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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Offener Brief der GALG (Gewerkschaftliche
Arbeitslosengruppe Göttingens) An den Caritasverband für 37115 Duderstadt
am 24. Februar 2005 haben Sie einen Spendenaufruf an ausgewählte
Adressaten (wahrscheinlich frühere SpenderInnen) in Stadt und Landkreis
Göttingen versandt. Auf den ersten Blick kein ungewöhnlicher
Vorgang. Wir halten hier als Betroffene, die sich mit dem Entstehen und dem Hintergrund dieser 1-Euro-Jobs permanent auseinandersetzen, gleich mal fest: 1-Euro-Jobs machen so gut wie nie einen Sinn für die, die Sie ausüben müssen! Sicher aber für viele, die Sie anbieten. Interessant ist auch noch, dass Sie sehr exakt errechnet
haben, dass Sie diese intensive 1-Euro-Job-Betreuung 30 Euro pro Woche
je Job kostet. Diese 30 Euro möchten die angeschriebenen Personen
denn doch bitte auch spenden. Das verhindern Sie nun aber selbst. Denn auf der Rückseite
steht noch sehr viel Interessantes. Zunächst noch zu Frau M. Die
hat nun ein viel besseres Selbstwertgefühl, weil sie wieder gebraucht
wird. Das kann so sein. Aber was macht sie nun? Sie organisiert die ganze
Kleiderkammer (wohl in einem Ort). Tja. Ist das ein Beruf?
Wird ihr das helfen, einen anderen Beruf, eine andere Arbeitsstelle zu
finden? Welche? Darüber lesen wir nichts bei Ihnen. Das haben Sie
sicherlich nicht nur vergessen. Dazu gibt es einfach nichts zu schreiben.
Irgendwann steht dann auch nur noch da, dass es die Chance für einen
Wiedereinstieg ist. Es sind noch zwei Tatbestände wert, besonders erwähnt zu werden: a) Sie schreiben mehrfach, dass ja auch die 200 Euro zählen, die so jeden Monat mehr in der Haushaltkasse von Frau M. und allen anderen 1-Euro-Jobbern wären. Wie kommen die denn zustande? In der Regel ist im Sozialgesetzbuch II vorgeschrieben, dass nicht mehr als 30 Stunden pro Woche in einem 1-Euro-Job gearbeitet werden soll. Das macht dann ca. 120 Euro. Selbst bei einer 40-Stunden-Woche höchstens 160 Euro. Wie lange muss die arme Frau M. eigentlich ihr Selbstwertgefühl in der Kleiderkammer erhöhen, wenn sie die von Ihnen angepriesenen 200 Euro mehr zum Leben haben will. 200 Stunden. 200 Stunden schuften und statt einer anständigen und somit wirklich würdevollen Bezahlung mit einem lumpigen Euro in der Stunde abgefunden werden: ja, das ist sozial und menschlich. Bravo, Caritas! b) Eines fiel uns noch besonders unangenehm auf: Die volle Formulierung in einer Aufzählung heißt: „Ein 1-Euro-Job bietet arbeitswilligen Arbeitslosen die Chance auf 200 Euro mehr Geld zum Leben“. Die „Arbeitswilligen“. Aha. Nein, dem/der Schreiber/in ist in diesem Moment nicht durch den Kopf gegangen, dass die meisten Arbeitslosen in der Regel doch selber schuld sind, weil sie ja faul und arbeitsunwillig sind. Er/sie hat sich überhaupt nichts Böses dabei gedacht, stimmt es? Bloß, warum steht es dann da?? Mit dem bunten Bild einer aufgeräumten Kleiderkammer und mehreren Porträtfotos der intensiven Betreuer aus Ihren eigenen Reihen bekommt ihr Spendenaufruf auch nicht mehr das, was er vorgibt, zu haben: auch nur die Spur von Seriosität im Umgang mit Arbeitslosen. Sie wollen billige Arbeitskräfte. Schlimmer noch, sie wollen auch noch angebliche (oder tatsächliche, das macht es nicht besser) Betreuungskosten durch Dritte tragen lassen. Wir können nur hoffen, dass der Spendeneingang hierzu niedrig geblieben ist und Ihnen versichern, dass wir auch auf zukünftige Aktionen Ihrerseits in dieser Machart entsprechend und willig reagieren werden. Ihre gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe
Göttingens (GALG) |