfe, aus Steuermitteln des Bundes finanziert wird und hierdurch Belastungen durch ansonsten entstehende kommunale Aufwendungen für Sozialhilfe für diejenigen Kommunen abmildert, die von besonders hoher Arbeitslosigkeit betroffen sind.
Die Sozialhilfe verfolgt ein anderes sozialpolitisches Sicherungsziel als die Arbeitslosenhilfe, nämlich das der Armutsvermeidung. Sie stellt das nachrangige Sicherungssystem dar und setzt erst dann ein, wenn die vorrangigen Sozialleistungen nicht ausreichend greifen. Die Sozialhilfe ist auf einzelne Notlagen ausgerichtet und nicht für den aktuellen quantitativen Umfang konzipiert. Konkrete Unterschiede gegenüber der Arbeitslosenhilfe ergeben sich ferner durch schärfere Zumutbarkeitskriterien und eine engere Definition von Bedürftigkeit.
Beide Leistungsarten haben real die Funktion, das Mindestlohnniveau mit zu definieren: Die Höhe der Sozialleistungen und die (Zumutbarkeits-)Regelungen, auf deren Basis diese Leistungen gekürzt bzw. gestrichen werden können, regeln, ab wann es für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kurzfristig ökonomisch rational ist, eine Arbeit anzunehmen.
Die Arbeitslosenhilfe ist in den letzten Jahren sukzessive gekürzt worden. Beispielhaft seien hier benannt:
Durch diese Kürzungen ist es zu einer stärkeren Überschneidung des Kreises der Bezieher von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gekommen. Circa ein Drittel der knapp drei Millionen Bezieher von Sozialhilfe ist grundsätzlich erwerbsfähig. Hiervon bezieht wiederum ein knappes Drittel sowohl Leistungen des Arbeitsamtes als auch des Sozialamtes.
Die Überschneidung der beiden Personenkreise ergibt sich zudem durch die Ausweitung von Niedriglohnsektoren und prekären Arbeitsverhältnissen. Diese führt dazu, dass ein erheblicher Teil der erwerbstätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Armut arbeitet. Aus Teilzeitbeschäftigungen oder kurzzeitigen Befristungen erwachsen nur geringe Lohnersatzleistungen bzw. die Anspruchsvoraussetzungen werden nicht erfüllt. Bei diesem Personenkreis sind die Lohnersatzleistungen oftmals so niedrig, dass sie zusätzlich Sozialhilfe beziehen.
Mithin ist die oftmals beklagte Anspruchhäufung gegenüber Arbeits- und Sozialamt Resultat der Ausweitung des Niedriglohnsektors und der Kürzungen bei der Arbeitslosenhilfe.
Eine Zusammenführung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe muss einen wesentlichen Beitrag
leisten.
Zudem muss gewährleistet sein, dass Betroffenen Unterstützung in besonderen Lebenslagen geleistet und Armut vermieden wird.
In diesem Rahmen geht es darum, die entsprechenden Leistungen effizient zu erbringen und möglichst dafür Sorge zu tragen, dass der Leistungsfall gar nicht erst eintritt (Präventionsgedanke).
Hieraus ergeben sich folgende Reformvorschläge hinsichtlich des Alg II:
Die IG Metall verkennt nicht, dass das von ihr vorgeschlagene Konzept auf Basis einer konstant hohen Arbeitslosenzahl - zu einer Lastenverschiebung von den Kommunen hin zum Bund führen würde. Dies ist aber akzeptabel: Nicht zuletzt die bisherigen Leistungskürzungen bei der Arbeitslosenhilfe haben zu einer erheblichen Zusatzbelastung der Kommunen und zu einer Teilkommunalisierung der Langzeitarbeitslosigkeit geführt. Dieser Tendenz wird durch die Vorschläge der IG Metall entgegen gewirkt.
Der IG Metall ist bewusst, dass die Debatte um die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Teil mit dem Ziel geführt wird, Leistungen einzuschränken und das Leistungsniveau des Arbeitslosengeld II knapp oberhalb der aktuellen Sozialhilfe anzusiedeln.
Solche Leistungseinschränkungen sind aus Sicht der IG Metall nicht akzeptabel. Sie wären nicht nur sozial ungerecht und ökonomisch sinnlos. Sie schaffen bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit zudem eine "Reservearmee", mit deren Einsatz das Lohnniveau der heute Beschäftigten unterlaufen wird.
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