Tübinger Aufruf gegen Ein-Euro-Jobs
vom Tübinger Initiativkreis gegen Eineurojobs
Die Bundesregierung bietet Wohlfahrtsverbänden, Sozialvereinen,
Kirchen und Kommunen an, so
genannte Ein-Euro-Jobs einzurichten. Damit sollen - so das offizielle
Ziel - mehrere hunderttausend
Langzeitarbeitslose wieder an reguläre Arbeitsplätze heran geführt
werden. Wir wissen: Im Einzelfall können solche Arbeitsgelegenheiten
– angesichts der massenhaften Langzeitarbeitslosigkeit – für
die Betroffenen persönliche Krisen und finanzielle Notlagen abmildern
und gesellschaftliche Einbindung fördern.
Je Ein-Euro-Jobber stehen monatlich bis zu 500 Euro bereit,
von denen etwa 150 Euro für die geleisteten Stunden an den ALG2-Bezieher
weiter gegeben werden. Das restliche Geld verbleibt beim Träger bzw.
beim Vermittler für Verwaltung und Begleitung.
Gleichzeitig stehen gemeinnützige Träger vor dem
Problem, wie sie ihre Aufgaben im sozialen Bereich weiterhin finanzieren
sollen. Vor dem Hintergrund leerer Kassen ist es verlockend, solche "Zusatzjobs"
zu schaffen. Damit, so hoffen manche Träger, können sie ihre
Finanzkrise abfedern und ihre Arbeit dauerhaft sichern.
Trotzdem: Wir werden uns unter den gegebenen Bedingungen
nicht daran beteiligen, Ein-Euro-Jobs zu schaffen!
- Ein-Euro-Jobs sind "Angebote, die man nicht ablehnen kann".
Wer einen solchen Job ablehnt, dem kann die Sozialhilfe/das ALG2 um
30 Prozent gekürzt, im Wiederholungsfall sogar ganz gestrichen
werden.
- Solche Zwangsmaßnahmen sind ungeeignet zur Bekämpfung der
Massenarbeitslosigkeit. Es fehlt vor allem an regulären, existenzsichernden
Arbeitsplätzen, nicht am Willen zur Arbeit. Arbeitszwang ist laut
Grundgesetz (Art. 12) verboten.
- Wir befürchten, dass mit dem Rückgriff auf Ein-Euro- Jobs
im Sozial- und Bildungsbereich reguläre und qualifizierte Arbeitsplätze
dauerhaft abgebaut werden. Mit der weiteren Abwertung der Arbeit in
diesen Bereichen wird die Qualität der sozialen und pädagogischen
Dienstleistungen abnehmen.
- Schon jetzt werden ehemals reguläre Arbeitsplätze mit Ein-Euro-Jobbern
besetzt. Die geforderte "Zusätzlichkeit" dieser Arbeitsplätze
ist fragwürdig. In vielen sozialen Bereichen werden schon seit
Jahren reguläre Stellen abgebaut. Diese Aufgaben heute als "zusätzlich"
zu
bezeichnen, zeugt vom schlechten Gedächtnis der Institutionen.
- Mit den Ein-Euro-Jobs wird flächendeckend ein dritter Arbeitsmarkt
etabliert und ein Niedrigstlohnbereich mit weitgehend rechtlosen Beschäftigten
geschaffen. Die Maßnahmen werden in der Regel nicht qualifizierend
sein und werden nicht als Sprungbrett für den ersten Arbeitsmarkt
dienen. "Integration in den Arbeitsmarkt" heißt zukünftig
für die meisten ALG2/Sozialhilfebezieher: Einmal Ein-Euro-Job,
immer Ein-Euro-Job.
- Wir befürchten, dass Ein-Euro-Jobs auf die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen
der regulär Beschäftigten einen enormen Druck erzeugen. Um
ihre Lohnkosten weiter zu senken, zeigen bereits die Unternehmerverbände
Interesse an Ein-Euro-Jobs auch im privaten Sektor.
Wir sind überzeugt: Die zwangsweise Einführung
eines Billigarbeitsdienstes ist nicht vereinbar mit
einer solidarischen Gesellschaft. Das soziale Klima wird sich weiter verschlechtern.
Das wollen wir
verhindern!
Es gibt Alternativen:
Nach Berechnungen des Diakonischen Werkes Württemberg
würde das gesamte Geld, das für Ein-Euro- Jobs zur Verfügung
steht (ALG2, Miete, Sozialversicherung und Verwaltungskosten) ausreichen,
den Betroffenen reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze
anzubieten.
Als Verein oder Einrichtung lehnen wir die Einführung
von Ein-Euro-Jobs ab und werden solche
Arbeitsgelegenheiten unter den gegebenen Bedingungen nicht einrichten.
Als Mitarbeitervertretung oder Personal- und Betriebsräte werden
wir deren Einrichtung nicht
zustimmen.
Erstunterzeichner:
Tübinger Arbeitslosentreff TAT, Personalrat des Uniklinikums,
Frauenkrisenhaus e.V., Kinderladen Villa Kunterbunt, Kulturverein Nepomuk
(Reutlingen).
Tübinger Initiativkreis gegen Eineurojobs
c/o ZAK, Belthlestr. 40, 72070 Tübingen
e-mail: anfoitzik@aol.com
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